Rosen, Likes und Lederhosen
in der digitalen Aufmerksamkeitsökonomie sind Oliver Pocher und Cathy Hummels ihre eigenen Klick-Kapitäne.(Foto: Florian Peljak)
Wieso funktionieren eigentlich Influencertum und Trash-Prominenz so gut? Ein Streifzug durch Cathys Wiesnbummel 2025, wo selbst Gangsterrapper zu Vorzeige-Bayern werden.
„Janke hat mir Rosen mitgebracht!“, ruft Cathy Hummels ihrer Managerin zu. Gemeint ist Paul Janke, der als Sieger des ersten Verkuppelungsformats „Der Bachelor“ zu Berühmtheit gekommen ist. Am Montagnachmittag wird er in der Münchner Isarpost von der Gastgeberin gebührend empfangen: zu „Cathys Wiesnbummel“ 2025. Man kann und soll sich natürlich in diesem Moment gleich fragen, was denn die Rosen zu bedeuten haben. Man kann am Montagnachmittag in diesem Raum, der aussieht, als würde Kindergeburtstag auf Karneval treffen, Bierzelt auf Boutique und Männermodels auf eine Modemesse, auch Antworten auf die Fragen finden, wie das Phänomen Influencer und Trash-Prominenz funktioniert. Gerade auf der Wiesn.
Die Halle der Isarpost quillt über vor Schminkstationen, an denen sich die geladenen Damen für den Rundgang mit Hummels aufhübschen lassen können, garniert mit einigen Marken-Ständen. Es gibt Burger in bunten Buns neben jeder Menge Gummibärchengläsern und in den Gängen laufen mehr Menschen herum, die eine laufende Kamera bedienen, als welche ohne. Was passiert hier, das alles aufgenommen werden muss?
Man kann das an der Gastgeberin ganz gut sehen. Hummels, 37 und ursprünglich durch ihren Expartner, den Fußballweltmeister Mats Hummels bekannt geworden, hat es geschafft, sich als eigene Marke im schnelllebigen Geschäft der sozialen Netzwerke zu etablieren.
Geholfen hat dabei eine bewährte Anschubhilfe: Prominenz des Partners. Bald aber emanzipierte sich Hummels, indem sie ihr Privatleben dem Netz andiente. Zunächst noch etwas unbeholfen, längst aber mit einem professionellen Management lädt Hummels auf die Wiesn oder zu Charity-Events. Sie erzählt ihren Followern, dass sie nach einem Sturz beim Joggen ein MRT machen lässt, wagt sich am Ballermann neben Reality-TV-Star Calvin Kleinen auf die Bühne und erträgt, dass es nicht nur Applaus, sondern auch Buhrufe gibt. Man erfährt von ihr, dass es einen Einbruchalarm in ihrem Haus gab und wer sich in ihrer Ehe trennen wollte. Es sei Mats gewesen, nicht sie. Hummels moderiert eine Reality-TV-Show und hat eine Gastrolle in „Sturm der Liebe“. Das sind die Folgen ihres öffentlichen Lebens.
Es gibt wohl wenige andere Internetberühmtheiten, die sich auf dem Smartphone-schmalen Grat zwischen Fremdscham und Faszination so sicher bewegen wie Cathy Hummels. Denn letztlich sucht der Follower oder Fan bei allen Berühmtheiten, seien es nun Fußballer, Schauspielerinnen oder Influencer, immer nach dem besonderen nächsten Ereignis. Dem nächsten digitalen Knall.

Nach einer Niederlage des BVB urinierte Kevin Großkreutz (mit Handy) mal betrunken in die Lobby eines Stuttgarter Hotels. Bei seinen Fans hat der trotzdem, oder gerade deshalb, Kultstatus.(Foto: Florian Peljak)

