Mit 76: Maffay bricht sein Schweigen – Die brutale Wahrheit über das Rolling-Stones-Debakel und seine 5 größten Feinde

Peter Maffay ist eine lebende Legende. Mit 76 Jahren blickt der Mann, der mit 21 Nummer-eins-Alben und über 50 Millionen verkauften Tonträgern als erfolgreichster deutscher Rockmusiker gilt, auf eine Karriere zurück, die ihresgleichen sucht. Er ist der Schöpfer von „Tabaluga“, eine Stimme gegen Rechts und eine moralische Instanz. Doch der Weg an die Spitze war kein Spaziergang. Er war gepflastert mit Demütigungen, selbstzerstörerischen Exzessen und mächtigen Gegnern.
Jahrzehntelang hat Maffay über die dunkelsten Stunden seiner Karriere geschwiegen oder sie nur am Rande erwähnt. Jetzt, mit 76, bricht er dieses Schweigen. Er spricht über jenen Tag, der als der berüchtigtste „Skandal“ in die deutsche Rockgeschichte einging, und über die Feinde, die ihn fast zu Fall gebracht hätten.
Es ist der 10. Juni 1982, ein brütend heißer Tag im Münchner Olympiastadion. 78.000 Menschen sind gekommen, um eine Band zu sehen: die Rolling Stones. Die Luft vibriert vor Erwartung und Alkohol. Doch bevor Mick Jagger die Bühne betritt, kündigt der Veranstalter den Support-Act an: Peter Maffay.
Was dann passiert, ist eine Eruption von Hass, die Maffay bis heute nicht vergessen hat. Kaum betritt er mit seiner Band die Bühne, schlägt ihm eine Wand aus Buhrufen entgegen. Maffay, der gerade erst sein hartes Rock-Image mit Alben wie „Steppenwolf“ zementieren will, kämpft noch immer gegen seinen Ruf als Schlagersänger von Liedzeilen wie „Und es war Sommer“.
Für die 78.000 Stones-Fans ist Maffay die falsche Person zur falschen Zeit. Das Publikum will rohen Rock ‘n’ Roll, stattdessen bekommen sie einen deutschen Musiker, der seinen Set ausgerechnet mit der Ballade „Eiszeit“ beginnt. Ein fataler Fehler.
Maffay selbst erinnert sich an diesen Moment als das absolute Fiasko. “Unser Programm war soft. Viel zu soft für einen heißen Nachmittag, für den Alkoholpegel des Publikums”, gab er später zu. Zuerst waren es nur Buhrufe. Doch die Situation eskaliert binnen Minuten. Aus dem Publikum fliegen Gegenstände auf die Bühne. Nicht nur ein paar Becher. Es regnet Tomaten, Gemüse, Eier, Cola-Dosen und ganze Flaschen.
Es ist eine öffentliche Hinrichtung. Maffay und seine Bandkollegen müssen den Geschossen ausweichen, sich ducken “wie in einem Boxkampf”, um nicht ernsthaft verletzt zu werden. “Es flog so alles auf die Bühne – auch Eier. Ein Schock. Es war erniedrigend”, so Maffay.
In diesem Moment, im Angesicht von 78.000 Menschen, die ihn kollektiv ablehnen, kämpft Maffay mit sich selbst. “Ich war nervös, wurde verstockt und wütend”, beschreibt er seinen Zustand. Diese Wut überträgt sich auf das Publikum, ein Teufelskreis. Er spürt die “Lust, uns zu guillotinieren”. Sie spielen weiter, versuchen, den Auftritt mit aller Macht durchzuziehen, doch es ist ein verlorener Kampf. Sie werden von der Bühne gebuht, ausgepfiffen und vertrieben.

