Norbert Rier: Allein im Herzen der Krise – Sein traurigster Geburtstag und die verzweifelte Sehnsucht nach den Enkeln

Ein ohrenbetäubendes Schweigen liegt über den Almen Südtirols. Wo sonst das Lachen von Touristen und die Klänge der Volksmusik die Luft erfüllen, herrscht nun eine gespenstische Stille. Südtirol, das Herz Italiens, das so schwer vom Coronavirus getroffen wurde, befindet sich im Ausnahmezustand. Und mittendrin, auf seinem abgeschiedenen Bauernhof, sitzt ein Mann, der normalerweise Hunderttausende begeistert: Norbert Rier, der charismatische Frontmann der Kastelruther Spatzen.

Er hätte allen Grund zum Feiern. Am 14. April stand ein runder Meilenstein an: sein 60. Geburtstag. Doch das große Fest ist abgesagt. Die Tournee – verschoben. Statt auf der Bühne zu stehen, umgeben von tosendem Applaus, verbringt Rier diesen besonderen Tag allein mit seiner Frau. Die Stille ist sein einziger Begleiter. In einem bewegenden Interview bricht der Volksmusik-Star nun sein Schweigen und gewährt einen tiefen Einblick in sein Seelenleben – ein Leben zwischen Angst, Trauer und einer unerwarteten neuen Normalität.

Das Telefon ist seine einzige Verbindung zur Außenwelt, insbesondere zu denen, die ihm am meisten fehlen: seinen Enkelkindern. “Natürlich ist es traurig, dass ich meine Enkelkinder zur Zeit nicht sehen darf”, gesteht Rier mit schwerer Stimme. Es ist der Satz eines Großvaters, dem das Herz bricht. Der Kontakt ist auf Anrufe beschränkt. Er versucht, das Positive zu sehen, ist dankbar, dass die Kinder einen Garten haben, in dem sie spielen können, damit sie “unter dem Ganzen nicht so leiden”. Doch zwischen den Zeilen wird der Schmerz greifbar. Die erzwungene Trennung von der Familie ist ein hoher Preis in einer Krise, die keine Ausnahmen kennt.

Für Norbert Rier ist diese Isolation nicht nur eine emotionale Belastung, sie ist überlebenswichtig. Der Sänger gehört zur Hochrisikogruppe. Seine Vorerkrankung am Herzen macht ihn besonders anfällig. Er weiß um die Gefahr. “Nein, ich habe keine Angst vor dem Virus”, sagt er bestimmt, “aber ich nehme es auch nicht auf die leichte Schulter”. Das Virus sei “extrem ansteckend und gefährlich”. Diese Krise ist für ihn kein abstraktes Nachrichtenrauschen; sie ist eine direkte Bedrohung seiner Existenz. Die strengen Regeln, das Ausreiseverbot – er hält sich an alles. Er bleibt zu Hause.

Wo findet ein Mann, dessen Leben die Bühne ist, nun seinen Halt? Die Antwort liegt in der Erde, in der Routine, in der Stille seines Hofes. “Ich habe jetzt mehr Zeit für unseren Bauernhof”, erklärt Rier. Statt im Tourbus wacht er nun mit der Sonne auf, um seine Tiere zu versorgen, insbesondere seine geliebten Pferde. Die Arbeit ist hart, von morgens bis abends. Er ist oft einsam auf dem weitläufigen Gelände. Aber diese Arbeit ist sein Anker. “Die Arbeit tut mir gut, sie lenkt ab”, sagt er. “Arbeit ist für mich die beste Medizin”. Es ist eine Rückkehr zu den Wurzeln, eine Erdung in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist.

Sein 60. Geburtstag hätte ein rauschendes Fest werden sollen, ähnlich wie sein 50., den er groß auf dem Hof feierte. Die Pläne waren gemacht. Nun ist alles anders. “Plötzlich ist alles anders”, sinniert er. Die große Feier ist auf unbestimmte Zeit verschoben. “Das ist natürlich schade”, gibt er zu, “aber die Gesundheit geht vor”. Es ist die bittere Akzeptanz einer Realität, die niemand für möglich gehalten hätte. Auch seine Bandkollegen, die “Spatzen”, sind gesund, aber die gemeinsame Tournee, auf die sie sich so gefreut hatten, liegt auf Eis.

Diese erzwungene Pause hat Norbert Rier, den Mann der klaren Worte, tief nachdenklich gemacht. Die Krise, so schrecklich sie ist, offenbart für ihn auch eine unbequeme Wahrheit über die moderne Gesellschaft. “Es ist eine Situation, über die man nachdenken muss”, sagt er. Dann folgt ein Satz, der aufhorchen lässt: “Vielleicht hat es so etwas gebraucht, um alle ein bisschen herunterzuholen. Das Rad hat sich immer schneller gedreht.”

Es ist eine fast philosophische Betrachtung. Ein globaler Stillstand als notwendige Korrektur? Rier beschreibt das Gefühl, dass die Welt vor der Krise aus dem Takt geraten war, ein immer schnelleres Streben nach mehr. Jetzt, wo das Rad stillsteht, wird der Blick frei für das Wesentliche. Für Rier ist das die Gesundheit, die Familie – auch wenn er sie nur aus der Ferne lieben darf – und die heilsame Arbeit auf seinem Hof.

Trotz der persönlichen Enttäuschungen, der Sorge um seine Heimat Italien und der Trauer über die Trennung von den Enkeln, strahlt Norbert Rier eine unerschütterliche Ruhe aus. Er appelliert an die Vernunft, an die Fans, die nun ebenfalls auf die Konzerte verzichten müssen. “Wir bleiben positiv, wir schaffen das”, sagt er mit der Zuversicht, die ihn zum Star gemacht hat.

Seine Botschaft an alle, die sich auf die Tour gefreut hatten: “Es tut mir sehr leid”. Er verspricht ein Wiedersehen, bald. Bis dahin hat er einen eindringlichen Wunsch an seine Anhänger, einen Wunsch, den er selbst jeden Tag lebt: “Bleibt ruhig und bleibt zu Hause”.

Der 60. Geburtstag von Norbert Rier wird als der stillste in die Geschichte eingehen. Ein Tag ohne Musik, ohne Freunde, ohne Umarmungen seiner Enkel. Doch vielleicht war es auch ein Tag der tiefsten Einsicht – für den Volksmusik-Star, der auf seinem Bauernhof in Südtirol Trost in der Arbeit und Kraft in der Stille fand, während die Welt draußen lernte, wieder langsamer zu atmen.

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