Vom Curvy-Star zur Bodybuilderin: Martina Reuter verlor 42 Kilo – und ihre Karriere

Wien, Österreich – In einer Welt, in der die Selbstoptimierung zu einer fast religiösen Pflicht geworden ist, wird körperliche Transformation oft als der ultimative Triumph gefeiert. Doch was passiert, wenn dieser Erfolg zur existenzbedrohenden Krise führt? Genau dieses Paradoxon erlebte die bekannte österreichische Styling-Expertin Martina Reuter, deren radikaler Gewichtsverlust von 42 Kilogramm innerhalb kürzester Zeit sie nicht nur auf die Bodybuilding-Bühne katapultierte, sondern ihr auch jene berufliche Grundlage entzog, die sie jahrelang mühsam aufgebaut hatte. Ihre Geschichte ist mehr als eine Diät-Story; sie ist ein schonungsloser Blick auf die Heuchelei der öffentlichen Meinung, die flüchtigen Moden der Körperbilder und den hohen Preis der Selbstverwirklichung.

Martina Reuter

Der Wandel: Fünf Kilo, die alles veränderten

 

Martina Reuter war jahrelang das Gesicht der „Curvy Frau“. Mit ihrer Modeexpertise und ihrer selbstbewussten Art war sie eine gefeierte Identifikationsfigur, schrieb Bücher, entwarf Kollektionen und verdiente ihr Geld damit, genau so zu sein, wie sie war: kurvig. Die Veränderung, so erzählt sie im krone.tv CLUB 3, war ursprünglich nicht geplant. „Mein erster Satz war damals vor eineinhalb Jahren: Ich möchte fünf Kilo abnehmen für den Sommer“, erinnert sie sich. Doch aus dem kleinen Sommerziel entwickelte sich eine „Mechanik“ und eine „Euphorie“, weil sie sich schlicht wohler und fitter fühlte.

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Die Motivation war zutiefst persönlich und schließlich auch gesundheitlich. Sie spricht offen über ihr Höchstgewicht und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten: Trägheit, Müdigkeit, Schweißausbrüche, und die Erkenntnis, dass ihr Lebensstil alles andere als gesund war. „Ich war vom gesundheitlichen Aspekt völlig aus der Bahn, und das war der Grund, wo ich gesagt habe: Jetzt ändere ich mich“, betont Reuter.

Disziplin schlägt Emotion: Der Weg zum Wettkampf

 

Was dann folgte, ist eine Geschichte von extremer Disziplin. Reuter, die zuvor nach eigener Aussage eine „volle Sau“ war, die Schnitzelsemmeln zelebrierte und noch nie ein Fitnessstudio von innen gesehen hatte, begann kürzlich mit dem Krafttraining. Ihr Trainingsplan: intensive tägliche Einheiten Kraftsport, über mehrere Monate hinweg. Dieses extreme Pensum mündete im ersten Bodybuilding-Wettkampf – eine Entwicklung, über die sie vor einem Jahr nur gelacht hätte.

Jörg Kapfer, IFBB Austria Präsident und Bodybuilding-Experte, bestätigt die Härte dieses Weges. Er unterstreicht, dass „harte Arbeit Genetik schlägt“ und dass der Erfolg im Bodybuilding jederzeit von der Ernährung abhängt. Reuter, die sich durch ihre eigene Reise zur Ernährungsexpertin entwickelt hat, beschreibt ihre Methode – die 14-Tage-Formel, bei der sie schrittweise Lebensmittel wegließ – und die Notwendigkeit, das soziale Leben komplett einzuschränken, um das Ziel zu erreichen. Sie hat für sich einen neuen Lifestyle entdeckt, bei dem Sport zur Priorität geworden ist, was durch den gleichbleibenden Insulinspiegel der ketogenen Ernährung zusätzlich mit Energie und Wohlbefinden belohnt wird.

Doch diese totale Hingabe hatte einen hohen Preis.

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Der Karriere-GAU: „Ich habe Jobs verloren“

 

Der wohl schockierendste Teil von Reuters Geschichte ist die professionelle Konsequenz ihres Erfolgs. Die Frau, die sich durch Kampf und Härte von der Curvy-Ikone zur durchtrainierten Athletin entwickelte, sah ihre Existenz in Gefahr.

„Ich habe schon meine Existenz gefährdet“, gesteht Reuter. Die Modekollektion für Curvy-Frauen, ihr wichtigstes Standbein, steht vor dem Aus. Ihre Bücher, in denen sie als Expertin für Übergrößen auftrat, werden nicht mehr nachgedruckt – zum Teil sogar geschreddert, wie sie fassungslos berichtet. Der Grund, den sie von Verlagen und Partnern genannt bekam, ist die „Unglaubwürdigkeit“. Ein schlanker Mensch könne keine Curvy-Mode mehr verkaufen, so die Argumentation.

