Sie waren mehr als nur ein Gesangsduo; sie waren ein Kulturphänomen, eine lebende Darstellung des Märchens der ungleichen Liebenden, die alle Hindernisse überwanden. Für Millionen von Menschen in Europa und Lateinamerika verkörperten Al Bano Carrisi und Romina Power in ihrem goldenen Jahrzehnt die Essenz von Glück, Optimismus und zeitloser Romantik. Ihre Lieder, allen voran der unsterbliche Hit „Felicità“, wurden zur Hymne einer Generation, ein Synonym für das perfekte, sonnige Leben. Doch hinter dem gleißenden Scheinwerferlicht und den ausverkauften Konzerthallen brodelte ein tief verwurzelter Konflikt, der seine explosive Kraft erst durch eine unvorstellbare Tragödie entfaltete: das rätselhafte Verschwinden ihrer ältesten Tochter, Ylenia Maria Sole Carrisi. Diese Geschichte ist nicht nur das traurige Ende einer berühmten Ehe, sondern das ergreifende Zeugnis dafür, wie selbst die stärksten Fundamente unter der Last des Verlusts und der unlösbaren Ungewissheit zerbröseln können.
Zwei Welten, eine Melodie: Die unmögliche Liebe
Die Ursprünge ihrer Liebe waren so gegensätzlich wie ihre Herkunft. Al Bano Carrisi, geboren Mitte des Jahrhunderts in Cellino San Marco, Apulien, entstammte einer bescheidenen, tief in Tradition und Glaube verwurzelten Bauernfamilie Süditaliens. Sein Weg zur Musik war hart, geprägt von der Arbeit als Tagelöhner, bis sein kraftvoller Tenor in Mailand entdeckt wurde. Er war die Verkörperung des Fleißes, der Erdung und der italienischen Terra.
Romina Power, geboren einige Jahre später in Los Angeles, war das genaue Gegenteil. Als Tochter des Hollywood-Stars Tyrone Power und der Schauspielerin Linda Christian wuchs sie in einem glamourösen, aber instabilen Umfeld auf. Sie war eine Kosmopolitin, sprach fließend mehrere Sprachen und hatte bereits in jungen Jahren eine freigeistige, bisweilen provokante Schauspielkarriere in Europa begonnen.
Ihre Welten kollidierten in den späten Sechzigern bei den Dreharbeiten zum Film Nel sole. Die Chemie zwischen dem jungen Al Bano und der minderjährigen Romina war sofort spürbar. Für Romina bot Al Bano die Stabilität und die tiefen Wurzeln der Tradition, die sie nie gekannt hatte. Für ihn war sie die Exotik und Weltgewandtheit, von der er nur geträumt hatte. Trotz der massiven Skepsis ihrer Mütter – Al Banos Mutter wünschte sich eine traditionelle Ehefrau, Rominas Mutter einen englischen Aristokraten – heirateten sie Anfang der Siebziger Jahre in Cellino San Marco. Wenige Monate später wurde ihre erste Tochter, Ylenia, geboren. Das Märchen war offiziell.
Die goldenen Jahre: Felicità als Lebensgefühl
Ihre persönliche Verbindung wurde schnell zu einer professionellen Allianz, die ein Musikimperium aufbauen sollte. Mitte der Siebziger traten sie offiziell als Duo auf. Ihre Bühnenpräsenz, die seinen erdigen Tenor mit ihrer sanften, melodischen Stimme vereinte, traf einen Nerv. Nach der Teilnahme am Eurovision Song Contest zu dieser Zeit eroberten die folgenden Jahre ganz Europa.
In diesem Jahrzehnt gelang ihnen mit „Sharazan“ der internationale Durchbruch, doch es war „Felicità“ (kurz darauf), das sie zu Ikonen machte. Der eingängige Popschlager war mehr als ein Hit; er war ein kulturelles Phänomen, ein Symbol für Liebe und Optimismus in einer Zeit des politischen Wandels in Europa. Ihr Erfolg in Sanremo, wo sie anfangs dieses Jahrzehnts den zweiten Platz belegten und zwei Jahre später mit „Ci Sarà“ gewannen, zementierte ihren Status in Italien. Ihre Popularität strahlte bis nach Lateinamerika, wo sie mit spanischen Versionen ihrer Alben Millionen von Platten verkauften.
