In der glitzernden Welt des europäischen Kinos gibt es Namen, die wie Leuchtfeuer erstrahlen, die Epochen prägen und Generationen inspirieren. Margarethe von Trotta ist ein solcher Name. Geboren inmitten der Wirren des Zweiten Weltkriegs, hat sie sich zu einer der bedeutendsten Stimmen des deutschen Films entwickelt, eine Künstlerin, deren Werke nicht nur unterhalten, sondern aufrütteln, hinterfragen und zum Nachdenken anregen. Doch hinter der Fassade der gefeierten Regisseurin, der intellektuellen Kraft und der Ikone des feministischen Kinos verbirgt sich eine andere Geschichte – eine Geschichte voller Melancholie, nie verheilter Wunden und einer tiefen, existenziellen Einsamkeit, die ihr gesamtes Leben und Schaffen durchdringt.
Geboren 1942 in Berlin, in den letzten chaotischen Zügen eines untergehenden Regimes, war ihre Kindheit alles andere als idyllisch. Sie wuchs in einer Nation auf, die versuchte, sich aus den Trümmern ihrer eigenen Zerstörung zu erheben, geprägt von Schuld, Verlust und dem verzweifelten Wunsch nach einem Neuanfang. Diese Nachkriegszeit, mit ihrer allgegenwärtigen Armut und Härte, brannte sich tief in ihr Gedächtnis ein. Es waren nicht nur die materiellen Entbehrungen, sondern die unbeantworteten Fragen, die sie quälten: „Warum können Menschen so grausam sein? Warum hinterlässt die Geschichte immer Wunden, die nie heilen?“ Diese Fragen wurden zum Leitmotiv ihres Lebens, zum Motor ihres künstlerischen Antriebs. Sie suchte keine einfachen Antworten, sondern die Wahrheit in den komplexen, oft schmerzhaften Facetten des Menschseins.
Ihr Weg in die Kunst war kein direkter. Nach einem Studium der Germanistik und Kunst fand sie zunächst als Schauspielerin den Weg auf die Bühne und vor die Kamera. An der Seite von Volker Schlöndorff, der später ihr Ehemann und kreativer Partner wurde, sammelte sie erste Erfahrungen. Doch die Rolle der Darstellerin füllte sie nicht aus. In ihr brannte ein unbändiger Drang, ihre eigenen Geschichten zu erzählen – Geschichten über Frauen, die in einer von Männern dominierten Welt um ihre Stimme, ihre Freiheit und ihre Würde kämpfen. Zu einer Zeit, als eine Frau hinter der Kamera noch als Kuriosum galt, als exotische Ausnahme in einer Männerdomäne, ergriff sie die Initiative. Sie verstand, dass sie selbst die Kamera führen musste, um die Perspektive zu verändern.
Ihr gemeinsamer Film mit Schlöndorff, „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (1975), basierend auf dem Roman von Heinrich Böll, war ein Paukenschlag. Der Film wurde zu einem kraftvollen Manifest gegen die zerstörerische Macht der öffentlichen Meinung und der Medien, ein Plädoyer für die Integrität des Individuums. Doch erst als sie ihre eigenen Wege ging, fand von Trotta endgültig zu ihrer unverwechselbaren Stimme. Filme wie „Die bleierne Zeit“ (1981), „Rosa Luxemburg“ (1986) und später „Hannah Arendt“ (2012) sind mehr als nur Biografien oder historische Dramen. Sie sind tiefgründige, humanistische Porträts von Frauen, die es wagten, gegen den Strom zu schwimmen, anders zu denken und für ihre Überzeugungen zu kämpfen, selbst wenn der Preis dafür die totale Isolation war. In diesen Figuren spiegelte sich immer auch ein Teil von ihr selbst – die Kämpferin, die Intellektuelle, die Frau, die die Einsamkeit der Wahrheit der wohligen Wärme der Konformität vorzog.
Doch der berufliche Erfolg hatte einen hohen persönlichen Preis. Ihre Ehe mit Volker Schlöndorff, eine Verbindung zweier starker Künstlerseelen, zerbrach. Es war keine Trennung im Zorn, wie sie betonte, sondern die Konsequenz zweier Lebenswege, die auseinanderdrifteten. „Wir trennten uns nicht, weil wir uns nicht mehr liebten, sondern weil jeder seinen eigenen Weg ging. Ich brauchte die Freiheit, kreativ zu sein“, erklärte sie einmal. Diese Freiheit führte sie jedoch in eine tiefere Einsamkeit. Den Schmerz dieser Trennung und die Leere, die sie hinterließ, kanalisierte sie in ihre Arbeit. Ihre Filme wurden noch tiefgründiger, emotionaler, aber auch von einer spürbaren Traurigkeit durchzogen. Die Figur der Rosa Luxemburg, der revolutionären Ikone, die für ihre Ideale alles opferte, wurde für sie auch zu einem Symbol der eigenen Einsamkeit – der schmerzhaften Erkenntnis, dass der Preis der Freiheit oft die Isolation ist.
