Andrea Kiewel: „ZDF-Fernsehgarten“-Star macht Diagnose öffentlich. Welche Krankheit belastet die beliebte Moderatorin, und wie geht sie mit den Herausforderungen ihres neuen Lebensabschnitts um?
Andrea Kiewel – Zwischen Frohnatur und Hypochondrie: Die verborgene Angst der Fernsehgarten-Moderatorin
Es gibt Menschen, die wirken wie ein Sonnenschein, als könnten sie die dunklen Wolken des Alltags einfach vertreiben. Andrea Kiewel gehört zweifellos zu ihnen. Seit Jahrzehnten steht die 60-Jährige als Moderatorin im Rampenlicht, und vor allem in den Sommermonaten ist sie für Millionen Zuschauer*innen ein Fixpunkt: Jeden Sonntag strahlt sie im ZDF-„Fernsehgarten“ in die Kamera, winkt, lacht, singt und tanzt mit den Gästen. Die gute Laune scheint ihr Lebenselixier zu sein, das sie großzügig an das Publikum verteilt.
Doch hinter den Kulissen sieht es anders aus. Was nach grenzenloser Fröhlichkeit wirkt, ist in Wahrheit oft ein sorgfältig gepflegtes Schutzschild. Denn Andrea Kiewel leidet seit Jahren unter Hypochondrie – einer psychischen Erkrankung, die Betroffene überzeugt, krank zu sein oder bald zu erkranken, selbst wenn ärztlich nichts gefunden wird.
„Ich sehe sofort Symptome bei mir“
In einem Beitrag für die Jüdische Allgemeine sprach Kiewel kürzlich erstaunlich offen über ihre Sorgen. „Ich höre von einer seltenen Entzündung im Auge und sehe augenblicklich schlechter“, erzählt sie. „Alles, was sich innen und außen im und am Körper abspielen kann, stelle ich umgehend an mir selbst fest und sorge mich schrecklich.“
Was für Außenstehende fast absurd klingt, ist für Hypochonder bittere Realität: Der Körper wird zur Bühne der Angst. Ein kleiner Schmerz wird zum Vorboten von Krebs, ein Kratzen im Hals zur Ankündigung einer unheilbaren Krankheit. Der Alltag wird so zum ständigen Alarmzustand.
Das Erbe der Kindheit
Woher kommt diese Angst? Kiewel selbst vermutet, dass die Wurzeln in ihrer Kindheit liegen. In ihrem Elternhaus war Krankheit ein Tabu. „Meine Eltern gingen auch noch mit 39,5° Fieber zur Arbeit“, erinnert sie sich. „Ich moderierte meine Fernsehshow mit Angina, diversen Mittelohrentzündungen und sogar mit Mumps.“
Statt Fürsorge und Erholung gab es eine klare Devise: „Wir jammern nicht.“ Kranksein wurde nicht ernst genommen, sondern weggeschoben – und diese Haltung hat sich tief in die Psyche der Tochter eingebrannt. Wer schon als Kind lernt, dass Schwäche nicht sein darf, wird als Erwachsener umso sensibler für jedes vermeintliche Signal des Körpers.
Zwischen Pflichtbewusstsein und Selbstzerstörung
Dass Andrea Kiewel trotzdem immer wieder auf die Bühne ging, auch wenn es ihr gesundheitlich miserabel ging, ist ein Teil dieser erlernten Strategie. Das Publikum durfte ihre Schwäche nicht sehen, die Show musste weitergehen. „Ich habe das übernommen, was mir vorgelebt wurde“, sagt sie.
Doch Ärzte warnen: Dieses Verhalten ist nicht nur psychisch belastend, sondern auch körperlich gefährlich. Wer den Körper nicht ernst nimmt, riskiert Langzeitschäden. Gerade Infektionen wie eine verschleppte Grippe oder eine Angina können auf Herz oder Gelenke schlagen.
