Die Vorstellung von Walnut Grove, dem idyllischen Dorf aus der Erfolgsserie „Unsere kleine Farm“, ist untrennbar mit einem Gefühl von Geborgenheit, familiärer Liebe und unerschütterlichem Zusammenhalt verbunden. Hier, wo Charles Ingalls seine Familie durch alle Widrigkeiten führte, lernten Millionen von Zuschauern die wahre Bedeutung von Respekt und Menschlichkeit. Doch für zwei der bekanntesten Kinderstars der Serie, die Brüder Patrick und Matthew Labyorteaux, war der Weg zu diesem vermeintlichen Hollywood-Märchen alles andere als geradlinig. Ihre frühen Jahre waren geprägt von herzzerreißenden Fehldiagnosen, gesundheitlichen Herausforderungen und der tragischen Notwendigkeit, sich inmitten von Widrigkeiten durchzukämpfen. Was die Öffentlichkeit oft übersieht, ist die Tatsache, dass die brüderliche Bindung und der Geist des Durchhaltevermögens, die sie auf dem Bildschirm verkörperten, in ihrem realen Leben weit dramatischer und tiefgründiger verankert sind. Ihre Geschichte ist nicht nur ein Zeugnis der Heilkraft der Liebe, sondern auch eine inspirierende Erzählung darüber, wie sie ihre eigene Not in eine Mission verwandelten, die das Leben von Tausenden jungen Menschen retten sollte.
Die Brüder, die als Andy Garvey und Albert Quinn Ingalls die Herzen der Fans eroberten, wurden beide von Ronald Labyorteaux und seiner Frau Frances „Frankie“ Marshall adoptiert. Die Liebe und Fürsorge, die sie ihren Söhnen schenkten, musste jedoch von Anfang an gegen die düsteren Prognosen von Ärzten und Sozialarbeitern ankämpfen.
Diagnose: Psychotisch und geistig behindert – Das frühe Trauma
Die Adoption von Patrick erfolgte, als er noch ein Säugling war. Was seine Adoptiveltern in ihrem Herzen willkommen hießen, wurde von der medizinischen Gemeinschaft mit einem beunruhigenden Etikett versehen: Die Ärzte bezeichneten Patrick unangemessen als „psychotisch“. Seine Mutter Frankie erinnerte sich später an die verheerenden Zustände: „Er war so aufgeregt, dass er kein Essen bei sich behalten konnte, als wir ihn bekamen.“ Patrick litt unter Magerkeit und Unterernährung. Am erschreckendsten war, dass er „kalten Schweißausbruch bekam, wenn jemand versuchte, ihn anzufassen“. Ein Kind, das Zuneigung braucht, reagierte panisch auf Berührungen. Es war ein Kampf, der immense Geduld und eine beispiellose, ruhige Entschlossenheit erforderte. Nur mit „viel Liebe und einer festen, sanften Hand“ konnten seine Symptome nach einer Weile verschwinden. Patricks Geschichte ist ein schmerzvoller Beweis dafür, dass menschliche Wärme oft die wirksamste Therapie ist.
Matthew stand vor ähnlich monumentalen Hürden. Er wurde als Baby adoptiert und litt an einem Loch im Herzen, das ihm eine körperliche Verwundbarkeit auferlegte. Doch die emotionalen Narben drohten tiefer zu sein: Ärzte diagnostizierten Matthew als „autistisch oder geistig behindert“ und rieten seinen Eltern zu einem Schritt, der für Ronald und Frankie inakzeptabel war – ihn in ein Heim einzuweisen. Anstatt die Hoffnung aufzugeben, suchten die Labyorteaux nach der wahren Ursache. Was sie fanden, war schockierend und lebensverändernd zugleich. Matthew litt unter einem niedrigen Blutzuckerspiegel. Frankie bemerkte eine verblüffende Wahrheit: „Zucker war für sein System genauso giftig wie Alkohol oder Drogen.“ Sobald die Eltern seine Ernährung korrigierten, trat ein Wunder ein. „Der Unterschied war drastisch und sofort spürbar“, erklärte Frankie. „Alle seine Probleme verschwanden. Es war erstaunlich.“
Man kann die Tragödie kaum ermessen: Zwei Kinder, von der Gesellschaft und der Wissenschaft bereits abgeschrieben, wurden durch die bedingungslose Liebe ihrer Adoptiveltern gerettet. Ihre Fähigkeit, gegen die Expertenmeinung anzukämpfen und die wahren Nöte ihrer Kinder zu erkennen, ist ein leuchtendes Beispiel elterlicher Hingabe, die das Fundament für die späteren Karrieren und humanitären Erfolge der Brüder legte.
