Letzter Moment von Martin Feistl – Free Solo an der 270-Meter-Wand mit tragischem Ende. Was geschah in den letzten Augenblicken dieses waghalsigen Kletterers, und welche fatalen Entscheidungen führten zu seinem Schicksal?

Letzter Moment von Martin Feistl – Free Solo an der 270-Meter-Wand mit tragischem Ende. Was geschah in den letzten Augenblicken dieses waghalsigen Kletterers, und welche fatalen Entscheidungen führten zu seinem Schicksal?

Der letzte Griff: Das kurze, kompromisslose Leben des Martin Feistel

Von unserer Redaktion

Es war ein Tag wie viele andere im Mai 2024, sonnig, klar, mit einem leichten Wind, der über die Hänge des Wettersteinmassivs strich. Doch für den Alpinisten Martin Feistel, gerade einmal 27 Jahre alt, endete an diesem Tag eine Geschichte, die noch so viele Kapitel hätte haben können. Ein Sturz an der Scharnitzspitze – frei, ohne Seil, ohne Sicherung – setzte seinem Leben ein abruptes Ende. Für die einen war es ein tragischer Unfall, für andere die letzte Konsequenz eines Mannes, der Alpinismus radikal ernst nahm.

Ein Kind der Berge

Martin Feistel stammte aus Dießen am Ammersee, einer Landschaft, die zugleich sanft und von den nahen Alpen geprägt ist. Dort, wo die Wiesen in die ersten Hügel übergehen und am Horizont die Konturen der Berge aufragen, entdeckte er früh seine Leidenschaft für den Fels. Schon als Jugendlicher war er am liebsten draußen, suchte den Kontakt zum Stein, zum Klettern – erst spielerisch, bald mit wachsender Ernsthaftigkeit.

Freunde beschreiben ihn als ruhig, zurückhaltend, fast asketisch. „Er war keiner, der laut auftrat oder sich in den Mittelpunkt drängte“, erinnert sich ein früher Weggefährte. „Aber wenn es um den Berg ging, dann war da eine innere Stärke, die ihn immer weitertrieb, wo andere längst umkehrten.“

Der Weg in die Elite

Diese Konsequenz blieb nicht unbemerkt. Schon früh wurde Feistel in den Expeditionskader des Deutschen Alpenvereins aufgenommen, eine Art Eliteschule für junge Alpinisten. Von 2016 bis 2018 lernte er dort nicht nur Techniken für extreme Routen, sondern vor allem Entscheidungen zu treffen – Entscheidungen, die oft zwischen Triumph und Katastrophe unterschieden.

Er reiste nach Indien, wo er den Shivling, einen gefürchteten Sechstausender, erlebte. Er kletterte in den Alpen Routen, die nur wenigen vorbehalten waren. Und er entwickelte eine Haltung, die ihn fortan prägen sollte: Alpinismus bedeutete für ihn Reduktion. Keine überflüssige Technik, keine Bohrhaken, kein unnötiger Komfort. „Ehrlich klettern“, sagte er einmal in einem seltenen Interview. „Nur du, dein Körper, dein Wille – und der Berg.“

Ein kompromissloser Stil

Nach seiner Kaderschulung ging Feistel eigene Wege. Er suchte Linien, die roh und unberührt waren. Zusammen mit Partnern wie David Bruder oder Simon Gietl eröffnete er schwierige Erstbegehungen. Die Route Stalingrad an der Grubenkarspitze, im Alpinstil ohne Bohrhaken eröffnet, machte international Schlagzeilen. Ebenso wie 24 Hours of Freedom, eine Tour, die Länge, Schwierigkeit und Ernsthaftigkeit vereinte.

2023 segelte er nach Grönland, um im Mythic Cirque neue Linien zu eröffnen – nicht per Flugzeug, sondern bewusst klimafreundlich per Zug und Segelboot. Für ihn war das mehr als ein Abenteuer. Es war ein Bekenntnis: Bergsteigen bedeutet Verantwortung, auch gegenüber der Natur.

Abseits des Rampenlichts

Anders als viele seiner Zeitgenossen suchte Martin Feistel nie das Rampenlicht. Er war kein Star auf Instagram, kein Gesicht großer Sponsoren. Statt Selfies und Posts ließ er seine Linien sprechen. In einer Zeit, in der Aufmerksamkeit oft wichtiger scheint als Leistung, war er der stille Purist, der lieber einen neuen Weg am Fels eröffnete, als vor der Kamera zu posieren.

Gerade dieses Understatement machte ihn in der Szene zu einer Ausnahmegestalt. Für Bewunderer war er ein Idealist, ein Mahner, der an die Wurzeln des Alpinismus erinnerte. Kritiker hingegen nannten ihn risikobereit, manchmal sogar verantwortungslos. Doch niemand konnte bestreiten, dass er konsequent lebte, was er sagte.

