Christiane Hörbiger war mehr als nur eine Schauspielerin; sie war eine Institution, eine „Grande Dame“ des deutschsprachigen Films und Fernsehens, deren Anmut und Talent Generationen von Zuschauern verzauberten. Doch hinter der strahlenden Fassade der erfolgreichen Künstlerin verbarg sich ein Leben voller tiefgreifender persönlicher Kämpfe, herzzerreißender Verluste und einer unerschütterlichen Resilienz, die ihre wahre Stärke ausmachte. Ihre Geschichte ist nicht nur die einer glanzvollen Karriere, sondern auch die einer Frau, die den größten denkbaren Schmerz ertragen und dennoch immer wieder die Kraft gefunden hat, weiterzumachen.
Geboren am 13. Oktober 1938 in Wien, schien ihr Weg in die Welt der Schauspielerei vorbestimmt. Als Tochter des legendären Schauspielerpaares Paula Wessely und Attila Hörbiger wuchs sie im Epizentrum der österreichischen Theater- und Filmwelt auf. Doch der Glanz dieses Erbes warf auch einen langen Schatten. Während die Öffentlichkeit erwartete, dass sie mühelos in die Fußstapfen ihrer berühmten Eltern treten würde, hatte ihre Mutter, Paula Wessely, ganz andere Pläne. Sie stellte sich für ihre Tochter eine solidere, bürgerliche Zukunft als Konditorin vor und hatte bereits eine Lehrstelle in der renommierten Wiener Bäckerei Janele arrangiert. „Ich weiß nicht, ob es die Janele-Bäckerei noch gibt, in der meine Mutter mir schon eine Lehrstelle vorbereitet hatte“, erinnerte sich Hörbiger später oft schmunzelnd.
Doch das Schicksal oder vielleicht ihre eigene innere Berufung zog sie unweigerlich zur Bühne. Eine Reise mit ihrem Vater zu den Theaterfestspielen in Bad Hersfeld wurde zum Wendepunkt. Dort wurde ihr Talent entdeckt, und der Grundstein für eine Karriere, die über sechs Jahrzehnte andauern sollte, war gelegt. Trotzdem waren die Anfänge steinig. Entgegen dem Rat vieler verließ sie das prestigeträchtige Max-Reinhardt-Seminar nach nur wenigen Wochen, um eine Filmrolle in „Kronprinz Rudolfs letzte Liebe“ anzunehmen – ein mutiger Schritt, der ihre Entschlossenheit zeigte, ihren eigenen Weg zu gehen. Die Kritiker waren jedoch gnadenlos. Immer wieder wurde sie als die „untalentierte Tochter von Paula Wessely“ abgetan, ein Urteil, das die junge Schauspielerin tief verletzte. „Ich erinnere mich, dass ich mit dem Auto neben der Hofreitschule fuhr und eine schmale Gasse einbog, bitterlich weinend“, gestand sie Jahre später. Dieser Schmerz wurde jedoch zum Motor ihres Ehrgeizes, sich aus dem Schatten ihrer Eltern zu befreien und als eigenständige Künstlerin anerkannt zu werden.
Ihren künstlerischen Durchbruch und ihre Reifung erlebte sie in den 1960er-Jahren, zunächst am Wiener Burgtheater und später am Schauspielhaus in Zürich. In der Schweiz, fernab des direkten Vergleichs mit ihrer Familie, perfektionierte sie ihr Handwerk und erntete für ihre vielseitigen Darstellungen in klassischen und modernen Stücken europaweit Anerkennung. Doch der größte Ruhm sollte im Fernsehen auf sie warten. In den 1980er-Jahren wurde sie durch die Rolle der Gräfin Christine von Guldenburg in der ZDF-Erfolgsserie „Das Erbe der Guldenburgs“ zum absoluten Superstar. Als elegante und willensstarke Matriarchin eines Bierimperiums spielte sie sich in die Herzen eines Millionenpublikums und etablierte endgültig ihren Status als Ikone.
Ihre schauspielerische Bandbreite war phänomenal. In der Satire „Schtonk!“ (1992) über die gefälschten Hitler-Tagebücher bewies sie ihr komödiantisches Timing als Hermann Görings Nichte mit dem unvergesslichen Satz: „Man kann sich seine Verwandten halt nicht aussuchen.“ In der Serie „Julia – Eine ungewöhnliche Frau“ überzeugte sie als moralisch integre Richterin, und in „Die Geschorene“ lieferte sie eine herzzerreißende Darstellung einer Alzheimer-Patientin. Für ihr Lebenswerk wurde sie mit Preisen überhäuft, darunter die Goldene Kamera und der Bayerische Fernsehpreis.