Hinter den Kulissen schien die Familie idyllisch: Vier Kinder – Ylenia, Yari, Christel und Romina Junior – und ein Anwesen in Cellino San Marco. Doch die ursprünglichen kulturellen Unterschiede blieben unterschwellig bestehen. Al Bano hielt an den konservativen Werten des tiefgläubigen Südens fest, während Romina ihre liberale, unabhängige Haltung aus Hollywood beibehielt. Diese Spannungen, obwohl noch keine Bruchlinie, waren die ersten Risse im Fundament.
Die Abwesenheit, die alles veränderte: Das Schicksal von Ylenia
Die Anfangsjahre des neuen Jahrzehnts hätten ein weiteres Erfolgsjahrzehnt werden sollen. Stattdessen wurden sie zum Wendepunkt durch die Tragödie ihrer ältesten Tochter, Ylenia Maria Sole Carrisi. Ylenia, geboren im Jahr ihrer Hochzeit, war eine beeindruckende junge Frau: intelligent, sprachbegabt (sie sprach fünf Sprachen fließend) und künstlerisch talentiert. Obwohl sie im Rampenlicht aufwuchs, lehnte sie ein Leben ab, das vom Ruhm ihrer Eltern bestimmt wurde.
Nach ihrem Abschluss in Literatur an einem College sehnte sie sich nach einem rohen, unverfälschten Leben. Kurz vor Jahresende reiste sie nach Mittel- und Südamerika. Ihre Spur verlor sich, als sie unerwartet nach New Orleans, Louisiana, flog. Dort traf sie einen älteren Straßenmusiker, Alexander Massakela, der von ihren Eltern als gefährlicher Einfluss angesehen wurde.
Am Silvestertag jenes Jahres rief Ylenia ihre Eltern an, um ihnen ein frohes neues Jahr zu wünschen. Es war der letzte bestätigte Kontakt.
Wenige Tage später behauptete ein Sicherheitsbeamter des Aquariums von New Orleans, Albert Cordova, er habe eine junge Frau gesehen, die Ylenia ähnelte und in den Mississippi sprang, mit den unheimlichen Worten: „I belong to the water.“ Obwohl die Küstenwache nichts fand, wurde Cordovas Aussage zur offiziellen Selbstmordtheorie der Polizei. Der Mangel an Beweisen – keine Leiche, keine Zeugen außer Cordova, widersprüchliche Sichtungen – machte die Ungewissheit für die Familie unerträglich.
Der unheilbare Riss: Hoffnung versus Akzeptanz
Ylenias Verschwinden war nicht nur eine Tragödie, es wurde zur Spaltlinie zwischen Albano und Romina. Die Trauer manifestierte sich in diametral entgegengesetzten Bewältigungsmechanismen.
Romina Power klammerte sich an die Hoffnung. Sie weigerte sich, die Selbstmordversion zu akzeptieren, und glaubte, ihre Tochter könnte sich bewusst entschieden haben, sich vom Familiendruck loszusagen und ein freies Leben zu führen. Sie kehrte immer wieder in die USA zurück, verfolgte jede noch so kleine Spur, weil der Glaube an Ylenias Überleben der einzige Weg für sie war, zu funktionieren. Ihre lebhafte Persönlichkeit verdunkelte sich, und sie zog sich zurück, wobei sie Marihuana als Bewältigungsmechanismus nutzte, was Al Bano später öffentlich kommentierte.
Al Bano hingegen akzeptierte widerwillig die Version des Todes. Nach Monaten der unermüdlichen Suche, die ihn bis in die ärmsten Viertel von New Orleans führte, begann er, der Aussage des Sicherheitsbeamten und dem Satz „I belong to the water“ Glauben zu schenken. Für ihn bot die Akzeptanz des Schlimmsten einen Abschluss, so schmerzhaft er auch war.
