Ein Paukenschlag hallt durch die deutsche Medienlandschaft, und er kam mit einem Augenzwinkern. Auf einem exklusiven Firmenevent der RTL Adalliance in Wien, vor über 500 geladenen Gästen, wurde nicht nur das ambitionierte Programm für 2026 vorgestellt, sondern auch das Ende einer Ära besiegelt. Thomas Gottschalk, die unangefochtene Ikone des deutschen Fernsehens, der Mann, der den Samstagabend über Jahrzehnte definierte, macht Schluss.
Die Nachricht selbst wurde fast beiläufig, aber mit spürbarer Ironie überbracht. Moderator Jan Köppen und RTL-Programmchefin Inga Leschek witzelten auf der Bühne: Gottschalk habe “kein Bock mehr auf Samstagabend-Shows”. Ein Lachen im Saal, doch dahinter verbirgt sich ein seismischer Wandel. Der Titan des Fernsehens tritt ab. Wann genau der letzte Vorhang fällt, bleibt noch im Nebel – vielleicht im November, vielleicht erst im Dezember. Doch die Botschaft ist klar: Die Zeit der großen, generationenübergreifenden Lagerfeuer-Events, wie sie nur Gottschalk zelebrieren konnte, neigt sich dem Ende zu.
Während ein Kapitel schließt, schlägt RTL bereits das nächste auf – und das mit brachialer Gewalt. Die in Wien präsentierten Programm-Highlights für 2026 sind ein klares Statement: Der Sender setzt auf eine aggressive Zweiklang-Strategie aus lauter, schneller Reality und der eisernen Sicherheit altbekannter Marken. Es ist ein Spagat zwischen der TikTok-Generation und dem etablierten Stammpublikum.

Die neue Welle: Reality, Influencer und Dschungel-Queens
Der Abschied Gottschalks markiert symbolisch den Übergang in eine neue Zeit, und diese Zeit ist bei RTL klar definiert durch Reality-Formate. Der Sender lässt keinen Zweifel daran, dass er die Vormachtstellung in diesem Genre nicht nur halten, sondern ausbauen will. Das Zugpferd Ayu (mutmaßlich “Are You The One?”) wird als sicherer “Quotenhit” gefeiert und bleibt im Programm. Doch es sind die Neuzugänge und Neuauflagen, die aufhorchen lassen.
Bachelor in Paradise kehrt zurück, und mit ihm ein Gesicht, das die DNA des Formats verkörpert: Kult-Barkeeper Paul Janke. RTL weiß, wie wichtig bekannte Gesichter für die Bindung sind, selbst in den flüchtigsten Formaten.
Noch tiefer taucht der Sender in die Untiefen der digitalen Welt ein. Eine neue Show namens MLAF Flav (über deren genaues Konzept noch spekuliert wird) wird von “Selfie Sandra” moderiert. Der Name allein ist Programm: Hier wird die Ästhetik der sozialen Medien direkt ins lineare Fernsehen übertragen. Der Star ist nicht mehr der klassisch ausgebildete Moderator, sondern der Influencer, der seine Community mitbringt.
Den Vogel schießt jedoch ein Titel ab, der wie die fiebrige Fantasie eines Reality-Produzenten klingt: Reality Queens auf High Heels durch den Dschungel. Dieses Format verspricht bereits im Namen ein Spektakel aus Glamour, Schmutz und Drama. Moderiert wird es, konsequenterweise, von einem TikTok-Star, im Transkript als “Stenty for dem” bezeichnet. Es ist der ultimative Versuch, die junge, schwer zu greifende Zielgruppe, die auf Smartphones zu Hause ist, vor den Fernseher zu locken. RTL investiert massiv in Gesichter, die ihre Reichweite bereits auf anderen Plattformen bewiesen haben.
Die unsterblichen Säulen: Auf Jauch, Bohlen und Bause ist Verlass
Gleichzeitig wäre es ein Fehler zu glauben, RTL würde seine Wurzeln kappen. Während die jungen Wilden den Dschungel erobern, halten die “alten Meister” das Fundament stabil. An vorderster Front: Günther Jauch. Er bleibt das unerschütterliche Gesicht von Wer wird Millionär und wurde auf dem Event als der dienstälteste Moderator von RTL geehrt. Er ist das Synonym für Seriosität, Wissen und Beständigkeit.
Die familiäre Atmosphäre, die RTL trotz aller Neuerungen pflegen will, wurde durch einen Scherz auf der Bühne unterstrichen: Das vertraute “Duzen” sei eigentlich nur einer einzigen Person im Sender vorbehalten – Barbara Schöneberger. Ein humorvoller Verweis auf die etablierte Star-Kultur des Senders.
Und dann ist da die Abteilung “Dauerbrenner”. Bauer sucht Frau geht mit Inka Bause in das unglaubliche 20. Jubiläumsjahr. Ein Format, das oft belächelt, aber millionenfach gesehen wird und eine emotionale Bindung zum Publikum aufgebaut hat, die ihresgleichen sucht.
Neben der ländlichen Romantik darf auch der Krawall nicht fehlen. DSDS (Deutschland sucht den Superstar) kehrt zurück. Und wie könnte es anders sein, sitzt Chef-Juror Dieter Bohlen wieder am Pult. An seiner Seite: die Sängerin “Easy Glück” (vermutlich Leony) und, als besonders provokanter Besetzungscoup, der Rapper Bushido. Diese Jury-Mischung ist pure Strategie: Bohlen für die Nostalgie und die harten Sprüche, Bushido für die Schlagzeilen und die junge, männliche Zielgruppe.
Um die Hysterie perfekt zu machen, wurde in Wien sogar angekündigt, dass man den ersten Kandidaten für das Dschungelcamp 2026 live im Fernsehen umwerben werde – ein geschickter Schachzug, um die Gerüchteküche frühzeitig anzuheizen.

