„Ruf mich bitte zurück“: Die letzte, verzweifelte Sprachnachricht von Daniel Küblböck enthüllt die Tragödie seiner letzten Stunden
Sieben Jahre. Sieben lange Jahre voller Spekulationen, ungelöster Fragen und der stillen Trauer um einen der schillerndsten und zugleich tragischsten Figuren der deutschen Popkultur. Seit dem 9. September 2018 ist Daniel Küblböck verschwunden, verschluckt vom eiskalten Atlantik vor der Küste Neufundlands. Doch nun, anlässlich seines 40. Geburtstags, durchbricht eine neue ARD-Dokumentation das Schweigen und enthüllt ein Detail, das an Herzzerreißendem kaum zu überbieten ist: die vermutlich letzte Sprachnachricht, die Daniel Küblböck von Bord des Kreuzfahrtschiffes an einen Vertrauten schickte. Es ist ein kurzes, aufgewühltes Tondokument, das wie ein letzter, verzweifelter Hilferuf aus einem Abgrund der Seele klingt und mit einer flehenden Bitte endet: „Ruf mich doch bitte zurück.“
Diese wenigen Worte, nun erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, werfen ein neues, schmerzhaftes Licht auf die letzten Stunden im Leben des Mannes, der als Paradiesvogel bei „Deutschland sucht den Superstar“ bekannt wurde, aber als gebrochene Seele von dieser Welt ging. Die Nachricht, die an seinen Ex-Partner Manuel Pilz gerichtet war, mit dem er auch nach der Trennung noch in freundschaftlichem Kontakt stand, ist ein Zeugnis seines inneren Kampfes, seiner Zerrissenheit und seiner tiefen Verzweiflung an Bord jenes Schiffes, das seine letzte Reise werden sollte.
„Hallo Manni, ich bin’s der Daniel, äh, also die Lana eigentlich“, beginnt er die Nachricht. Schon dieser erste Satz ist eine Offenbarung. Die kurze Pause, die Korrektur von „Daniel“ zu „Lana“, unterstreicht auf tragische Weise den Identitätskampf, den er führte. Kurz vor seinem Verschwinden identifizierte sich Küblböck als Transfrau und lebte unter dem selbstgewählten Namen Lana Kaiser – ein Aspekt seines Lebens, der der breiten Öffentlichkeit damals kaum bekannt war. Die Nachricht zeigt einen Menschen, der buchstäblich zwischen den Namen, zwischen den Identitäten gefangen ist.
Dann folgt die klare, alarmierende Aussage: „Ich wollte dir nur sagen, dass ich gern von diesem Schiff hier runter möchte. Ich würde gern nach New York fliegen. Auf dem Schiff klappt irgendwie nichts, wie ich es mir…“ Der Satz bricht ab. Was genau nicht „klappte“, bleibt ungesagt, doch die Hoffnungslosigkeit in seiner Stimme ist greifbar. War es die Einsamkeit an Bord? Waren es Konflikte? Oder war es der innere Druck, der auf dem unendlich weiten Ozean unerträglich wurde? Die Sprachnachricht ist kein Abschiedsbrief, sondern ein Fluchtplan. Ein letzter Versuch, dem Unheil zu entkommen, das er auf sich zukommen fühlte. Und dann, am Ende, dieser eine Satz, der heute wie ein Dolchstoß ins Herz der Zuhörer wirkt: „Ruf mich doch bitte zurück.“ Es ist die Bitte um Verbindung, um ein rettendes Gespräch, um eine helfende Hand in letzter Sekunde. Ein Rückruf, der ihn vielleicht hätte retten können, der aber in der Stille des Ozeans verhallte.
Die Enthüllung dieser Nachricht verleiht den bekannten, kalten Fakten seines Verschwindens eine neue, zutiefst menschliche Dimension. Wir wissen, dass eine Überwachungskamera auf der AIDAluna an jenem Morgen aufzeichnete, wie eine Person über Bord sprang. Wir wissen, dass die intensive Suche erfolglos blieb und er 2021 offiziell für tot erklärt wurde. Die Behörden gingen von Suizid aus. Doch die Sprachnachricht zeigt, dass es in den Stunden zuvor noch einen Funken Hoffnung, einen Willen zur Flucht gab.
Um die Tragik dieser letzten Worte zu verstehen, muss man auf das Leben zurückblicken, das ihnen vorausging. Daniel Küblböck war erst 17, als er 2002 die Bühne der ersten DSDS-Staffel betrat. Mit seiner schrillen Art, seiner Zahnspange und seinem unbändigen Willen, anders zu sein, spaltete er die Nation. Er wurde zum Publikumsliebling und zur Hassfigur zugleich, erreichte den dritten Platz, sah sich aber auch einem unerbittlichen Spott und teils offenem Hass ausgesetzt. Er war der Paradiesvogel, der in den noch jungen, gnadenlosen Mechanismus der Castingshows geraten war.
Er versuchte, sich eine Karriere als Sänger und Entertainer aufzubauen, doch das Label des „bunten Hundes“ von DSDS wurde er nie ganz los. In seinen letzten Lebensjahren zog er sich zunehmend zurück, begann eine Ausbildung an einer Schauspielschule, wo er sich Berichten zufolge gemobbt fühlte. Er kämpfte um Anerkennung als ernsthafter Künstler und gleichzeitig um seine eigene Identität. Die Transformation zu Lana Kaiser war der mutige Schritt, endlich die Person zu werden, die er immer in sich gefühlt hatte. Doch dieser Weg war offenbar von unvorstellbaren Qualen begleitet.
Die neue ARD-Dokumentation „Die Küblböck-Story – Eure Lana Kaiser“ verspricht, diese „unentdeckten Seiten“ zu beleuchten und seiner queeren und transgeschlechtlichen Identität den Raum zu geben, der ihr zu Lebzeiten oft verwehrt blieb. Die Sprachnachricht ist der erschütternde Kern dieser Neubetrachtung. Sie ist der letzte Beweis, dass hinter der öffentlichen Figur Daniel Küblböck ein verletzlicher Mensch namens Lana stand, der um sein Leben und seine Identität kämpfte.
Diese letzten Worte sind mehr als nur eine Fußnote in einer tragischen Geschichte. Sie sind eine Mahnung. Eine Mahnung, wie brutal die Unterhaltungsindustrie sein kann und wie einsam ein Leben im Rampenlicht machen kann. Sie sind ein Zeugnis für den Schmerz, der entsteht, wenn man nicht die Person sein darf, die man wirklich ist. Und sie sind der herzzerreißende letzte Ton in der unvollendeten Symphonie eines Lebens, das viel zu früh endete. Der letzte Wunsch von Daniel Küblböck alias Lana Kaiser war ein einfacher Anruf. Ein Wunsch, der unerfüllt blieb.