ProSieben gilt seit jeher als der Sender, der es versteht, frische Gesichter und innovative Formate aus dem digitalen Raum ins klassische Fernsehen zu überführen. Mit den YouTube-Stars Dennis und Benny Wolter, bekannt durch ihren erfolgreichen Kanal „Worldwide Wohnzimmer“, sollte dieser Transfer nun in der Primetime gelingen. Die Erwartung war hoch: Die Zwillinge, die für ihren humorvollen und lockeren Umgang mit Prominenten bekannt sind, sollten mit ihrer neuen Show Erkennst du den Song Live ein junges Publikum vor die Fernseher locken. Doch der Auftakt der Live-Musikrateshow am 4. November 2025 endete in einem Quoten-Desaster. Statt eines Triumphes steht ProSieben nun vor einem ernsthaften Dilemma, denn die Zuschauerzahlen sind dramatisch eingebrochen.
Schockierende Zahlen nach großem Hype
ProSieben hatte die neue Show mit hochkarätigen Gästen beworben, die die üblichen Grenzen zwischen YouTube- und TV-Prominenz auflösen sollten. Gäste wie Joko Winterscheidt, Klaas Heufer-Umlauf, Felix Lobrecht, Finsch und Nico Santos waren angekündigt. Das Konzept der Show schien auf den ersten Blick unterhaltsam: Promis müssen live Songs erkennen, und wer scheitert, muss zum „Straf-Karaoke“ antreten. Die Zwillinge selbst kommentierten den ungewöhnlichen Aufbau des Dienstagabends selbstironisch: „Puffi macht das Warmup, Claas das Vorprogramm und dann quissen wir live um eine goldene Ananas. Das gibt’s nur bei ProSieben.“
Doch diese Selbstironie konnte die harten Fakten der Quoten nicht abfedern. Der Mediendienst DWDL berichtete von schockierend niedrigen Zahlen für die Auftaktfolge, die ab 22:30 Uhr ausgestrahlt wurde:
Gesamtzuschauerzahl: Nur 150.000 Menschen schalteten insgesamt ein.
Junge Zielgruppe (14 bis 49 Jahre): Lediglich 70.000 Zuschauer.
Marktanteil in der jungen Zielgruppe: Ein katastrophal schwacher Wert von 3,6 Prozent.
Im Vergleich dazu schnitt das restliche Dienstagabend-Programm von ProSieben deutlich besser ab. Die direkt davor laufende Sendung Experte für alles erreichte immerhin 6,3 Prozent Marktanteil. Der Primetime-Slot mit TV total holte mit 0,51 Millionen Zuschauern aus dem jungen Publikum und einem Marktanteil von 12,5 Prozent einen zufriedenstellenden Erfolg – ein Unterschied von beinahe 9 Prozentpunkten zum Wolter-Format.
Das Dilemma für ProSieben
Die dürftigen Quoten der Wolter Zwillinge dürften für den Sender eine herbe Enttäuschung sein und werfen eine existenzielle Frage auf: Lohnt sich dieser Aufwand im Vergleich zu den Quoten wirklich?
Der Misserfolg der Live-Show, die bereits im vergangenen Dezember mit einer Pilotfolge unter dem Titel Worldwide Wohnzimmer Erkennst du den Song live getestet wurde, ist besonders brisant, da ProSieben massiv in das Format investiert hat. Live-Shows mit prominenten Gästen sind teuer in der Produktion, und die Erwartungshaltung des Senders war klar: Die Reichweite der YouTube-Stars sollte die Brücke in die junge TV-Zielgruppe schlagen. Diese Brücke scheint jedoch kollabiert zu sein.
Das Problem liegt oft im Timing und der Positionierung: Die Sendung lief erst ab 22:30 Uhr. In diesem späten Sendeplatz muss ein Format sofort überzeugen, um das Publikum, das bereits den halben Abend ferngesehen hat, zu halten. Die Wolters konnten diese Aufgabe trotz ihrer großen Online-Fangemeinde nicht erfüllen. Das Ergebnis ist eine „Hiobsbotschaft“ für die künftigen Folgen.
Die Zukunft des Formats – Kampf um die Quote
ProSieben steht nun vor der schwierigen Entscheidung, wie mit dem Format umzugehen ist. Stand jetzt sind noch drei weitere Folgen für den 11., 18. und 25. November angekündigt. Ironischerweise ist die letzte Folge mit einem extrem hochkarätigen Cast besetzt: Felix Lobrecht, Senna Gammour, Nilam Farooq und DJ Z.
Die Hoffnung des Senders muss nun sein, dass diese Promi-Power in den kommenden Wochen für eine Steigerung der Zuschauerzahlen sorgen kann. Sollte sich der Trend der Auftaktfolge jedoch fortsetzen, wird ProSieben sich die Frage stellen müssen, ob eine weitere Staffel des Formats gerechtfertigt ist.
Der Flop der Wolter Zwillinge ist symptomatisch für die schwierige Beziehung zwischen YouTube-Erfolg und klassischem Fernsehen. Was in der lockeren, kurzen Form eines digitalen Kanals funktioniert, verliert in den starren Strukturen und der späten Sendezeit des Fernsehens oft seinen Reiz und seine Anziehungskraft. Die „Goldene Ananas“, von der Dennis Wolter selbst sprach, ist angesichts der Quoten wohl das Einzige, was in diesem Fall gewonnen wurde. Die eigentliche Lektion für ProSieben: Selbst mit den beliebtesten Internet-Stars ist der Sprung vom „Worldwide Wohnzimmer“ in die Fernseh-Primetime ein riskantes und oft scheiterndes Unterfangen.