Es gibt Schauspielerinnen, die ihre Karriere auf einem einzigen, unveränderlichen Image aufbauen. Und dann gibt es Sonja Kirchberger. Seit über drei Jahrzehnten tanzt die gebürtige Wienerin mit einer beneidenswerten Leichtigkeit durch die deutsche Film- und Fernsehlandschaft. Sie ist eine Chamäleon-Künstlerin, eine Stil-Jongleurin und eine mutige Anti-Muse, die sich weigert, in eine einzige Schublade gesteckt zu werden. Aber selbst für eine Frau, deren Markenzeichen die Veränderung ist, gab es einen Moment der radikalen, ja, schockierenden Transformation, der selbst ihre treuesten Fans zweimal hinsehen ließ. Ein Look, der so drastisch war, dass die Presse seinerzeit fassungslos titelte, sie sei kaum wiederzuerkennen – die Dreadlocks der Hexe Ekundri.
Die Geschichte dieses dramatischsten aller Look-Wechsel ist die Geschichte eines Mutes, der tief in der Kunst des Schauspiels verwurzelt ist, aber auch die Geschichte einer Frau, die bereit war, das Image der ewigen Verführerin abzustreifen, das ihr einst Ruhm bescherte.

Vom „Venusfalle“-Skandal zur Leinwand-Königin
Um die Wucht von Kirchbergers späterer Verwandlung zu verstehen, muss man ihre Anfänge beleuchten. Die Schauspielerin betrat die Bühne des öffentlichen Interesses und erlangte mit dem Erotikfilm Die Venusfalle schlagartig Berühmtheit. Sie spielte die verführerische Kopo und prägte damit ein Bild, das sie in den Folgejahren ebenso sehr verfolgen wie feiern sollte: das der aufregenden, sinnlichen und todesmutigen Femme Fatale. Dieser Erfolg katapultierte sie in die erste Riege der deutschen Schauspielerinnen.
Sie festigte ihren Status als Kinostar mit anspruchsvollen Projekten und populären Produktionen wie der legendären Kiez-Saga Der König von St. Pauli, dem Abenteuerfilm Der blaue Diamant oder dem Thriller Amok. Sonja Kirchberger war in aller Munde, ihr Gesicht und ihre Präsenz waren ein Garant für hohe Einschaltquoten und volle Kinosäle. Sie trug meist lange, dunkle oder rötliche Haare, die ihre intensive Ausstrahlung unterstrichen. Ihr Stil war elegant, aufregend und stets den Erwartungen an eine deutsche Diva entsprechend.
Doch eine wahre Künstlerin ruht sich nicht auf Lorbeeren oder einem einmal etablierten Image aus. Sie sucht die Herausforderung. Und diese fand Kirchberger auf dramatische Weise.
Die Geburt der Hexe Ekundri: Der radikalste Schnitt
Übernahm Sonja Kirchberger eine Rolle in der RTL-Fantasy-Produktion Lenya – Die größte Kriegerin aller Zeiten. Sie spielte darin die Hexe Ekundri. Eine Rolle, die nicht nur schauspielerisch, sondern auch visuell eine komplette Abkehr von allem forderte, was das Publikum bis dahin mit der eleganten Kirchberger verband.
Für die Rolle musste sich die Schauspielerin Dreadlocks verpassen lassen. Bei den Dreharbeiten war dies eine Notwendigkeit des Kostümbildes, doch die wahre Sensation folgte, als Kirchberger diesen Look in die Öffentlichkeit trug. Kurze Zeit vor der TV-Premiere des Films zeigte sie sich bei einem Fototermin von RTL. Und dort stand sie: Nicht die glamouröse Venusfalle-Ikone, sondern eine fast nicht wiederzuerkennende Frau.
Die Dreadlocks waren massiv und bildeten einen starken Kontrast zu ihrem sonst so geschmeidigen Haar. Sie kombinierten die voluminöse, rustikale Frisur nicht etwa mit einem zurückhaltenden Outfit, sondern setzte auf eine pinkfarbene Hose und eine farblich passende Streifenbluse. Die Kombination aus dem auffälligen, ungewohnten Haar und dem gewagten, grellen Farbmix erzeugte einen visuellen Schockeffekt, der die Medien elektrisierte. Der Look war eine Kampfansage an alle Konventionen und die bestechende Illustration der Aussage, dass Sonja Kirchberger in erster Linie Schauspielerin ist – eine, die ihren Körper und ihr Aussehen radikal in den Dienst ihrer Kunst stellt.
Der Auftritt wurde zum Stadtgespräch. Wie konnte sich die Frau, die das deutsche Kino mit ihrer klassischen Schönheit verzaubert hatte, derart verändern? Es war ein mutiges Statement. Die Dreadlocks waren mehr als nur eine Perücke oder eine neue Frisur; sie waren die physische Manifestation eines radikalen Rollenwechsels, der ihre Wandlungsfähigkeit bis zum Äußersten trieb. Dieser Moment auf dem roten Teppich markierte den Höhepunkt ihrer Experimentierfreude und bewies, dass sie das etablierte Bild ihrer selbst mit Vergnügen dekonstruieren konnte. Es war der ultimative Akt der Befreiung von der Bürde der Schönheit.

