Ein Mann, der seit fast einem halben Jahrhundert die deutsche Fernsehlandschaft prägt wie kaum ein anderer. Ein Showmaster, dessen Name ein Synonym für unbeschwerte Samstagabend-Unterhaltung, lockige Mähne und extravagante Outfits ist. Thomas Gottschalk, 74 Jahre alt, eine lebende Legende. Doch nun, im Spätherbst seiner glanzvollen Karriere, sorgt dieser Mann für einen politischen Paukenschlag, der die Grundfesten der öffentlichen Debatte in Deutschland erschüttert. Mit zwei einfachen Sätzen hat er ein Tabu gebrochen, das in der Welt der Prominenz als unantastbar galt, und eine Lawine losgetreten, die weit über die Grenzen des Showbusiness hinausrollt.

“Mein Gott, ich stelle mich nie daran, wenn Leute mich toll finden, egal aus welcher Ecke sie kommen.” Dieser Satz, gefallen in einem Interview mit dem “Bauchen Spiegel”, war nur der Auftakt. Kurz darauf legte Gottschalk im WDR-Fernsehen nach und erklärte unmissverständlich: “Ich habe nichts gegen AfD-Wähler.” In einer Zeit, in der sich Prominente, Künstler und Journalisten gegenseitig darin überbieten, klare Kante gegen die Alternative für Deutschland zu zeigen, sind diese Worte eine Provokation, ein Akt des zivilen Ungehorsams. Es ist nicht, wie viele Kritiker sofort unterstellten, eine Wahlempfehlung für die AfD. Es ist etwas viel Grundsätzlicheres: eine Verteidigung der Demokratie selbst.
Gottschalk, der nach eigenen Worten “nichts mehr zu verlieren” hat, spricht aus, was viele Menschen in Deutschland denken, aber aus Angst vor sozialer und beruflicher Ächtung nicht mehr zu sagen wagen. Er entlarvt die grassierende Heuchelei einer Gesellschaft, in der Meinungsfreiheit zwar als höchstes Gut gepriesen, aber in der Praxis immer weiter eingeschränkt wird. Er rechnet ab mit der “Cancel Culture”, einer Kultur der Auslöschung und des Schweigens, die seiner Meinung nach “das Fernsehen zerstört hat”. Er erinnert sich an Zeiten, in denen er im Fernsehen frei von der Leber weg reden konnte, ohne dass jedes Wort auf die Goldwaage gelegt und ihm im Mund verdreht wurde. Heute, so gibt er zu, überlegt er sich oft zweimal, ob er seine ehrliche Meinung sagt, aus Furcht vor dem Shitstorm, der unweigerlich folgen würde.
Diese Angst ist längst nicht mehr nur ein Problem der Prominenz. Sie ist tief in den Alltag der Bürger eingesickert. Lehrer, die bestimmte Themen im Unterricht meiden, um nicht in Konflikt mit aktivistischen Eltern oder der Schulleitung zu geraten. Pflegekräfte, die sich nicht trauen, die Missstände im Gesundheitssystem offen anzusprachen. Journalisten, die eine Schere im Kopf haben und sich an die vorherrschende Meinung anpassen, um ihren Job nicht zu verlieren. Gottschalks Worte sind ein Ventil für den aufgestauten Frust von Millionen, die das Gefühl haben, in ihrer eigenen Heimat nicht mehr frei sprechen zu können.

Die moralischen Maßstäbe in Deutschland haben sich verschoben. Was gestern noch eine legitime Meinung war, gilt heute als Tabu. Insbesondere die AfD wird in den öffentlich-rechtlichen Medien oft als Inbegriff des Bösen dargestellt. Diese Dämonisierung führt zu einem Klima der Verdächtigung, in dem jeder, der sich nicht explizit und lautstark von der Partei distanziert, automatisch unter Generalverdacht gerät. Gottschalk durchbricht diesen Mechanismus. Er differenziert zwischen der Kritik an bestimmten politischen Positionen der AfD und der pauschalen Verurteilung von Millionen von Wählern.
Er erkennt an, dass Menschen die AfD aus den unterschiedlichsten Gründen wählen: als Protest gegen die Politik der etablierten Parteien, aus Enttäuschung, aus Sorge um die unkontrollierte Migration, die wirtschaftliche Zukunft oder den Verlust der nationalen Identität. Diese Menschen pauschal als “rechtsradikal” oder “Nazis” abzustempeln, wie es oft geschieht, ist nicht nur intellektuell unredlich, sondern auch brandgefährlich für eine Demokratie. Es treibt einen Keil in die Gesellschaft und verhindert jeden vernünftigen Diskurs. Gottschalk erinnert uns an eine fundamentale Wahrheit: In einer Demokratie gibt es keine verbotene Wählerschaft. Jeder Bürger hat das Recht, seine Stimme abzugeben, ohne dafür an den öffentlichen Pranger gestellt zu werden.
Die Reaktionen auf Gottschalks Vorstoß zeigen, wie tief die Gräben sind. Während die einen ihn für seinen Mut feiern, verurteilen ihn die anderen als Steigbügelhalter für die “Feinde der Demokratie”. Sie werfen ihm vor, seine Popularität zu missbrauchen, um rechtspopulistisches Gedankengut zu normalisieren. Doch sie übersehen den Kern seiner Botschaft: Eine Demokratie, die den offenen Austausch von Meinungen unterdrückt, die ihre Bürger in “gut” und “böse” einteilt und die Angst als Instrument der politischen Steuerung einsetzt, ist auf dem besten Weg, sich selbst abzuschaffen.
Thomas Gottschalks Tabubruch ist daher weit mehr als die späte Laune eines alternden Showmasters. Es ist ein verzweifelter Appell zur Rettung der Debattenkultur. Ein Aufruf, wieder miteinander zu reden, anstatt übereinander. Ein Plädoyer dafür, andere Meinungen auszuhalten, auch wenn sie einem nicht gefallen. Er fordert uns alle auf, Verantwortung zu übernehmen, Narrative kritisch zu hinterfragen, dem Gegenüber zuzuhören und den Mut zu haben, die eigene Stimme zu erheben.

Die wahre Gefahr für die Demokratie geht nicht von denen aus, die unbequeme Fragen stellen, sondern von einer Gesellschaft, die von politischer Korrektheit und Angst gelähmt ist. Eine Gesellschaft, in der das Schweigen als Tugend und die offene Meinungsäußerung als Risiko gilt, hat ihre freiheitliche Seele bereits verloren. Thomas Gottschalk hat uns mit seinem mutigen Schritt daran erinnert, dass es an jedem Einzelnen von uns liegt, für diese Seele zu kämpfen. Jeden Tag aufs Neue.