Für Millionen von Zuschauern auf der ganzen Welt ist Midsomer der Inbegriff einer trügerischen Idylle. Sanfte grüne Hügel, malerische Dörfer und exzentrische Bewohner bilden die perfekte Kulisse für die raffiniertesten Mordfälle der Fernsehgeschichte. Im Zentrum dieses Universums stand über ein Jahrzehnt lang ein Mann, der die Ruhe selbst zu sein schien: Detective Chief Inspector Tom Barnaby, verkörpert von John Nettles. Mit seinem scharfen Verstand, seinem trockenen Humor und seiner unerschütterlichen Gelassenheit wurde er zu einem der beliebtesten Ermittler aller Zeiten. Doch was die Zuschauer auf dem Bildschirm sahen, war offenbar nur die halbe Wahrheit. Hinter den Kulissen der Erfolgsserie „Inspector Barnaby“ soll eine Atmosphäre geherrscht haben, die alles andere als idyllisch war – geprägt von Spannungen, Machtkämpfen und einer tiefen Verachtung, die der Hauptdarsteller für einige seiner engsten Kollegen gehegt haben soll.
Die Enthüllungen über die Zustände am Set zeichnen das Bild eines Mannes, der mit dem gemütlichen Inspector, den er verkörperte, wenig gemein hatte. John Nettles, so wird berichtet, war ein Perfektionist, ein Traditionalist der alten Schule, der eine sehr genaue Vorstellung davon hatte, wie die Serie zu sein hatte: ein Krimi, in dem der Fall im Mittelpunkt steht, und keine Familienserie. Diese unerschütterliche Haltung führte offenbar zu wiederholten und heftigen Konflikten mit den Schauspielern, die an seiner Seite spielten und es wagten, eigene Ideen einzubringen oder von seiner starren Arbeitsweise abzuweichen.
Der erste, der dies zu spüren bekam, war Daniel Casey, der Barnabys ersten Assistenten, Sergeant Gavin Troy, spielte. Troy war bei den Fans wegen seiner ungeschickten und oft politisch unkorrekten Art beliebt. Doch genau diese Leichtigkeit, die Casey in die Rolle brachte, soll Nettles ein Dorn im Auge gewesen sein. Er empfand Caseys spontanen Schauspielstil als oberflächlich und untergrub damit die Ernsthaftigkeit der Krimihandlung. Es soll zu hitzigen Diskussionen gekommen sein, in denen Nettles seinem jüngeren Kollegen mangelnden Respekt vor dem Genre vorwarf. Der unterschwellige Vorwurf: Caseys Popularität lenke vom eigentlichen Star der Serie ab – ihm selbst.
Nach Caseys Ausstieg trat John Hopkins als DS Dan Scott an seine Stelle. Doch die Spannungen wurden nicht geringer, im Gegenteil. Hopkins brachte eine jugendliche Lässigkeit mit, die Nettles als Mangel an Disziplin interpretierte. Berichte über Unpünktlichkeit und mangelnde Vorbereitung machten die Runde. Hopkins’ Vorliebe für spontanes Agieren kollidierte frontal mit Nettles’ präziser, fast schon routinierter Herangehensweise. Die Chemie zwischen den beiden stimmte nie. Nettles soll seinen neuen Partner nie als glaubwürdigen Ermittler akzeptiert haben. Die Atmosphäre wurde als so unerträglich beschrieben, dass Hopkins nach nur zwei Staffeln das Handtuch warf – ein offenes Geheimnis am Set.
Selbst Jason Hughes, der als DS Ben Jones am längsten an Nettles’ Seite ermittelte, blieb von den Konflikten nicht verschont. Anfangs schien die Zusammenarbeit professionell zu laufen. Doch als Hughes begann, seiner Figur mehr Tiefe und Eigenständigkeit zu verleihen, soll es zu subtilen Machtkämpfen gekommen sein. Nettles, so die Berichte, wachte eifersüchtig darüber, dass Barnaby das unangefochtene Zentrum der Serie blieb. Jede Entwicklung, die einen anderen Charakter in den Vordergrund rückte, wurde als Bedrohung empfunden. Ihre unterschiedlichen Arbeitsmethoden – Hughes’ intensive Vorbereitung gegen Nettles’ verinnerlichte Routine – führten zu Reibungen. Nettles soll Hughes’ akribische Art als pedantisch und störend empfunden haben.
Doch die Konflikte beschränkten sich nicht auf die männlichen Assistenten. Auch die Frauen, die Barnabys Privatleben darstellten, gerieten ins Visier des Patriarchen. Jane Wymark, die über all die Jahre Barnabys geduldige Ehefrau Joyce spielte, hatte den Wunsch, ihrer Figur mehr Substanz zu verleihen. Sie wollte Joyce nicht nur als die Frau sehen, die zu Hause wartet und Tee kocht. Doch Nettles blockierte diese Bestrebungen vehement. Für ihn waren die häuslichen Szenen lästiges Beiwerk, das den Rhythmus der Ermittlungen störte. Er soll sich nach langen Drehtagen für diese Szenen oft sarkastisch geäußert und Wymarks schauspielerische Ambitionen ins Lächerliche gezogen haben. Seine verletzenden Kommentare hinterließen tiefe Spuren.
Ähnlich erging es Laura Howard, die Barnabys Tochter Cully spielte. Als junge, ehrgeizige Schauspielerin wollte sie, dass ihre Figur eigene, spannende Handlungsstränge bekommt. Doch auch hier stieß sie auf Granit. Nettles sah jede Ausweitung des Privatlebens als Ablenkung vom Kern der Serie: dem Mord. Die unterschiedlichen Generationen und Arbeitsansätze – Howards Wunsch zu experimentieren gegen Nettles’ Beharren auf dem Altbewährten – schufen eine explosive Mischung. Er soll ihre Figur als „zu künstlich“ und überflüssig abgetan haben.
Diese Berichte werfen ein düsteres Licht auf eine der erfolgreichsten Krimiserien der Welt. Sie enthüllen, dass die Harmonie, die auf dem Bildschirm zelebriert wurde, eine reine Illusion war. Stattdessen herrschte ein Klima des Misstrauens und des Konflikts, dominiert von einem Hauptdarsteller, der keine Abweichung von seiner Vision duldete. Die Idylle von Midsomer war hart erkauft – mit dem emotionalen Wohlbefinden und den Karriereträumen seiner Kollegen. Die Geschichte hinter „Inspector Barnaby“ ist somit selbst ein Krimi: die Geschichte eines Mannes, der auf dem Bildschirm für Gerechtigkeit sorgte, aber hinter der Kamera seine eigene Form von unnachgiebiger Kontrolle ausübte. Es ist eine ernüchternde Erinnerung daran, dass selbst in den malerischsten Winkeln die menschlichen Abgründe am tiefsten sein können.