Die Philosophie des permanenten Wandels
Warum dieser ständige Wechsel? Die Antwort liegt in der Natur des Schauspielberufs selbst, aber auch in Kirchbergers persönlicher Haltung. In der Zeit ihrer Karriere hat sie eine beeindruckende Palette an Frisuren und Stilen präsentiert. Mal kurz und dunkel, mal rot und lockig, dann wieder schulterlang und elegant. Die Dreadlocks waren der extremste Punkt in dieser Kette der Metamorphosen. Doch ihr ständiges Neu-Erfinden ist weniger eine Laune, sondern vielmehr eine Überlebensstrategie in einer Branche, die schnell dazu neigt, Frauen in stereotype Rollen zu zwängen.
Indem Kirchberger immer wieder ihr Äußeres anpasste, entzog sie sich erfolgreich der Falle, nur auf ihre anfängliche Rolle als Verführerin reduziert zu werden. Sie bewies: Ich bin mehr als mein Aussehen; ich bin die Rolle, die ich gerade spiele. Sie nutzt Haare und Mode als Werkzeuge, um eine neue Persönlichkeit zu formen und die Distanz zu ihrem eigenen, privaten Ich zu wahren. Die Dreadlocks für Ekundri waren dabei das ultimative Zeichen dieses künstlerischen Engagements.
Der emotionale Kern dieses Phänomens liegt in der Angst, stagniert zu werden. Für eine Schauspielerin von Kirchbergers Kaliber ist der Stillstand der kreative Tod. Ihr steter Wandel, der sie „nie lange ein und denselben Look tragen lässt“, ist die ultimative Demonstration ihrer Vitalität und ihrer ungebrochenen Leidenschaft für die Verwandlung. Sie lehrt uns, dass man sich von der Erwartungshaltung anderer freimachen muss, um als Künstler authentisch zu bleiben.

Rückkehr zum Jetzt: Kirchberger als „Bergretterin“
Nach Jahren des Experimentierens, das uns unzählige Facetten ihres Aussehens zeigte, präsentiert sich Sonja Kirchberger aktuell in einem Look, der wieder näher an der klassischen Eleganz liegt. Derzeit trägt sie ihre Haare lang, glatt und blond. Aber auch hier beweist sie ihre Flexibilität.
In ihrer aktuellen Rolle in der beliebten ZDF-Serie Die Bergretter musste sie sich erneut einer kleineren, aber feinen Typanpassung unterziehen. Als Elisa, die Beauftragte für Tourismus und Sicherheit von Schladming, trägt sie zwar ebenfalls blonde Haare, doch in einem ganz anderen, seriöseren Schnitt, der ihrer Rolle als engagierte Funktionärin im österreichischen Bergdrama mehr Glaubwürdigkeit verleiht. Die neuen Folgen der ZDF-Serie, in denen Kirchberger in dieser neuen Inkarnation zu sehen ist, laufen im ZDF und sind bereits in voller Staffel in der Mediathek verfügbar.
Dieser neueste Look ist der aktuellste Beweis dafür, dass Sonja Kirchberger niemals aufhören wird, sich neu zu erfinden. Von der sinnlichen Kopo über die Dreadlock-tragende Hexe Ekundri bis hin zur eleganten Kommissarin: Jeder Look ist ein Kapitel in einem großen, fesselnden Roman über die Kunst der Veränderung. Während wir ihre aktuellste Rolle ansehen, bleibt die Erinnerung an die Dreadlocks als ihr mutigstes, schockierendstes und unvergesslichstes Statement an die Welt. Es war der Look, der die Diva abtötete, um die wahre, furchtlose Schauspielerin in ihr freizusetzen. Ihre Geschichte ist eine Lektion in Mut und künstlerischer Integrität, die bis heute fasziniert und inspiriert.
Ihre Karriere ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass wahre Ikonen nicht durch Konstanz, sondern durch die permanente, mutige Abkehr von der eigenen Norm definiert werden. Sonja Kirchberger ist und bleibt die Meisterin der Metamorphose.