Der Durchbruch durch die Schauspielerei als Therapie
Das Schauspiel trat in das Leben der Jungen, nicht als oberflächlicher Wunsch nach Ruhm, sondern oft als therapeutisches Werkzeug. Patrick begann die Schauspielerei als eine Form der Therapie zu nutzen. Schon in jungen Jahren war er ein erfahrener Profi in Werbespots für Cheerios und McDonald’s und wurde kurz nach seinem Karrierestart in der berühmten Produktion Mame an der Seite von Lucille Ball besetzt.
Für Matthew war der Weg ins Rampenlicht von noch mehr Herausforderungen gesäumt. Er begann erst spät in seiner Kindheit zu laufen und zu sprechen. Frankie beschrieb seine frühen Jahre als eine ständige Angst: „Wenn jemand versuchte, ihn hochzuheben, würde er schreien und versuchen, wegzukommen.“ Seine erste Chance auf ein Vorsprechen für einen Werbespot warf Frankie in Panik, da sie befürchtete, er würde einen seiner gefürchteten Wutanfälle bekommen, sobald ihn jemand berührte. Doch in diesem Moment des größten Risikos geschah das Unerwartete: „Matthew stand einfach auf und folgte ihr in den Raum.“ Die Besetzung von Matthew wurde als Nervenkitzel beschrieben, „als würde man auf einem Pulverfass sitzen und eine Zigarette rauchen.“ Von diesem unerwarteten Durchbruch an nahm Matthews Schauspielkarriere unaufhaltsam Fahrt auf.
Die Brüder waren, lange bevor sie in Walnut Grove auftauchten, bereits erfahrene Profis. Ihre Mutter hatte eine klare Forderung, sollte sie diesen Weg einschlagen: „Wenn sie Schauspieler werden wollten, verlangte das Selbstdisziplin und ein vollkommen professionelles Verhalten.“ Und genau diese Disziplin war der Anker, der ihnen half, im turbulenten Hollywood-Umfeld zu bestehen.
Walnut Grove: Ein Spiegelbild der Realität
Die Jahre bei „Unsere kleine Farm“ wurden zu einem prägenden Kapitel. Matthew stieß als Erster zur Serie und spielte in Rückblenden den jungen Charles Ingalls. Patrick kam als Andy Garvey, der Sohn der Nachbarn, hinzu. Später wurde Matthew erneut adoptiert – diesmal von der Familie Ingalls auf dem Bildschirm. Er wurde zu Albert Quinn Ingalls und auf der Leinwand zu einem unzertrennlichen Freund von Patricks Charakter Andy Garvey. Matthews Darstellung als Albert Quinn, der erst spät zur Ingalls-Familie stößt und seinen Platz finden muss, brachte ihm zwei Nominierungen für den Young Artist Award als bester junger Schauspieler in einer Drama-Serie ein.
Die Werte, die die Serie transportierte, waren für die Brüder mehr als nur Drehbuchzeilen. Matthew bemerkte, dass die beständigen Familienbildungen und das Ethos der Serie ihr persönliches Leben widerspiegelten: „Pad und ich sind damit aufgewachsen, unsere Eltern zu respektieren. Wir glauben an gute Manieren und Respekt voreinander.“ Er betonte, dass es nicht nur darauf ankam, wie man Dinge sagte, sondern vor allem darauf, wie man einander fühlen ließ und einander behandelte. Diese Lektionen waren das direkte Ergebnis der Liebe, die ihre Eltern ihnen entgegengebracht hatten, als die Welt sie abgeschrieben hatte.
Matthew beschrieb die Schauspielerei als einen integralen Teil seiner Identität: „Ich spiele, seit ich mich erinnern kann. Schauspielerei ist etwas, das ich getan habe, seit ich mich erinnern kann, und ich liebe es. Das gilt auch für Pad. Wir sind Schauspieler und im Moment wollen wir nichts anderes sein.“ Ihre Karrieren gaben ihrem Leben eine Richtung und hielten sie beschäftigt. Ein Leben ohne die Schauspielerei schien für Matthew unvorstellbar. Er versuchte zwar, normale Dinge zu tun, die Gleichaltrige genossen, wie zum Beispiel in einer Rollschuhbahn abzuhängen, doch er fand: „Es macht einfach keinen Spaß. Für mich ist Schauspielerei Spaß.“
Das Erbe nach Walnut Grove: Parallelleben und Philanthropie
Jahre nach dem Ende der Ära von Walnut Grove führten beide Brüder ihre Karrieren erfolgreich fort. Patrick arbeitete an der Seite von Stars wie Mark Harmon in der Serie Prince of Bel-Air und dem Film Summer School. Später sollte er die berufliche Verbindung zu Mark Harmon in den Erfolgsserien JAG und NCIS wieder aufnehmen.