Dieser Tag hätte das Ende seiner Karriere sein können. Eine solche Demütigung bricht einen Künstler. Doch für Peter Maffay wird es zur wichtigsten Lektion seines Lebens. “Es war die beste Lehre, die wir hätten ziehen können”, sagt er heute in der Rückschau. “Ich glaube, wenn wir da nicht ordentlich auf die Mütze gekriegt hätten, wären wir größenwahnsinnig geworden.”
Das Debakel von München war sein persönliches Fegefeuer. Es stählte ihn. Seine Lektion, die er daraus zog: “Nie mehr als Support-Act auftreten.” Er wird nie wieder für jemand anderen “anheizen”. Von da an spielt Maffay nur noch als Headliner. Der Skandal war der brutale, aber notwendige Urknall für den Megastar, der er heute ist.
Doch die tobenden Stones-Fans von 1982 waren nur sein sichtbarster Feind. Im Stillen kämpfte Maffay über die Jahre gegen weit gefährlichere Gegner – die “5 Feinde”, von denen der reife Rockstar heute spricht.
Feind 1: Das Image
Maffays größter Kampf war lange der gegen die Schublade. Er war der “Schlagersänger”. Ein Stempel, der ihm aufgedrückt wurde und den er hasste. Er wollte Rockmusiker sein, ernstgenommen werden. Das Konzert 1982 war der Höhepunkt dieses Kampfes. Die Fans warfen nicht nur Flaschen auf den Musiker Maffay, sie warfen sie auf das “Bild” des Schlagersängers, das sie nicht auf ihrer Rock-Bühne sehen wollten. Diesen Feind – das falsche Image – zu besiegen, kostete ihn Jahre an harter Arbeit und konsequenter musikalischer Neuausrichtung.
Feind 2: Der selbstzerstörerische Exzess
Der vielleicht tödlichste Feind lauerte in ihm selbst. Nach dem Skandal und dem wachsenden Druck der 1980er-Jahre lebte Maffay ein “Leben am Limit”. Er war sein eigener größter Feind. In Interviews sprach er später über diese dunkle Zeit, in der er dem Ruin entgegentaumelte. Sein Tagespensum: “drei Flaschen Whisky und 80 Zigaretten”. Er steuerte auf das Verderben zu, den körperlichen und seelischen Zusammenbruch. Maffay erkannte im letzten Moment, dass dieser Feind ihn umbringen würde, und zog die Reißleine. Der Kampf gegen die Sucht war härter als jeder Eier-Hagel im Olympiastadion.
Feind 3: Der politische Hass
Maffay war nie ein Musiker, der sich im Elfenbeinturm versteckte. Er bezog Stellung. Sein Engagement bei “Rock gegen Rechts” machte ihn zur Zielscheibe für einen ganz anderen Gegner: rechte Gewalt und politischen Extremismus. Dieser Feind war real und bedrohlich. Maffay sprach offen darüber, wie “beängstigend” es sei, in einer Demokratie unter Polizeischutz auf einer Bühne stehen zu müssen, nur weil man gegen Hass ansingt. Er beschrieb die Sorge vor Konfrontationen mit Rechtsextremen als reale Bedrohung. Dieser Feind war ideologisch, organisiert und gefährlich – und Maffay stellte sich ihm frontal entgegen.
Feind 4: Die Schatten der Vergangenheit

Ein Feind, der Maffays Handeln bis heute prägt, liegt in seiner tiefsten Vergangenheit. Geboren in Rumänien, erlebte er als Kind die Auswirkungen einer Diktatur. Sein eigener Vater, so Maffay, habe sich dem Ceaușescu-Regime widersetzt und sei dafür in Haft gewesen. Diese frühe Prägung, das Erleben von Unterdrückung und Unfreiheit, formte seinen unbedingten Willen zur Gerechtigkeit und seine Abneigung gegen jede Form von Totalitarismus. Es ist der “geliebte Feind” aus seinem Tabaluga-Musical – die Tyrannei, die man bekämpfen muss.
Feind 5: Die Unruhe des Herzens (Die 5 Ehen)
Wenn sensationell von Maffays “5 Feinden” gesprochen wird, schwingt oft eine Verwechslung mit, die Maffay selbst ironisch aufgreift: seine “5 Ehen”. Während die Medien seinen Altersunterschied zur seiner fünften, fast 40 Jahre jüngeren Frau Hendrikje Balsmeyer diskutierten, kämpfte Maffay seinen fünften großen Kampf: den um privates Glück und innere Ruhe. Nach vier gescheiterten Ehen war die größte Herausforderung nicht mehr die Bühne, sondern die Suche nach einem Anker. “Man muss nicht heiraten, um glücklich zu sein”, sagte er noch vor wenigen Jahren. Doch 2022 tat er es heimlich ein fünftes Mal. Der Feind war hier die eigene Unruhe, die Unfähigkeit, nach all den Jahren im Rock-‘n’-Roll-Zirkus Frieden zu finden. Mit Hendrikje und der Geburt seiner kleinen Tochter Anouk scheint er diesen letzten, größten Feind besiegt zu haben.
Mit 76 bricht Peter Maffay sein Schweigen, aber er bricht es nicht, um abzurechnen. Er bricht es, um Zeugnis abzulegen. Er zeigt, dass die tiefsten Demütigungen – wie das Desaster von 1982 – die Grundlage für den größten Triumph sein können. Er hat die Flaschenwürfe überlebt, er hat die Sucht überlebt und er hat den Hass überlebt. Maffay ist heute nicht trotz, sondern wegen dieser Feinde die Legende, die er ist.