Was ist echt, was inszeniert? Egal: Hauptsache, es glitzert.(Foto: Florian Peljak)
Blamiert sich Hummels auf ihrem Rundgang? Antwortet sie in ihrem Interview vor einigen Monaten mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder schlagfertig? Als Söder meint, seine Parteikollegin Dorothee Bär habe das Stammtischgespräch mit Hummels „angeschleppt“, entgegnet die zierliche Frau: „Ich werde lieber abgeschleppt als angeschleppt.“ Das sitzt. Und dass der Beziehungsstatus grundsätzlich immer besonders wichtig ist, um seinen Berühmtheitsstatus zu halten, das wissen sie in der Influencer-Gilde alle, nicht nur Cathy Hummels. Deshalb auch Hummels’ unüberhörbarer Ausruf mit den Rosen. Ist die etwa mit dem Bachelor…?
Zum zehnten Mal lädt Hummels zum Bummel. Sie sagt, früher habe sie es immer langweilig gefunden, sich auf der Wiesn nur in ein Zelt zu setzen. Deshalb ermöglicht sie ihrem immer größer werdenden Prominentenzirkel eben einen Rundgang. Aber nicht mit einmal Zuckerwatte, Kettenkarussell, Hendl und basta. Diverse Stationen stehen auf dem Programm – das Styling am Mittag ist nur der Anfang.

Trachtenjanker und Leopardenhemd: Reality-TV-Star Calvin Kleinen wagt den Stilbruch.(Foto: Florian Peljak)
Dort taucht dann auch ihr Mitmoderator vom Ballermann auf, Calvin Kleinen. Glänzendes Leopardenhemd zur Lederhose, das ihm Hummels an der größten von mehreren Fotostationen aber natürlich erst einmal weiter aufknöpfen muss. Kleinen berichtet, dass er nicht so auf Dirndl steht, als Hummels vorbeischlendert und zu ihrem Leoparden hinüberruft: „Weißt du Bescheid Calvin, ich hab den Gewinner gefunden!“ Der Preis für den besten Look geht aber nicht an den lederbehosten Kleinen. Sondern an einen Herrn mit knallgrünem Hut: den Ex-Kicker Mo Idrissou.
Auch Rapper Kollegah geht leer aus, und das, obwohl er sich für seinen allerersten Wiesnbesuch extra in eine angenehm dezente Tracht geschmissen hat. Kleinen und Kollegah nehmen ihre Niederlage sportlich, es geht hier ja nicht um Preise, sondern um Content. Um Insta-taugliche Motive, auf denen sich alle möglichen Gäste untereinander verlinken können und damit ihre mediale Reichweite ausbauen.

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Außerdem knutscht die Klum bei ihrem ersten Wiesn-Besuch, Drakes Outfit provoziert Kommentare und Lilly Becker hat eine ziemlich unangenehme Begegnung. Die Wiesn-Promis vom Samstagabend.
Und wo geht das besser als auf dem Oktoberfest? Dem Ort, der schon ein Influencer-Paradies war, als es noch gar kein Internet gab. Denn die Wiesn und die Welt der durchschnittlichen Social-Media-Helden haben eines gemeinsam: Sie vermitteln das Bild einer heilen Welt, in der sich alle lieb haben und alle zusammen feiern. Die Essenz: gut aussehen und gut drauf sein, gewürzt mit einer Prise Exklusivität.
Die Wiesn und die erfolgreichen Akteure von Insta und Tiktok bedienen den Eskapismus, der schon seit Jahrzehnten die Sehnsucht aller Klatschmagazin-Leser befriedigt und längst auch die digitalen Kanäle. Hummels ist Profi in diesem Spiel. Sie scherzt, dass so viele Männer da sind, und schlussfolgert gleich selbst: „Man könnte vermuten, ich suche einen Mann.“ Die Männer stimmen ein.
Comedian Oliver Pocher etwa, der bei jeder Gelegenheit bekräftigt, dass Hummels zu ihm passen würde. Bachelor Janke mit seinen Rosen. Selbst Hummels’ Bodyguard wirkt, als sei er einer Bodylotion-Werbung entsprungen und nicht von einer Sicherheitsfirma gebucht. Da ist es natürlich völlig egal, dass es an diesem Bummeltag regnet. Vielleicht missrät sogar ein Motiv vor einem der Fahrgeschäfte, gefeiert wird selbstverständlich trotzdem am Ende und man sieht wie immer nur lachende Gesichter. Der hunderttausendfach gefilmte und gepostete Weg ist ja das Ziel.