Hypochondrie – ein stilles Leiden
Während Depressionen oder Burnout inzwischen breit diskutiert werden, haftet Hypochondrie noch immer ein Stigma an. Viele tun sie als „Einbildung“ ab, als Übertreibung. Doch die Betroffenen leiden real – unter Angst, Panikattacken, Schlafstörungen. Das permanente Kreisen um Symptome raubt Lebensqualität, Partnerschaften und soziale Kontakte.
„Für Fans ist es schwer vorstellbar, dass Andrea Kiewel solche Ängste verspürt“, sagt die Psychologin Dr. Lena Hoffmann. „Sie verkörpert in der Öffentlichkeit die Frohnatur, die Optimistin. Aber gerade Menschen, die privat unter Sorgen leiden, entwickeln nach außen oft ein besonders sonniges Image. Es ist wie eine zweite Haut.“
Der Blick nach vorn: Gesundheit als Projekt
Kiewel hat begonnen, umzudenken. Statt Symptome panisch zu googeln, versucht sie, ihre Ängste zu konfrontieren und gleichzeitig realistisch für ihre Gesundheit zu sorgen. Jüngst reiste sie nach Tel Aviv ins Schical Center, eine auf Langlebigkeit spezialisierte Klinik. Dort ließ sie umfassende Tests und Messungen durchführen – Blutanalysen, Fitness-Checks, Screening des biologischen Alters.
„Ich wollte wissen, wie es um meinen Körper wirklich steht“, sagt Kiewel. „Wenn ich die Fakten kenne, dann kann ich auch die irrationale Angst besser in Schach halten.“
Zwischen Israel und Mainz – zwei Heimaten
Die Reise nach Tel Aviv hat für Andrea Kiewel eine doppelte Bedeutung. Zum einen lebt sie seit vielen Jahren zwischen Israel und Deutschland, pendelt zwischen Tel Aviv und Mainz. Zum anderen gibt ihr die jüdische Gemeinschaft dort Kraft und Halt. „Mein Glaube und die Verbindung nach Israel sind für mich eine Quelle der Stärke“, erklärt sie.
Doch auch am Mittelmeer begleitet sie die Hypochondrie. Die Angst reist mit – mal laut, mal leise. Es gibt Tage, an denen sie verschwindet, und Tage, an denen sie alles überschattet.
Eine Botschaft an ihr Publikum
Dass Andrea Kiewel nun so offen über ihre Krankheit spricht, ist mehr als eine persönliche Beichte. Es ist ein Signal. „Ich weiß, dass viele Menschen so sind wie ich“, sagt sie. „Sie trauen sich nur nicht, darüber zu reden.“ Indem sie ihr Schweigen bricht, gibt sie anderen die Erlaubnis, das eigene Leiden ernst zu nehmen.
Denn Hypochondrie betrifft nicht nur Prominente. Studien zufolge leiden bis zu fünf Prozent der Bevölkerung in Deutschland an der Störung – Tendenz steigend. Besonders in Zeiten von Pandemien und medialer Dauerpräsenz von Gesundheitsthemen können Ängste eskalieren.
Ein Leben im Spagat
Für Andrea Kiewel bleibt das Leben ein Balanceakt. Auf der einen Seite die Pflicht, das Publikum zu unterhalten, auf der anderen Seite der Kampf mit den eigenen Dämonen. Mal gelingt er, mal nicht. Doch sie arbeitet daran – und das macht sie verletzlich und stark zugleich.
„Ich werde nie die Frau sein, die völlig angstfrei lebt“, sagt sie. „Aber ich möchte die Frau sein, die trotz ihrer Ängste weiterlacht.“
Und so wird sie auch kommenden Sonntag wieder im „Fernsehgarten“ stehen, die Arme ausbreiten, die Zuschauer begrüßen. Millionen sehen die strahlende Andrea Kiewel. Nur wenige ahnen, dass hinter dem Lächeln eine Frau steht, die lernen musste, dass wahre Stärke nicht im Verdrängen liegt, sondern im Eingeständnis der eigenen Schwäche.