Neben ihrer Karriere nutzte Christiane Hörbiger ihre Prominenz auch für soziales und politisches Engagement. Als UNICEF-Botschafterin für Österreich setzte sie sich für die Rechte von Kindern ein und erhob ihre Stimme gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Ihre politische Haltung war komplex und wandelbar. Unterstützte sie 2010 noch die SPÖ, sorgte sie 2019 für großes Aufsehen, als sie in einem Video die ÖVP und deren damaligen Vorsitzenden Sebastian Kurz unterstützte und das Misstrauensvotum gegen ihn als „völlig idiotisch“ bezeichnete. Es zeigte eine Frau, die furchtlos ihre Meinung vertrat, auch wenn sie damit aneckte.
Doch so strahlend ihre berufliche Laufbahn war, so tief waren die Abgründe in ihrem Privatleben. Ihr Liebesleben war eine Kette von Glücksmomenten, die jäh von unvorstellbaren Tragödien beendet wurden. Ihre erste Ehe mit dem Regisseur Wolfgang Glück (1962-1967) scheiterte an den unterschiedlichen Lebensentwürfen und dem Druck des öffentlichen Lebens. Das wahre Glück schien sie mit ihrem zweiten Ehemann, dem Schweizer Journalisten Rolf R. Bigler, gefunden zu haben. Die Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Sascha im Jahr 1968 krönte ihre Liebe. Doch das Schicksal schlug 1978 erbarmungslos zu. Nach einer Vorstellung an der Wiener Volksoper wartete sie vergeblich darauf, dass Rolf sie abholt. Als sie mit dem Taxi nach Hause kam und die Tür verschlossen fand, ließ sie sie aufbrechen. Der Anblick, der sich ihr bot, brannte sich für immer in ihre Seele ein: Rolf saß leblos an seinem Schreibtisch, gestorben an einem Herzinfarkt im Alter von nur 48 Jahren. „Das Bild dieses Moments ist nie von mir gewichen“, schrieb sie in ihrer Autobiografie und gestand, dass diese Erfahrung eine lebenslange Angst vor verschlossenen Türen auslöste.
In dieser dunkelsten Zeit wurde ihr zehnjähriger Sohn Sascha zu ihrem Anker. Mit bemerkenswerter Reife half er, die Beerdigung seines Vaters zu organisieren. „Mein Sohn hat sich um alles gekümmert“, sagte sie. Die Arbeit und die Verantwortung für Sascha gaben ihr die Kraft, den überwältigenden Schmerz zu überleben.
Anfang der 1980er-Jahre trat ein neuer Mann in ihr Leben: der Schauspieler, Schriftsteller und Theaterdirektor Gerhard Tötschinger. Ihre Beziehung, die 1984 begann, entwickelte sich zu einer tiefen, über drei Jahrzehnte andauernden Partnerschaft. Sie waren Seelenverwandte, teilten ihr Leben zwischen Wien und Zürich. Doch eine Heirat schob Hörbiger immer wieder auf, aus Angst, der formale Akt könnte ihre besondere Verbindung verändern. 2016, nach 32 gemeinsamen Jahren, entschlossen sie sich endlich, diesen Schritt zu wagen. Alles war geplant, die Ringe waren gekauft. Doch nur sechs Tage vor der geplanten Hochzeit schlug das Schicksal erneut mit unvorstellbarer Grausamkeit zu. Während eines Urlaubs am Wolfgangsee fand Christiane ihren geliebten Gerhard leblos im Bett. Er war im Alter von 70 Jahren unerwartet an einer Lungenembolie gestorben. „Wir waren so glücklich“, erinnerte sie sich. Der Schmerz über diesen Verlust war unerträglich. „Ich hatte immer Angst, dass die Ehe Dinge verändern könnte, deshalb habe ich sie hinausgezögert“, sagte sie. „Jetzt bereue ich diese Zögerlichkeit zutiefst.“
Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte Christiane Hörbiger zurückgezogen in Baden bei Wien, Trost fand sie bei ihren geliebten Möpsen und in der engen Bindung zu ihrem Sohn Sascha, der inzwischen selbst ein erfolgreicher Regisseur geworden war. Die Zusammenarbeit mit ihm bei Projekten wie „Die Muse des Mörders“ (2018) war für sie eine Quelle der Freude und Kontinuität. Am 30. November 2024 verstarb Christiane Hörbiger im Alter von 84 Jahren. Ihr Tod markierte das Ende einer Ära. Sie hinterließ ein gewaltiges künstlerisches Erbe und die Erinnerung an eine Frau von außergewöhnlicher Stärke, die trotz aller Schicksalsschläge nie ihre Würde und ihre Leidenschaft für das Leben verlor. Ihr Leben war ein Beweis dafür, dass hinter dem größten Ruhm oft der tiefste Schmerz verborgen liegt und dass wahre Größe nicht im Vermeiden von Stürzen, sondern im immer wieder Aufstehen liegt.