“Ein wunderbarer Mensch”
Hier verabschiedet sich Reinhold Messner von Laura Dahlmeier
Der Tod von Laura Dahlmeier berührt viele. In BUNTE verabschiedet sich Bergsteiger Reinhold Messner von der Ausnahmesportlerin. Lesen Sie hier seinen Nachruf.
Im Video oben: Interview im Video: Hier schildert Seilpartnerin das Dahlmeier-Drama am Berg
Diese Nachricht war erschütternd: Laura Dahlmeier ist tot. Sie kam bei einem Steinschlag ums Leben, mit nur 31 Jahren. Eine junge Frau, eine Abenteuerin, eine Ausnahmesportlerin. Das berührt mich zutiefst, als Mensch sowie als Bergsteiger.
Laura Dahlmeier war keine Hobby-Bergsteigerin, keine Hasardeurin auf der Suche nach dem nächsten Kick. Sie wusste um die Risiken. Ein Steinschlag ist nicht berechenbar, sondern Ausdruck der Schwerkraft, nicht des Schicksals. Die Schwerkraft wirkt überall, nicht nur in den Bergen.
Laura Dahlmeier war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort
Laura Dahlmeier war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Sie hatte an zahlreichen Bergen ihr außergewöhnliches bergsteigerisches Können unter Beweis gestellt. Sie gehörte zur obersten Liga der Alpinistinnen und strahlte weit über die Szene hinaus.
Mit ihrem Tod verlieren wir nicht nur eine starke Athletin, sondern auch eine Persönlichkeit, die dem Bergsteigen Haltung gegeben hat. Ein Mensch, der empathisch war und eine Haltung hatte, die wir in unsere Gesellschaft so schmerzlich vermissen.
Die Berge waren ihr Leben
Warum berührt uns dieser Unfall so sehr? Vielleicht, weil Laura Dahlmeier noch ihr ganzes Leben vor sich hatte. Vielleicht weil sie – trotz Olympiasiegen und Weltmeistertiteln – ein bescheidener, herzlicher Mensch blieb.
Viele Bergsteigerinnen und Bergsteiger, die ihr begegnet sind, erzählen von ihrer Natürlichkeit, ihrer Hilfsbereitschaft, ihrem Respekt. Sie war nicht auf Ruhm aus, sie ging auf Menschen zu. Die Berge waren ihr Leben. Wäre es ihr um Applaus gegangen, hätte sie ihre Besteigungen ganz anders medial inszenieren können.
Gegen einen Steinschlag ist niemand gewappnet
Ich selbst bin oft am Laila Peak vorbeigezogen, auf dem Weg zum K2. Bestiegen habe ich ihn nie. Es ist einer der schönsten, aber auch technisch anspruchsvollsten Berge der Welt und genau das macht ihn so reizvoll.
Doch gegen einen Steinschlag ist niemand gewappnet. Wenn große Felsbrocken sich lösen, gibt es kein Ausweichen. Die Geschwindigkeit der Splitter reicht aus, um selbst Helme zu durchschlagen. Die globale Erwärmung verändert die Berge. Der tauende Permafrost löst Felsstrukturen, Hänge werden instabiler. Steinschläge nehmen zu an Zahl und Ausmaß.
In der Eiger-Nordwand sind sie Alltag, und selbst dort, wo früher Fels als solide galt, bricht heute vieles auseinander. Ich selbst habe mehr als einen Steinschlag überlebt, weil mich nur kleinere Steine getroffen haben. Bei größeren Brocken bleibt keine Chance.
Sie war auf dem Weg, eine der ganz großen Alpinistinnen zu werden
Ich denke, Laura wusste um diese Gefahren. Sie war keine Unwissende. Und sie hat sich mit dem Tod auseinandergesetzt. Ihr Testament, in dem sie jede Bergung verbot, wenn sie andere in Gefahr bringen würde, zeigt ihr Verantwortungsgefühl.
Sie war auf dem Weg, eine der ganz großen Alpinistinnen zu werden. Die Berge waren ihre große Liebe. Es ist eine bittere Ironie, dass einer der Orte, an denen sie glücklich war, nun zu ihrem Grab wurde. Wir haben eine große Alpinistin verloren. Und einen wunderbaren Menschen.