Patricks Leben nahm jedoch eine faszinierende, fast mystische Wendung, als er über seine Zeit bei JAG sprach. Er bemerkte eine „seltsame“ Koinzidenz, bei der alles, was in der Show passierte, ihm etwa ein Jahr später im wirklichen Leben widerfuhr. „Pad hat geheiratet – ein Jahr später habe ich die Produzentin der Show, Tina, geheiratet. Wir haben ein Baby in der Show bekommen, und meine Frau ist jetzt schwanger. Es war wunderbar. Die Show hat mir mein Leben und meine Frau gegeben.“ Patrick und Tina heirateten, und ihr Sohn Joe Bennett wurde kurz darauf geboren. Patricks Karriere blieb konstant: Nach dem langen Lauf von JAG produzierte er später zusammen mit Tina die Netflix-Serie See Dad Run mit Scott Baio.
Doch der wahre Kern der Geschichte der Labyorteaux-Brüder liegt nicht in den Lichtern Hollywoods, sondern in ihrem tiefen Wunsch, die Liebe, die sie erfahren hatten, weiterzugeben.
Zu Beginn der 80er Jahre gründeten Patrick und Matthew den „Youth Rescue Fund“, eine Organisation zur Unterstützung entlaufener und gefährdeter Jugendlicher. Matthew erklärte die Motivation hinter dieser bemerkenswerten Initiative: „Wir wollen unsere Dankbarkeit für das Zuhause und die Eltern zeigen, die viele Menschen nicht haben.“ Es war ein direktes Zeugnis dafür, dass ihre eigene schwierige Kindheit und die Rettung durch ihre Adoptiveltern sie zu dem Glauben angetrieben hatte, dass sie eine Pflicht hatten, anderen zu helfen. „Der beste Weg zu zeigen, wie sehr uns das am Herzen liegt, ist zu versuchen, anderen zu helfen, die nicht das Glück haben, ein Zuhause und Eltern wie wir zu haben.“
Der Fonds konzentrierte sich darauf, Jugendgremien zu gründen, um entlaufene, obdachlose oder misshandelte Teenager sowie solche mit Drogen- oder Alkoholproblemen zu unterstützen. Ihr langfristiges, ehrgeiziges Ziel war die Einrichtung von Unterkünften. Um Geld zu sammeln, wurden die Mitglieder ihrer Fanclubs gebeten, einen Dollar beizutragen. Sie organisierten auch Promi-Rodeos, Tanzveranstaltungen und verkauften Sicherheitsaufkleber für Autobahnen. Die Bilanz ihrer Bemühungen ist atemberaubend und spricht Bände über ihren Einfluss: Sie sammelten fast elf Millionen Dollar. Die von ihnen unterstützte Organisation, das „National Network of Runaway and Youth Services“, setzt ihre Arbeit weiterhin fort.
Die Geschichte von Patrick und Matthew Labyorteaux ist weit mehr als eine Anekdote aus der Fernsehgeschichte. Sie ist eine tief bewegende Lektion in Menschlichkeit. Zwei Jungen, die als Kleinkinder mit Stempeln wie „psychotisch“ und „geistig behindert“ kämpften, wurden durch die unerschütterliche Liebe ihrer Eltern gerettet. Anstatt ihre Hollywood-Karriere nur für den eigenen Vorteil zu nutzen, verwandelten sie ihre Plattform und ihre Erinnerungen an das, was ihnen fehlte, in eine monumentale Wohltätigkeitsorganisation. Sie bewiesen, dass die größten Helden nicht diejenigen sind, die am lautesten schreien, sondern diejenigen, die in der Stille wirken, um anderen zu geben, was ihnen selbst fast verwehrt geblieben wäre: ein sicheres Zuhause und die Chance auf ein besseres Leben. Sie sind die wahren Symbole des Durchhaltevermögens, die in ihren Rollen in „Unsere kleine Farm“ so wunderbar dargestellt wurden. Ihr Erbe ist nicht nur auf Zelluloid verewigt, sondern in den Leben der jungen Menschen, die sie gerettet haben.