Dieser fundamentale Unterschied im Glauben – Hoffnung gegen Akzeptanz – schuf eine unüberwindbare emotionale Distanz. Romina konnte Al Banos Entscheidung, Ylenia offiziell für tot erklären zu lassen (was viele Jahre nach dem Verschwinden durch ein italienisches Gericht auf seinen Antrag hin geschah), niemals verzeihen.
Ihre unterschiedlichen Weltanschauungen, einst ein faszinierender Kontrast, wurden nun zu Konfliktpunkten: Al Bano fand Trost im traditionellen katholischen Glauben, Romina wandte sich buddhistischen Praktiken zu. Das Paar, das ein Imperium auf Harmonie aufgebaut hatte, konnte nicht mehr dieselbe Sprache der Trauer sprechen.
Ende des Jahrzehnts, nach fast drei Jahrzehnten Ehe, trennten sie sich. Al Bano machte in einem offenen Brief an die Zeitschrift Oggi Ylenias Verschwinden als den entscheidenden Wendepunkt fest. Die berufliche Partnerschaft endete mit der Ehe. Romina verließ Italien und zog nach Kalifornien; Al Bano blieb in seiner Heimat Cellino San Marco und konzentrierte sich auf seine Solokarriere, den Weinbau und seine neue Familie. Die Scheidung wurde einige Zeit später offiziell vollzogen.
Die unerwartete Melodie der Wiedervereinigung
Nach Jahren des beruflichen und privaten Schweigens schien eine Wiedervereinigung unmöglich. Romina hatte öffentlich erklärt, ihre Wut über Al Banos Akzeptanz von Ylenias Tod sei zu groß.
Doch die Zeit besitzt die Fähigkeit, selbst die tiefsten Wunden neu zu formen. Viele Jahre nach ihrer Trennung, anlässlich von Al Banos runden Geburtstag, nahm Romina überraschend die Einladung an, gemeinsam mit ihm in Moskau aufzutreten. Es war ein Moment der Altersmilde und der stillen Anerkennung, dass die gemeinsame Musik und Geschichte stärker waren als der Schmerz.
Das Moskauer Konzert war ihr erster gemeinsamer Auftritt seit vielen Jahren. Es war keine romantische Versöhnung – beide betonten, dass ihre Zusammenarbeit rein professionell sei – aber für das Publikum war es eine emotionale Nostalgie. Der Anblick, wie sie zusammen Felicità sangen, löschte zumindest für einen Moment die Jahre des Schweigens.
Seitdem haben sie langsam einen beruflichen Rhythmus wieder aufgebaut, mit gemeinsamen Auftritten in Sanremo und auf Tourneen. Ihre Konzerte sind heute mehr als Auftritte; sie sind Wiedersehen, untermalt von Melodien, die das Gewicht der Jahre und der gemeinsamen Geschichte tragen.
Das Vermächtnis von Al Bano und Romina Power liegt nicht darin, dass ihre Ehe endete, sondern dass ihre Verbindung die Last eines unvorstellbaren Verlusts so lange überlebte. Die Wahrheit ihrer Geschichte ist komplex: Es ist eine Erzählung von Liebe, die nicht an kulturellen Unterschieden zerbrach, sondern an einem Vakuum – der unheilbaren Abwesenheit einer Tochter. Während Al Bano in Interviews zugibt, dass das Sprechen über Ylenia das Aufreißen einer Wunde ist, die nie verheilt, hält Romina weiterhin an der Hoffnung fest. Dieser Unterschied im Glauben ist der Schatten, der weiterhin über ihnen schwebt und das Band prägt, das sie durch Musik und geteilte Erinnerungen noch immer verbindet. Sie bleiben das ultimative Beispiel dafür, wie selbst die strahlendsten Partnerschaften in einem einzigen Augenblick für immer verändert werden können.