„Warum die Rolling Stones nicht zur Beerdigung von Charlie Watts gingen – eine schockierende Entscheidung, die viele Fans und die Medien spaltete.“
Am 24. August 2021 hielt die Musikwelt den Atem an. Charlie Watts, der stoische Herzschlag der Rolling Stones, der Gentleman hinter dem Schlagzeug, war im Alter von 80 Jahren verstummt. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer und löste eine Welle der Trauer aus. Mick Jagger, Keith Richards und Ronnie Wood, seine musikalischen Brüder seit fast sechs Jahrzehnten, veröffentlichten herzzerreißende öffentliche Tribute. Doch als Watts in einer kleinen, privaten Zeremonie in Devon beigesetzt wurde, glänzten die schillerndsten Rockstars der Welt durch Abwesenheit. Die Welt war fassungslos. Hatte ein unüberbrückbarer Riss die legendäre Band in ihrer dunkelsten Stunde zerrissen? Die Spekulationen schossen ins Kraut, doch die Wahrheit ist weitaus komplexer, tragischer und letztlich ein Zeugnis tiefsten Respekts.
Charlie Watts war nie ein typischer Rockstar. Während seine Bandkollegen die Exzesse des Ruhms auslebten, war er der ruhige Anker, der Fels in der Brandung. Ein Jazzliebhaber, ein treuer Ehemann, ein Mann von unerschütterlicher Würde. Er war das stille Gegengift zum lauten Chaos, das die Rolling Stones verkörperten. Doch auch sein Leben war nicht frei von Stürmen. Mitte der 1980er Jahre durchlebte er eine schwere Midlife-Crisis, kämpfte mit Suchtproblemen, die ihn fast seine Ehe gekostet hätten. Doch er fand zurück, eroberte sich sein Leben zurück und festigte seinen Ruf als der unerschütterliche Taktgeber der größten Rock’n’Roll-Band der Welt.
Als die Nachricht von seinem Tod eintraf, schien es selbstverständlich, dass seine Bandkollegen an vorderster Front trauern würden. Und das taten sie – öffentlich. Mick Jaggers Social-Media-Kanäle zeigten ein strahlendes Foto eines lachenden Charlie. Keith Richards postete das Bild eines leeren Schlagzeugs mit einem „Closed“-Schild. Die offizielle Website der Band wurde für zehn Tage zu einem digitalen Schrein, der nur ein einziges, würdevolles Schwarz-Weiß-Porträt von Watts zeigte. Die Welt sah die Liebe, den Schmerz, die Verbundenheit. Umso größer war der Schock, als bekannt wurde, dass keiner von ihnen bei der Beerdigung anwesend war.
Die Erklärung für dieses scheinbare Paradoxon ist keine Geschichte von Gleichgültigkeit, sondern von herzzerreißender Realität. Zum Zeitpunkt von Watts’ Tod befand sich die Band in Boston, mitten in den letzten, fieberhaften Proben für ihre verschobene „No Filter“ US-Tournee. Eine Rolling-Stones-Tour ist keine einfache Konzertreihe; es ist eine gigantische, minutiös geplante Militäroperation. Hunderte von Crewmitgliedern, eine Armada von Lastwagen, Verträge in Millionenhöhe – das alles war bereits in Bewegung. Ein plötzlicher Stopp hätte einen katastrophalen Dominoeffekt ausgelöst, nicht nur finanziell, sondern auch menschlich. Nach der langen, lähmenden Pause durch die Pandemie fühlte die Band eine immense moralische Verantwortung gegenüber ihrer Crew, deren Lebensunterhalt von dieser Tour abhing.
Hinzu kam die unüberwindbare Hürde der globalen Gesundheitskrise. Im August 2021 machten strenge internationale COVID-19-Reisebeschränkungen einen schnellen Trip von den USA nach Großbritannien und zurück praktisch unmöglich. Zwingende Quarantänevorschriften hätten eine Abwesenheit von zwei bis drei Wochen bedeutet – ein Ding der Unmöglichkeit inmitten der kritischsten Phase der Tourvorbereitungen. Die Band steckte in einer Zwickmühle, gefangen zwischen persönlicher Trauer und unerbittlicher professioneller Pflicht.
Doch der wichtigste und tiefgreifendste Grund für ihre Abwesenheit lag im Wesen von Charlie Watts selbst. Er war ein zutiefst privater Mann, der den Medienrummel verabscheute und seine Anonymität schätzte. Eine Beerdigung mit Mick Jagger, Keith Richards und Ronnie Wood wäre unweigerlich zu einem globalen Medienspektakel verkommen. Paparazzi, Fernsehkameras und Heerscharen von Fans hätten diesen intimen Moment des Abschieds für seine Familie in einen Zirkus verwandelt.
In einem paradoxen Akt der Liebe entschieden sich seine Bandkollegen, fernzubleiben. Ihre Abwesenheit war kein Zeichen der Distanz, sondern der ultimative Akt des Schutzes. Sie wussten, dass Charlie eine leise, würdevolle Verabschiedung gewollt hätte, umgeben nur von seinen engsten Angehörigen. Indem sie wegblieben, schenkten sie ihm und seiner Familie genau das: Frieden.
Ihre Trauer fand stattdessen einen anderen, weitaus lauteren Kanal. Die „No Filter“-Tour wurde zu einer globalen, rollenden Gedenkfeier für Charlie Watts. Jedes einzelne Konzert begann mit seinem unverkennbaren Schlagzeugbeat, während auf den riesigen Leinwänden ein Video-Tribut mit Bildern aus seinem Leben lief. Die Band stand dann auf einer verdunkelten Bühne, in einem Moment stillen Gedenkens, bevor der erste Akkord erklang. Mick Jagger widmete ihm Abend für Abend die Show, sprach von seiner Liebe und seinem Verlust. Das ikonische Zungen-Logo der Band wurde für die Dauer der Tournee in Schwarz-Weiß gehüllt. Die Auftritte selbst waren von einer neuen, rohen Emotionalität durchdrungen, jeder Song ein Salut an den Mann, der fast 60 Jahre lang ihr Fundament gewesen war.
Die Rolling Stones trauerten nicht an einem stillen Grab in Devon. Sie trauerten öffentlich, auf der Bühne, im Angesicht von Millionen von Fans. Sie verwandelten ihren Schmerz in Musik und machten die Tournee zu einem weltweiten Denkmal für ihren Freund und Bruder. Es war eine Entscheidung, die aus einer unmöglichen Situation geboren wurde – eine herzzerreißende Wahl zwischen privater Trauer und öffentlicher Pflicht, aber letztlich eine, die von tiefem Respekt und einer Liebe geprägt war, die über den Tod hinausgeht.