Diese Isolation wurde zu einem wiederkehrenden Thema in ihrem Leben. Sie fühlte sich oft missverstanden, gefangen in einem Paradox. In der Kunstwelt galt sie als „zu philosophisch“, „zu maskulin“ in ihrer Denkweise, während sie selbst betonte, dass alles, was sie tat, zutiefst von Herzen kam. Diese Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und innerem Erleben wurde zu einer ständigen Quelle des Schmerzes. Sie war, wie sie selbst sagte, oft die verletzlichste Person im Raum, aber auch diejenige, die es am besten zu verbergen wusste. Hinter der starken, intellektuellen Fassade verbargen sich schlaflose Nächte, erfüllt von Erinnerungen, Sehnsüchten und dem Gefühl, dass das Leben zu schnell verging und so vieles ungesagt und ungetan blieb.
Es gab Zeiten, in denen die Last zu schwer wurde. Nach Jahren unermüdlicher Arbeit stürzte Margarethe von Trotta in eine Depression. Jeder abgeschlossene Film fühlte sich an wie ein Verlust, als hätte sie einen Teil ihrer Seele auf die Leinwand projiziert und wäre danach leer und ausgebrannt zurückgeblieben. Es waren dunkle Nächte, in denen sie allein dem Ticken der Uhr lauschte und das Gefühl hatte, die Zeit würde ihr Leben Sekunde für Sekunde verschlingen. Doch sie ließ sich nicht unterkriegen. Sie lernte, die Traurigkeit nicht als Feind zu betrachten, sondern als einen Begleiter, der sie daran erinnerte, am Leben zu sein. „Traurigkeit erinnert uns daran, dass wir dieses Leben noch fühlen, noch lieben“, sagte sie. Diese Akzeptanz der Dunkelheit wurde zu einer neuen Quelle der Kreativität, die ihre späteren Werke noch reifer, subtiler und tiefgründiger machte.
Trotz ihres vollen Terminkalenders und der emotionalen Verausgabung in ihrer Kunst war die Familie immer ihr Anker. Ihr Sohn beschrieb sie als die stärkste Frau, die er kannte, aber auch als diejenige, die am leichtesten weinte – ein Zeugnis ihrer Fähigkeit, Stärke und Verletzlichkeit in sich zu vereinen. Im privaten Kreis war sie nicht die gefeierte Regisseurin, sondern einfach Mutter und Großmutter, die Trost in den einfachen Freuden des Lebens fand: Kochen, Gartenarbeit und die Gesellschaft ihrer Liebsten. Die Briefe von jungen Frauen, die ihr schrieben, wie ihre Filme ihnen Kraft gegeben hätten, waren für sie die wertvollste Belohnung, die Bestätigung, dass ihre einsamen Kämpfe nicht umsonst gewesen waren.
Im hohen Alter hat Margarethe von Trotta einen stillen Frieden gefunden. Sie jagt nicht mehr dem Glamour hinterher, sondern genießt die ruhigen Momente des Tages. Der frühe Morgen, eine Tasse Kaffee und der Blick aus dem Fenster sind ihr heilig – eine Zeit, in der ihre Gedanken frei zwischen Vergangenheit und Zukunft schweifen können. Sie hat gelernt, dem Altern und der Vergänglichkeit ohne Angst zu begegnen, im festen Glauben daran, dass ihre Werke für sie sprechen werden, wenn sie nicht mehr da ist. Ihr Leben ist eine Symphonie aus Licht und Schatten, ein Beweis dafür, dass aus Einsamkeit Kreativität und aus Schmerz Verständnis erwachsen kann. Ihr größtes Glück, so sagt sie, war es nicht, gelobt, sondern verstanden zu werden. Und obwohl ihr Leben von unausgesprochenen Geheimnissen und einer unendlichen Traurigkeit geprägt ist, blickt Margarethe von Trotta mit strahlenden Augen nach vorn, getragen von der Überzeugung, dass jeder Mensch, egal wie einsam, etwas Sinnvolles für diese Welt schaffen kann.