Weidels Generalabrechnung: „Vorbote des Zusammenbruchs“ – AfD-Chefin attackiert Kanzler Merz in historischer Brandrede

Es sind Momente, in denen die Luft im Plenarsaal des Bundestages knistert. Momente, in denen die sonst so geordnete Debattenkultur einer rohen, emotionalen Konfrontation weicht. Einen solchen Moment lieferte die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel in einer Rede, die als Generalabrechnung mit der Politik von Bundeskanzler Merz in die Annalen eingehen dürfte. Mit scharfen Worten und einer Rhetorik, die zwischen eisiger Analyse und offenem Zorn pendelte, zeichnete Weidel ein düsteres Bild von der Lage der Nation – ein Deutschland am Rande des Abgrunds.
Der unmittelbare Anlass ihrer Rede war die Debatte um internationale Verpflichtungen, genauer gesagt die Unterzeichnung eines Gaza-Friedensabkommens in Ägypten. Doch Weidel nutzte die Gelegenheit nicht für außenpolitische Nuancen, sondern für einen frontalen Angriff auf die Finanzpolitik der Regierung. Sie warf Kanzler Merz vor, einmal mehr “mit der Brieftasche des deutschen Steuerzahlers gewedelt” zu haben. Ein “dreistelliger Millionenbetrag” solle für einen “vagen Wiederaufbau” in Gaza “verschleudert” werden, obwohl niemand wisse, wer dort künftig das Sagen habe.
Dieser Vorwurf diente als Auftakt zu Weidels zentralem Thema: dem unaufhaltsam scheinenden wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands, den sie als “Herbst des Niederganges” betitelte. “Sie werfen mit Geld um sich, das Sie nicht haben”, rief sie in Richtung Regierungsbank. “Geld, das Sie den Bürgern vorenthalten. Geld, das Sie der arbeitenden Bevölkerung über Rekordsteuern und Abgaben abnehmen”.

Mit einer Flut von dramatischen Zahlen untermauerte sie ihre These einer Nation auf “voller wirtschaftlicher Talfahrt”. Die Industrieproduktion sei im August um 4,3 Prozent eingebrochen, im Automobilsektor gar um fast 20 Prozent. “Das ist keine Rezession, das sind Vorboten des Zusammenbruchs”, donnerte Weidel unter dem Murren der anderen Fraktionen. Sie malte das Schreckgespenst einer ungebremsten Pleitewelle an die Wand, mit 22.000 erwarteten Firmenpleiten allein in diesem Jahr – 60 pro Tag. “Herr Bundeskanzler”, adressierte sie Merz direkt, “ich weiß, Sie wollen die Zahlen nicht hören, darum hören Sie auch nicht zu”. Während Tausende Industriearbeitsplätze verloren gingen, die Exporte einbrächen und Investitionskapital abfließe, fehle der Koalition “der Wille und das Können” für notwendige Reformen.
Besonders hart ging sie mit der Schuldenpolitik ins Gericht. Das Bürgergeld sei ein “billiger Etikettenschwindel”, während die Regierung Schulden mache, “als gäbe es kein Morgen mehr”. Der Plan des Finanzministers, Zinszahlungen von der Schuldenbremse auszunehmen, sei der Beweis: “Neue Schulden machen, um alte Schulden zu bezahlen – da stehen Sie mit einem Fuß bereits im Staatsbankrott”.
Der Kern von Weidels Anklage war der Vorwurf einer fundamental falschen Prioritätensetzung. In einer Situation, in der Deutschland “längst kein reiches Land mehr” sei – weltweit nur noch auf Platz 19 beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und nicht einmal mehr unter den Top 25 beim Medianvermögen – verbiete es sich, “immer noch den Zahlmeister der Welt mit den dicksten Spendierhosen geben zu wollen”.
Mit sichtbarer Empörung listete sie auf, wofür die Regierung Geld ausgebe, während es an allen Ecken im Inland fehle. “Während man unseren Senioren, den Kranken und Pflegebedürftigen die Gelder streicht, verteilen Sie das deutsche Steuergeld in alle Welt. Das ist unerhört!”. Sie erinnerte an das A-Tal, wo der Wiederaufbau nach vier Jahren noch immer nicht abgeschlossen sei. Demgegenüber stellte sie die “Milliarde Euro für weltweite Gesundheitsmaßnahmen”, während das eigene System kollabiere, “12 Milliarden Euro für absurde Klimaschutzmaßnahmen in aller Welt” und “volle 30 Milliarden Euro für unsinnige Entwicklungshilfeprojekte”. Gekrönt wurde diese Liste von den “mehr als 50 Milliarden Euro” für die “Kosten der Massenmigration”, die sie der CDU anlastete. Ihr Fazit: “Das ist unseriöse, unbürgerliche, völlig verwahrloste Politik, die Sie hier betreiben”.
Weidel identifizierte drei “selbstverschuldete” Ursachen für den Abstieg: “Masseneinwanderung statt restriktiver Migrationspolitik”, “ökosozialistische Planwirtschaft statt marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik” und “Bürokratismus, Kontrollwut und Beschneidung von Bürgerrechten”.

Auch die Europäische Union wurde zur Zielscheibe. Eine “europäische Lösung” der Migration sei “so fern wie eh und je”. Die “Scheinlösung” der Migrantenverteilung führe nur dazu, dass am Ende alle nach Deutschland kämen, “weil hier die Sozialleistungen am höchsten sind”. Wenn Polen aus dem Verteilungsprogramm aussteigen könne, müsse Deutschland dies auch tun.
Der “Green Deal” von Ursula von der Leyen zerstöre die Wettbewerbsfähigkeit. Weidel warf der Regierung vor, die “Deindustrialisierung und die Verarmung der Bürger” durch die Klimapolitik tatenlos laufen zu lassen. Sie forderte ultimativ die sofortige Abschaffung des Verbrennerverbots, des Heizungsgesetzes, der CO2-Abgaben und des Lieferkettengesetzes.
Ihre Rede gipfelte in einer düsteren Warnung vor einem totalitären “Sozialismus nach EU-Rezept”, der, so Weidel unter Berufung auf Margaret Thatcher, beginne, wenn “einem das Geld der anderen Leute ausgeht”. Die Konsequenzen seien die “Inflationierung unserer Währung”, “verbotene Zentralbankfinanzierung” und Gemeinschaftsschulden.
Um diesen Zugriff auf das Geld der Bürger zu sichern, so Weidels apokalyptische Vision, plane die EU die “nächste Stufe der Repression”: die Abschaffung des Bargelds und die Einführung des digitalen Euros. Flankiert werde dies von “repressiven Maßnahmen wie die Chatkontrolle” der CDU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und der Drohung der “Enteignung privater Vermögenswerte” durch ein Vermögensregister.
“Genau für diese Politik der Repression steht Ihre Regierung”, schloss Weidel ihre Rede, die mehrfach von Zwischenrufen und Gelächter, aber auch von spürbarer Unruhe im Saal begleitet wurde. “Wir stehen für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit […] Machen Sie Politik für unser Land, dem deutschen Volke!”. Es war ein Auftritt, der die tiefen Gräben in der deutschen Politik markierte und die Debatte über den wirtschaftlichen Kurs des Landes mit maximaler Schärfe aufgeladen hat.