Die Nachricht von seinem Tod am 4. August 2024 verbreitete sich wie ein Lauffeuer und ließ die Kunstwelt in einem Zustand des Schocks und der Ratlosigkeit zurück. Alfred „Fred“ Bauhaus, der Mann, der dem Ruhrgebiet eine neue ästhetische Stimme gegeben hatte, der Schrott in Poesie verwandelte und die Narben der Industrie in gefeierte Kunstwerke goss, war tot. Gestorben allein in seiner Duisburger Wohnung, umgeben von den unvollendeten Werken und den Materialien, die sein Leben definiert hatten.
Monatelang brodelte die Gerüchteküche. War es Suizid? Eine Überdosis? War der Druck, die Isolation, die gesundheitlichen Probleme der letzten Jahre zu viel geworden? Jetzt, nach quälenden Wochen des Wartens, liegt der abschließende Bericht der Gerichtsmedizin vor. Und die Wahrheit ist poetischer, tragischer und weitaus schrecklicher, als es sich jeder Gerüchtemacher hätte ausmalen können.

Alfred Bauhaus starb nicht durch einen plötzlichen Akt der Verzweiflung. Er wurde getötet – langsam, schleichend, über Jahrzehnte hinweg. Gestorben an einer fatalen Kombination aus chronischer Herzinsuffizienz und einer akuten Vergiftung durch Schwermetalle. Die toxikologische Analyse bestätigte, was Freunde in seinen letzten, von Paranoia geprägten Monaten als Wahnvorstellung abgetan hatten: Sein Körper war gesättigt mit Blei, Quecksilber und anderen Schadstoffen.
Die Quelle dieser Gifte? Es war kein unsichtbarer Feind. Es war sein Lebenswerk. Das Erbe des Ruhrgebiets. Der recycelte Industrieabfall, den er jahrzehntelang ohne ausreichenden Schutz berührt, geatmet und zu Kunst geformt hatte. Alfred Bauhaus wurde von seiner eigenen Muse vergiftet.
Um diese Tragödie zu verstehen, muss man zurückblicken auf den Anfang. Zurück in die Schatten der rauchenden Schlote von Duisburg im Jahr 1957. Geboren als Sohn eines Schweißers bei den Thyssenwerken und einer Näherin, war sein Leben von Anfang an von der Industrie geprägt. “In unserer Familie gab es keine Kunst um der Kunst Willen”, erinnerte er sich einst, “sondern Formen, die dem Leben dienen mussten.” Dieses Mantra des Funktionalen, die Härte des Alltags im Wirtschaftswunder-Deutschland, formte ihn.
Schon früh zeigte sich sein Talent, doch es war ein Talent im Konflikt. Er zeichnete keine Landschaften, sondern Skizzen von Maschinen, fantasievolle Konstruktionen, die die industrielle Realität seiner Kindheit spiegelten. Es war der ewige Konflikt zwischen der rauen Praxis und dem Drang nach kreativer Schönheit, der sein gesamtes Leben definieren sollte. Die 68er-Bewegung und linke Versammlungen politisierten ihn. “Die Fabriken haben uns geformt, aber wir können sie umformen”, notierte er.

Nach einer Tischlerlehre, die seine handwerkliche Präzision schärfte, aber seinen Geist frustrierte, floh er in den Schmelztiegel der 70er Jahre: West-Berlin. Hier, in der geteilten Stadt, sog er die Subkultur auf, studierte an der Hochschule der Künste und traf auf das Erbe der Schule, deren Namen er wie eine Rüstung tragen sollte: das Bauhaus. Er, Alfred, adoptierte den Spitznamen “Fred”, eine bewusste Abgrenzung und gleichzeitig eine Hommage.
Doch Berlin war nur ein Zwischenspiel. Sein Herz, sein Material, seine Bestimmung lag im “Pott”. 1979 kehrte er nach Duisburg zurück und eröffnete eine Werkstatt. Es war der Beginn einer Revolution.
Die 1980er Jahre waren sein Durchbruch. Bauhaus organisierte Workshops, in denen Arbeiter und Künstler gemeinsam Objekte schufen. Er machte Kunst zugänglich, riss sie aus den elitären Galerien und brachte sie zurück in die Fabrikhallen. “Kunst muss zugänglich sein, nicht elitär”, predigte er. Seine Installationen aus Industrieabfällen waren radikal. Ein Labyrinth aus rostigen Rohren, das die Geschichte des Ruhrgebiets erzählte, machte ihn berühmt. Er gewann Designpreise für Möbel, die modular, nachhaltig und aus dem gefertigt waren, was andere wegwarfen.
Er war charismatisch, ein scharfer Denker. In den 1990er Jahren erreichte er internationalen Kultstatus. Seine schwimmende Skulptur “Rein Phantom” (1992) wurde zu einem Symbol für den Verlust der Industrie, ein Trauergesang auf dem Fluss, den Tausende besuchten. Er gründete eine Stiftung, wurde Professor und heiratete die Künstlerin Elena Vogt, mit der er zwei Kinder bekam.
Der Aufstieg ging in den 2000er Jahren weiter. Bauhaus war auf dem Zenit. Er integrierte Technologie, schuf interaktive Installationen wie “Digitale Ruinen” (2005), die den Verlust der analogen Welt thematisierten und Hunderttausende anzogen. “Technik ist Werkzeug, nicht Herrscher”, erklärte er. Er wurde weltweit gefeiert, erhielt höchste Auszeichnungen.