Die Rückkehr der Gefühle: Revivals und großes Kino
Die dritte Säule der RTL-Strategie für 2026 ist die Wiederbelebung von Emotionen. Der Sender holt fiktionale Formate zurück, die einst tiefe Spuren hinterlassen haben.
Ganz oben auf dieser Liste: Club der roten Bänder. Die Serie über junge Patienten im Krankenhaus war ein Sensationserfolg, ein emotionaler Ausnahmefall im deutschen Fernsehen. Nun kehrt sie zurück – allerdings mit einem komplett neuen Cast. Ein gewagtes Unterfangen. Kann die Magie von damals ohne die Originalbesetzung wiederholt werden? RTL setzt darauf, dass das Thema und die emotionale Wucht der Geschichten stark genug sind.
Auch Der Lehrer feiert ein Revival. Nach dem Ausstieg des langjährigen Hauptdarstellers wird die Serie mit einer neuen Liebesgeschichte und frischem Personal wiederbelebt. Es ist ein Trend, der sich durch das gesamte Programm zieht: die Kombination aus bewährter Marke und neuem Gesicht.
Für die ganze Familie gibt es ebenfalls Nachschub. Der Kult-Kobold Pumuckl, dessen Neuauflage bereits erfolgreich startete, geht in die zweite Staffel. Und für die dunkle Jahreszeit kündigt RTL Großes an: Ab November soll die Event-Produktion Die Nibelungen mit Drachen und Rittern für episches Kino im Wohnzimmer sorgen.
Abgerundet wird das Portfolio durch den Business-Hit Die Höhle der Löwen, der mit neuen Gründergeschichten und Investoren-Deals weiterlaufen wird.

Fazit: Eine neue Zeitrechnung
Die Präsentation in Wien, zu der auch Gäste wie TV-Ikone Arabella Kiesbauer, Spitzenkoch Tony Mörwald und Dart-Profi Max Hop erschienen, war mehr als nur eine Programm-Ankündigung. Es war die öffentliche Ausrufung einer neuen Strategie.
Der Abschied von Thomas Gottschalk ist dabei mehr als nur der Ruhestand eines Moderators. Es ist der symbolische Schlussstrich unter das Fernsehen der alten Bundesrepublik, das auf Konsens und das gemeinsame Erlebnis am Samstagabend baute.
Die Zukunft, wie RTL sie für 2026 zeichnet, ist fragmentierter, lauter und jünger. Sie besteht aus einem riskanten, aber potenziell lukrativen Mix: Einerseits die Jagd nach der TikTok-Generation mit polarisierenden Reality-Formaten und Influencer-Hosts. Andererseits die absolute Absicherung durch die unkaputtbaren Marken Jauch, Bause und Bohlen.
RTL wirft das Netz breit aus wie nie zuvor. Man will die Jungen wild unterhalten und die Älteren sicher abholen. Es ist ein Spagat, der viel Kraft kosten wird. Doch eines ist sicher: Langweilig wird es im deutschen Fernsehen 2026 nicht. Die Ära Gottschalk mag enden, doch die Show – lauter und schriller als je zuvor – geht weiter.