Der letzte Tag

Am 18. Mai 2024 stand die Sonne über der Scharnitzspitze. Ein klarer Frühsommertag, fast friedlich. Für Martin Feistel war es die Bühne seines letzten Auftritts. Er wählte die Südwand – vertraut, bekannt, aber anspruchsvoll. Kein exotisches Ziel in fernen Ländern, kein medienwirksames Projekt. Nur er selbst und der Berg.

Free Solo war für ihn kein Mutbeweis, sondern eine Haltung. „Es ist wie ein Gespräch mit dem Fels, ohne Übersetzer“, soll er einmal gesagt haben. Jeder Griff, jeder Tritt endgültig. Kein Zurück, kein Netz. Für Außenstehende eine unnötige Gefahr, für ihn die reinste Form der Freiheit.

Gegen Mittag beobachtete zufällig ein Bergretter, wie Feistel in der Wand hing. Wenige Minuten später war alles vorbei. Ein Ausrutscher, ein Stein, vielleicht nur ein Augenblick der Müdigkeit – und der Abgrund tat sich auf. Die Hilfe kam sofort, doch zu spät.

Reaktionen einer Szene

Die Nachricht verbreitete sich in Windeseile. Schon wenige Stunden später würdigte der Deutsche Alpenverein ihn als einen Alpinisten, „der die Reinheit des Kletterns verkörperte“. Internationale Fachmagazine erinnerten an seine Routen, von Stalingrad bis Aura. In sozialen Netzwerken mischten sich Trauer und Ungläubigkeit.

Doch bald begann auch die Debatte. War es mutig oder verantwortungslos, allein und ohne Seil an die Scharnitzspitze zu gehen? Welche Botschaft sendet so ein Handeln an junge Bergsteiger? Kritiker warnten vor Verherrlichung. Bewunderer entgegneten, Feistel habe niemanden gefährdet außer sich selbst – und sei damit bis zuletzt konsequent seiner Freiheit treu geblieben.

Zwischen Bewunderung und Warnung

Unabhängig von der Bewertung bleibt eines: Martin Feistel hinterließ Spuren. Seine Erstbegehungen, sein ökologisches Bewusstsein, seine kompromisslose Haltung machten ihn zu einer Figur, die über das Klettern hinaus Bedeutung hat.

Er stellte Fragen, die er nicht theoretisch beantwortete, sondern mit seinem Leben: Wie weit darf man gehen, wenn Leidenschaft und Risiko ineinander greifen? Wo endet Freiheit und wo beginnt Verantwortung? Antworten darauf bleiben offen, so offen wie die Berge selbst.

Ein Vermächtnis

Martin Feistel war erst 27 Jahre alt, als sein Weg endete. Doch in dieser Kürze liegt eine Wucht, die bleibt. Seine Routen – Stalingrad, 24 Hours of Freedom, Aura – stehen nicht nur für Leistung, sondern für Haltung. Sie sind Symbole eines Alpinismus, der Mut, Reinheit und Reduktion verbindet.

Für Freunde und Weggefährten bleibt die Lücke, die er hinterlässt, schmerzhaft. „Er war einer, der uns immer daran erinnerte, warum wir klettern“, sagt ein Kollege. „Nicht für Ruhm, nicht für Likes – sondern für den Berg selbst.“

In der breiteren Öffentlichkeit hingegen beginnt erst allmählich das Bewusstsein, dass hier jemand ging, der anders lebte. Still, beharrlich, unbeirrbar.

Der letzte Griff – und was bleibt

Die Erinnerung an Martin Feistel spaltet bis heute. Für die einen ist er ein Vorbild, für die anderen ein warnendes Beispiel. Vielleicht liegt seine Wahrheit genau in diesem Spannungsfeld. Er zeigte, dass Freiheit und Gefahr untrennbar verbunden sind.

Sein letzter Moment war ein Ende, doch sein Vermächtnis ist ein Anfang – für Erinnerungen, Gespräche, Debatten. Die Scharnitzspitze wurde damit nicht nur zum Ort einer Tragödie, sondern auch zu einem Symbol für die Frage, wie weit ein Mensch für seine Überzeugung gehen darf.

Die größten Sterne, sagt man, verglühen am hellsten. Martin Feistel suchte nie das Rampenlicht. Doch sein kurzer, kompromissloser Weg erhellt eine ganze Szene – und lässt uns zurück mit der ewigen Frage nach dem Wesen der Freiheit.

Related Posts

Our Privacy policy

https://newslitetoday.com - © 2025 News