Doch hinter dem Glanz begannen die Risse. Neid und Plagiatvorwürfe, die sich zwar als haltlos erwiesen, aber an ihm nagten. Die Kommerzialisierung seiner eigenen Kritik zerriss ihn innerlich. Und dann kam der private Bruch: die Trennung von Elena 2012.
Es war der Beginn einer schleichenden Isolation. Während er sich öffentlich gegen den Klimawandel engagierte und “Formen, die heilen” propagierte, begann sein eigener Körper zu rebellieren. 2018 erhielt er das Bundesverdienstkreuz, doch die ersten Herzprobleme, die er ignorierte, zeichneten sich bereits ab.
Der Abstieg, der nun folgte, war so langsam und unaufhaltsam wie die Gifte, die in seinem Blut zirkulierten. Ab 2019 wurden die gesundheitlichen Rückschläge gravierend. Herzoperationen. “Ich bin aus Stahl gebaut”, witzelte er noch, doch die Fassade bröckelte. Die Pandemie 2020 traf ihn hart, verschärfte seine Isolation. Er wandte sich alternativen Therapien zu, misstraute der konventionellen Medizin.
Gleichzeitig entwickelte er eine wachsende, fast fieberhafte Paranoia. Er sprach von Umweltgiften, von einer Verschwörung der Fabriken. Seine Freunde und Familie sorgten sich um seinen Geisteszustand. Heute wissen wir: Es war keine Paranoia. Es war eine Diagnose. Sein Körper spürte, was die Ärzte noch nicht sahen. Die Industriechemikalien, denen er jahrzehntelang ausgesetzt war, forderten ihren Tribut.
Finanzielle Probleme kamen hinzu. Ein Skandal um gefälschte Zertifikate (2022) beschädigte seinen Ruf nachhaltig. Der Kontakt zu seinen Kindern brach fast vollständig ab. Er zog sich in seine Festung in Duisburg zurück, eine alte Fabrikhalle, die nun mehr Mausoleum als Atelier war.
Die letzten Monate seines Lebens, im Frühjahr und Sommer 2024, waren ein tragischer Epilog. Nachbarn sahen ihn kaum noch, einen abgemagerten Mann, der einsam am Rhein stand und auf das trübe Wasser starrte. Er litt unter akuter Atemnot, weigerte sich aber, ins Krankenhaus zu gehen. Er recherchierte wie besessen über Toxikologie, überzeugt davon, dass “unsichtbare Gifte” ihn zerfraßen.
Am 1. August 2024 der Kollaps. Ein akuter Herzinfarkt in seiner Werkstatt. Die Notärzte kamen, wollten ihn mitnehmen. Bauhaus weigerte sich hartnäckig. “Zu Hause sterbe ich, wenn es soweit ist”, murmelte er.
Drei Tage später war er tot.
Der Autopsiebericht schließt nun den Kreis seines Lebens. Alfred “Fred” Bauhaus, der Junge aus Duisburg, der auszog, um die Industrie zu Kunst zu verarbeiten, wurde von ebenjener Industrie eingeholt. Er, der die “Formen, die dem Leben dienen” suchte, fand seinen Tod in den Formen, die er aus dem Abfall der Vergangenheit schuf.
Sein Vermächtnis ist nun ein doppeltes. Es sind die Werke von rostiger, brutaler Schönheit, die in Museen auf der ganzen Welt hängen. Und es ist die unauslöschliche Mahnung, dass die Sünden der Industrie, die Gifte unseres Fortschritts, nicht einfach verschwinden, nur weil wir sie zu Kunst erklären. Sie bleiben in der Erde, in der Luft und – wie im Fall von Fred Bauhaus – im Blut derer, die sich ihnen am intensivsten widmen.