Dieses Argument enthüllt eine zynische Sichtweise der Branche: „Ich kann heute sagen, dass ich Jobs durch meine Gewichtsabnahme verloren habe“, resümiert Martina Reuter. Die allgemeine Erzählung ist, dass Übergewicht Jobs kostet; in ihrem Fall bewirkte die körperliche Fitness das Gegenteil. Es ist ein bizarrer Spießrutenlauf, der die enge und oft starre Schubladisierung von Menschen im öffentlichen Raum offenbart. Sie hat das Gefühl, die Gesellschaft verlangt eine feste Rolle: Warst du einmal Curvy, musst du es bleiben, um relevant und „glaubwürdig“ zu sein. Der Mensch darf sich nicht entwickeln.

Die Tyrannei des Blicks: Zwischen “Zu dick” und “Wie schaust du aus?”

 

Martina Reuters Erfahrung beleuchtet auch die unerbittliche Kritik, der Frauen in der Öffentlichkeit ausgesetzt sind – unabhängig von ihrer Form.

Als Curvy-Frau bekam sie Kommentare wie „Der schmeckt aber schon ordentlich gut, sie sollte bisschen weniger essen“. Jetzt, nach der Transformation, ist die Kritik umgekehrt: „Ja, aber wie schaust denn du aus?“ Die Gesellschaft, so Reuter, kann man sowieso nie zufriedenzustellen. Moderatorin Verena Schneider teilt diese Erfahrung und unterstreicht, wie schwer es ist, den ständigen Optimierungsdruck zu ignorieren.

Der Diskurs über das „richtige“ Körperbild wird durch neue Trends erschwert. Es gab Body Positivity, die übergewichtige Menschen in die Werbung brachte – mit der berechtigten Sorge um die Verharmlosung ungesunder Lebensweisen. Jetzt, so Schneider, kehren wir zu einem neuen Schlankheitswahn zurück, befeuert durch Abnehmspritzen oder gefährliche Phänomene wie „Pro-Ana“-Hashtags auf sozialen Medien, die Magersucht verherrlichen. Reuter ergänzt, dass auch der Trend des „Skinny Fat“ existiert: schlank, aber untrainiert.

Inmitten dieser widersprüchlichen Schönheitsideale steht Reuters Haltung fest: Es geht nicht um die perfekte Zahl oder die beste Version von sich selbst, sondern um das persönliche Wohlbefinden. „Ich glaube keiner Person, die wirklich übergewichtig ist, dass sie sich immer mega wohlfühlt“, sagt sie ehrlich, basierend auf eigener Erfahrung. Der Sport ist ihr Anker geworden.

Das Bauchgefühl als Kompass und der Blick nach Spanien

 

Trotz der Verluste, des sozialen Drucks und der Phasen des Zweifelns und Weinens, hat Martina Reuter ihren Weg gefunden. Für sie war der Wendepunkt eine „Kopfsache“. Die wichtigste Lektion ihrer Transformation ist, auf das eigene Bauchgefühl zu hören und sich nicht von fremden „Coaches“ oder Ratschlägen leiten zu lassen.

Ihr nächstes, fast schon absurdes, Ziel ist die Europameisterschaft im Bodybuilding in Spanien im kommenden Jahr. Die Aussicht, Österreich in der Kategorie „Bikini Masters“ (45 bis 49 Jahre) zu vertreten, ist der Beweis für ihre neue Leidenschaft.

Diese unerwartete Wendung, vom „Schnitzelsemmel“-Genuss zur Bodybuilding-Bühne, macht Martina Reuters Geschichte zu einem kraftvollen Statement über die Selbstbestimmung. Sie lebt den Beweis, dass eine Frau in ihren Vierzigern nicht nur ihr Leben radikal ändern, sondern sich auch den strengen Anforderungen des Leistungssports stellen kann. Gleichzeitig liefert sie eine ernüchternde Kritik an einer Mediengesellschaft, die Authentizität predigt, aber nur jene Rolle akzeptiert, die sie selbst zugewiesen hat. Der Konflikt zwischen der persönlichen Entwicklung und den Erwartungen der Öffentlichkeit ist in Martina Reuters Fall mit aller Härte ausgebrochen, aber gerade das macht ihre Geschichte so einzigartig und fesselnd – ein in sich widersprüchliches Plädoyer für das Recht, sich jederzeit neu zu erfinden, egal was es kostet.

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