Wismarer erobern Bergwelt von Kirgistan – und stoßen auf die Erinnerung an Laura Dahlmeier

Wismarer erobern Bergwelt von Kirgistan – und stoßen auf die Erinnerung an Laura Dahlmeier

Das Tianshan-Gebirge erhebt sich wie eine raue Krone im Herzen Zentralasiens. Schneebedeckte Gipfel, karge Steppen, Gletscher und weite Hochtäler prägen das Bild dieser spektakulären Region, die in Kirgistan als Nationalsymbol gilt. Für die meisten Touristen bleibt diese Landschaft unerreichbar – zu entlegen, zu unerschlossen, zu herausfordernd. Doch Kathrin und Heiko Hoffmann aus Wismar haben sich diesen Traum erfüllt. Gemeinsam wagten sie eine Trekkingtour in den Bergen, die für viele Abenteurer als eine der letzten großen Wildnisse gelten.

Mitten in dieser einsamen und zugleich atemberaubenden Natur begegneten die beiden einer Geschichte, die das Abenteuer unerwartet überschattete: dem tragischen Tod der ehemaligen deutschen Biathlon-Olympiasiegerin Laura Dahlmeier, die in derselben Region vor zwei Jahren bei einer Expedition verunglückte.

Sehnsucht nach dem Unbekannten

„Wir wollten raus, etwas Neues erleben, etwas, das uns an Grenzen bringt“, erzählt Heiko Hoffmann. Gemeinsam mit seiner Frau Kathrin, beide Anfang fünfzig, hatte er bereits zahlreiche Trekkingtouren durch Europa absolviert – von den Alpen bis nach Norwegen. Doch irgendwann, so beschreibt er es, sei die Sehnsucht nach „echtem Abenteuer“ immer größer geworden.

„Kirgistan war schon lange auf unserer Liste. Diese Mischung aus asiatischer Kultur, sowjetischer Vergangenheit und einer Natur, die noch unberührt wirkt – das hat uns gereizt.“

Die Vorbereitung dauerte Monate. Kartenmaterial, Sprachführer, Berichte von früheren Expeditionen: Das Ehepaar tauchte tief in die Welt des Tianshan ein. Und doch war ihnen bewusst, dass man diese Region nie vollständig planen kann. „Hier draußen bestimmt die Natur den Rhythmus“, sagt Kathrin.

Aufbruch ins Unbekannte

Der Ausgangspunkt ihrer Reise war Bischkek, die Hauptstadt Kirgistans. Von dort führte sie ein alter Militärbus über holprige Straßen in Richtung Karakol, am Rande des Gebirges. Schon die Fahrt sei ein Abenteuer gewesen, berichten die Hoffmanns.

„Die Straßen sind voller Schlaglöcher, Kühe und Schafe laufen mitten durch, und die Menschen winken einem freundlich zu. Es fühlt sich sofort so an, als sei man in einer anderen Welt.“

Von Karakol startete die eigentliche Trekkingtour: mehrere Tage zu Fuß durch die Bergwelt, begleitet von einem kirgisischen Bergführer namens Rinat. Er war es auch, der sie mit einer Geschichte überraschte, die ihre Tour unauslöschlich prägen sollte.

Die Begegnung mit Rinat

Rinat ist ein drahtiger Mann Mitte 30, mit wettergegerbtem Gesicht und leuchtenden Augen, die von unzähligen Stunden in den Bergen erzählen. Schon am ersten Tag sprach er davon, dass er einst mit einer „berühmten deutschen Sportlerin“ unterwegs gewesen sei.

Erst später, beim abendlichen Tee in einem Jurtenlager, zeigte er den Hoffmanns ein Foto auf seinem Handy: Laura Dahlmeier, strahlend, mit Bergschuhen und Rucksack, an seiner Seite.

„Ich konnte es kaum glauben“, sagt Kathrin. „Da sitzt man in einer Jurte im Nirgendwo, und plötzlich zeigt dir der Guide ein Bild mit einer Sportlerin, die man aus dem Fernsehen kennt.“

Doch Rinats Stimme wurde ernst, als er von den letzten gemeinsamen Tagen sprach. Zwei Jahre zuvor war Dahlmeier in den Bergen Kirgistans verunglückt. Ein Absturz, ein tragisches Ende für eine Frau, die in Deutschland als Ausnahmesportlerin gefeiert wurde.

Der Schatten von Laura Dahlmeier

Für die Hoffmanns erhielt ihre Tour dadurch eine neue Dimension. „Plötzlich wurde uns bewusst, wie gefährlich diese Berge sind“, erinnert sich Heiko. „Man denkt, man wandert hier einfach durch die Natur. Aber jeder Schritt kann eine Herausforderung sein.“

Rinat erzählte, wie Dahlmeier damals voller Begeisterung in die Berge aufbrach, wie sie lachen konnte und gleichzeitig eine große Ernsthaftigkeit mitbrachte. „Sie wollte nicht nur Sportlerin sein, sie wollte die Welt erleben“, sagte er leise.

