Massen-Notfall im Festival-Schlamm: Die dramatische Bilanz des Summer Breeze – 3.800 Behandlungen, 87 Krankenhaus-Einweisungen
Die Bässe dröhnen über die weiten Felder bei Dinkelsbühl, Zehntausende Metal-Fans in schwarzen T-Shirts recken die Fäuste in die Luft, der Geruch von Bier und Grillgut liegt in der Luft. Das Summer Breeze Open Air ist in vollem Gange, eine viertägige Utopie für Liebhaber harter Gitarrenriffs. Doch während auf den Bühnen die Idole gefeiert werden, spielt sich nur wenige hundert Meter entfernt, hinter den Kulissen der unbeschwerten Party, ein stilles Drama ab. Hier, in den Sanitätszelten des Malteser Hilfsdienstes, blinken keine Stroboskope, sondern die Monitore von medizinischen Geräten. Hier kämpfen Hunderte von ehrenamtlichen Helfern im 12-Stunden-Takt um die Gesundheit der Feiernden. Und für 87 von ihnen endet das Festival nicht mit dem letzten Akkord der Headliner, sondern vorzeitig im Schockraum eines Krankenhauses.
Die Bilanz, die die Einsatzkräfte nach dem Festival ziehen, ist ebenso beeindruckend wie erschreckend und wirft ein Schlaglicht auf die verborgene Realität hinter Deutschlands größten Musikfestivals. Rund 3.800 Mal mussten die Sanitäter Hilfe leisten. Eine Zahl, die die Dimensionen dieses Einsatzes erahnen lässt. Was auf dem Festivalgelände wie ein einfaches Erste-Hilfe-Zelt aussieht, ist in Wahrheit eine hochprofessionelle, kleine Klinik, die für den Ausnahmezustand konzipiert ist. 400 Einsatzkräfte der Malteser, unterstützt von Johannitern und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), arbeiteten unermüdlich, um den Ansturm zu bewältigen. 14 Einsatzfahrzeuge standen bereit, um im Ernstfall schnell reagieren zu können.
Und der Ernstfall trat ein. Immer wieder. Der dramatischste Vorfall ereignete sich auf dem Campingplatz, wo eine Person erfolgreich wiederbelebt werden musste – ein Kampf um Leben und Tod, während nebenan die Party weiterging. Für 87 weitere Patienten war die Lage so ernst, dass eine Behandlung vor Ort nicht ausreichte. Sie mussten in die umliegenden Krankenhäuser transportiert werden. Ihre Diagnosen sind ein Spiegelbild der extremen Bedingungen, denen die Besucher ausgesetzt waren.
Das Wetter allein war ein unberechenbarer Gegner. Auf sengende Sonnentage, die zu Hitzschlägen und schweren Sonnenbränden führten, folgten Nächte mit sintflutartigen Regenfällen und empfindlicher Kälte. Der Boden verwandelte sich in eine knöcheltiefe Schlammwüste. Die Folge: Unzählige Stürze, die zu Verstauchungen, Zerrungen und Knochenbrüchen führten. Gleichzeitig litten viele unterkühlte und durchnässte Besucher an Kreislaufproblemen. „Das Wetter war eine enorme Belastung für die Körper der Festivalgänger“, erklärt Einsatzleiter Danny Wesp von den Maltesern.
Hinzu kamen die typischen Festival-Wehwehchen, die sich bei einer solchen Masse an Menschen schnell zu einem ernsthaften Problem auswachsen können. Schnittwunden durch Dosen oder zerbrochenes Glas, Insektenstiche, die allergische Reaktionen auslösten, und nicht zuletzt die Folgen von übermäßigem Alkohol- und Drogenkonsum, die die Notaufnahmen der Zelte füllten. Auch vorerkrankte Menschen, wie Diabetiker, die im Partytrubel ihre Medikation vernachlässigten, wurden zu Notfällen.
Die Arbeit der Sanitäter ist ein unermüdlicher Kampf an allen Fronten. Während sie in einem Zelt eine tiefe Wunde nähen, müssen sie im nächsten Moment einen Patienten mit einer Alkoholvergiftung betreuen und gleichzeitig den Transport eines gestürzten Fans organisieren. „Die Lage ist anspruchsvoll, aber für ein Festival dieser Größenordnung leider Routine“, so Wesp. Doch hinter dieser professionellen Nüchternheit verbergen sich unzählige Geschichten von engagierten Helfern, die ihren Urlaub opfern, um für die Sicherheit anderer zu sorgen. Sie sind die stillen Helden des Festivals, deren Arbeit oft unsichtbar bleibt, aber überlebenswichtig ist.
Für die 87 Patienten, die im Krankenhaus landeten, ist das Summer Breeze 2025 eine Erinnerung, die schmerzt. Ihr Traum von einem unbeschwerten Wochenende voller Musik zerplatzte abrupt. Ihre Geschichte ist eine Mahnung, dass die Freiheit und die Ekstase eines Festivals immer auch eine Kehrseite haben. Sie zeigt, wie schnell der schmale Grat zwischen ausgelassener Feier und medizinischem Notfall überschritten werden kann, besonders wenn die äußeren Umstände so herausfordernd sind.
Die beeindruckenden Zahlen des Sanitätsdienstes sind daher mehr als nur eine statistische Zusammenfassung. Sie sind ein Zeugnis für die immense Verantwortung, die auf den Schultern der Veranstalter und der ehrenamtlichen Hilfsorganisationen lastet. Sie beweisen, dass ein Festival wie das Summer Breeze ohne diesen gigantischen medizinischen Apparat im Hintergrund undenkbar und unverantwortlich wäre. Während die Fans also bereits vom nächsten Jahr träumen, packen die 400 Helfer ihre Ausrüstung zusammen – müde, aber mit dem Wissen, dass sie Schlimmeres verhindert haben. Sie sind das unsichtbare Sicherheitsnetz, das es erst ermöglicht, dass Zehntausende im Schlamm tanzen und für ein paar Tage dem Alltag entfliehen können.