Das Schicksal Dahlmeiers wurde für die Hoffmanns zu einer ständigen Begleiterin ihrer Wanderung. An steilen Pässen, auf rutschigen Gletscherzungen, beim Blick in tiefe Täler – immer wieder dachten sie daran, dass selbst die stärksten und erfahrensten Menschen in diesen Bergen verlieren können.

Schönheit und Gefahr im Tianshan

Das Tianshan-Gebirge, dessen Name übersetzt „Himmelsberge“ bedeutet, ist eine Region voller Kontraste. Auf der einen Seite finden Wanderer unendliche Stille, türkisfarbene Seen und einsame Hochweiden, auf denen Nomaden ihre Pferde grasen lassen. Auf der anderen Seite lauern Gefahren: Lawinen, plötzliche Wetterumschwünge, ungesicherte Pfade.

„Es ist ein Ort, der dich Demut lehrt“, sagt Kathrin. „Man spürt hier sehr stark, wie klein man als Mensch ist.“

Einmal, so erzählen die Hoffmanns, mussten sie wegen eines Schneesturms stundenlang in einer Höhle ausharren. Ein anderes Mal brach einer der schmalen Holzbrücken, sodass sie nur knapp einem Sturz in den Gletscherfluss entgingen.

„Und genau in solchen Momenten kommt dir die Geschichte von Laura wieder in den Sinn“, so Heiko. „Dass hier wirklich jeder Fehler tödlich enden kann.“

Erinnerung und Respekt

Am letzten Tag der Tour führte Rinat die Hoffmanns zu einem Aussichtspunkt, von dem man einen der höchsten Gipfel des Tianshan sehen konnte. Dort legte er einen kleinen Stein nieder – eine Geste, die er immer wieder wiederholt, wenn er an den Tod von Laura Dahlmeier denkt.

„Es war ein stiller, ergreifender Moment“, erzählt Kathrin. „Wir haben uns an diesem Platz lange Zeit gelassen, nur geschaut und geschwiegen.“

Für die Hoffmanns war klar: Diese Reise würde mehr sein als nur ein Abenteuer. Sie wurde zu einer Begegnung mit der Vergänglichkeit, mit dem Respekt vor der Natur – und mit der Erinnerung an eine Sportlerin, die ihren Traum bis zuletzt lebte.

Die Nachwirkung

Zurück in Wismar, fernab der kirgisischen Berge, hallt das Erlebte nach. „Man kehrt nicht als derselbe Mensch zurück“, sagt Heiko. „Wir haben gelernt, dass Reisen nicht nur bedeutet, neue Orte zu sehen, sondern auch Geschichten und Schicksale mitzunehmen.“

Kathrin ergänzt: „Und es hat uns gezeigt, dass wir viel öfter innehalten sollten – im Alltag, im Leben. Nicht alles ist selbstverständlich.“

Die Geschichte von Laura Dahlmeier, die ihnen in den Bergen begegnete, hat Spuren hinterlassen. „Wir kannten sie nicht persönlich“, so Kathrin, „aber in diesen Tagen hatten wir das Gefühl, ihr sehr nahe zu sein.“

Ein Vermächtnis der Berge

Für viele, die in die Berge aufbrechen, ist das Risiko Teil des Abenteuers. Für andere ist es schlicht ein Teil ihres Lebenswegs. Laura Dahlmeier gehört zu jenen, deren Name nun untrennbar mit den Tianshan-Bergen verbunden ist – nicht nur als Erinnerung an ihr tragisches Ende, sondern auch als Symbol für Leidenschaft und Mut.

Und für die Hoffmanns aus Wismar wurde aus ihrer Reise eine Lektion, die weit über die Kirgisische Steppe hinausreicht: „Die Berge lehren dich, was wirklich wichtig ist“, sagt Heiko. „Und sie erinnern dich daran, dass das Leben immer auch ein Geschenk ist.“

Fazit

Die Trekkingtour durch das Tianshan war für Kathrin und Heiko Hoffmann mehr als ein Abenteuerurlaub. Es war eine Reise in eine Welt voller Schönheit und Gefahr, eine Begegnung mit einem Schicksal, das über die Landesgrenzen hinaus berührt, und eine Mahnung an die Zerbrechlichkeit des Lebens.

Zwischen Nomadenlagern, Schneestürmen und endlosen Weiten fanden sie nicht nur die wilde Natur, die sie suchten, sondern auch eine Geschichte, die ihr Herz bewegte: die Erinnerung an Laura Dahlmeier, deren Leidenschaft für die Berge in Kirgistan ihr letztes Kapitel fand.

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