Es gibt Stimmen, die eine ganze Generation prägen. Stimmen, die untrennbar mit Erinnerungen an Sonntagnachmittage, an die Geborgenheit des Elternhauses und an eine scheinbar unschuldigere Zeit verbunden sind. Die Stimme des jungen Hendrik „Heintje“ Simons war eine solche Stimme. Mit seinem glasklaren Knabensopran sang er sich ab 1967 in die Herzen von Millionen, allen voran mit der unvergesslichen Hymne „Mama“. Er war mehr als nur ein Sänger; er war ein Phänomen, ein Wunderkind, dessen Erfolg schier grenzenlos schien. Doch so kometenhaft sein Aufstieg war, so abrupt schien sein Stern zu verglühen, als die Natur unaufhaltsam ihren Lauf nahm. Die Geschichte von Heintje ist nicht nur die eines Kinderstars, sondern die eines Mannes, der den Gipfel des Ruhms erklomm, in die Tiefen der Unsicherheit stürzte und im Stillen lernte, sich selbst neu zu erfinden.
Die Saga beginnt in einem bescheidenen Umfeld, weit entfernt vom Glanz der Showbühnen. Geboren 1955 in Bleijerheide, einem Stadtteil von Kerkrade in den Niederlanden, wuchs Heintje in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater, ein Bergmann, musste aufgrund einer Staublunge frühzeitig in den Ruhestand gehen, eine Krankheit, die das Schicksal so vieler Männer seiner Zunft besiegelte. Um die Familie über Wasser zu halten, eröffneten seine Eltern eine kleine Gaststätte, die „Hanny Bar“. Dieser Ort, gedacht als Mittel zum Überleben, wurde zur ersten Bühne ihres Sohnes. Mit nur neun Jahren stand der kleine Heintje neben der Jukebox und sang die Lieder mit, die die Gäste auswählten. Seine Stimme, rein und voller Gefühl, füllte den Raum und rührte die Herzen der einfachen Arbeiter und ihrer Familien. Es war hier, zwischen dem Klirren von Gläsern und dem Duft von Bier, wo sein außergewöhnliches Talent erstmals aufblühte.
Der entscheidende Wendepunkt kam, als Heintje mit elf Jahren an einem lokalen Gesangswettbewerb teilnahm. Mit seiner Interpretation von Robertino Lorettis „Mama“ sang er nicht nur die Konkurrenz an die Wand, sondern zog auch die Aufmerksamkeit des Produzenten Addy Kleijngeld auf sich. Kleijngeld erkannte das ungeschliffene Juwel und wurde zu seinem ersten Manager und Mentor. Was folgte, war ein Aufstieg, der selbst in der schnelllebigen Musikbranche beispiellos war. Die Neuaufnahme von „Mama“ wurde 1967 zu einem Paukenschlag und verkaufte sich millionenfach in ganz Europa. Sein Debütalbum „Heintje“ sprengte alle Rekorde und machte den Zwölfjährigen über Nacht zum internationalen Superstar. Lieder wie „Du sollst nicht weinen“ oder das Album „Weihnachten mit Heintje“ verkauften sich in den Jahren 1968 und 1969 über zehn Millionen Mal. Seine emotionale, fast zerbrechlich wirkende Stimme wurde zum Soundtrack einer ganzen Epoche, ein Trostspender für Mütter und Großmütter weltweit.
Der Erfolg beschränkte sich nicht auf die Musik. Von 1968 bis 1971 eroberte Heintje auch die Kinoleinwände. In Filmen wie „Heintje – Ein Herz geht auf Reisen“ spielte er im Grunde sich selbst: den liebenswerten Jungen mit der goldenen Stimme. Sein Film „Heintje – Einmal wird die Sonne wieder scheinen“ aus dem Jahr 1970 schlug sogar in China ein, wo das Lied „Kleine Kinder, kleine Sorgen“ zu einer Hymne für eine ganze Generation während der Öffnungspolitik des Landes wurde. Seine anhaltende Popularität dort führte zu Einladungen zur Neujahrsgala des Pekinger Fernsehens in den Jahren 2010 und 2015 – ein Beweis für seinen unvergänglichen Einfluss.
Doch der Ruhm hatte eine dunkle Kehrseite. Während Heintje von Termin zu Termin, von Konzert zu Filmset tourte, wurde die Kritik laut, seine Kindheit werde ihm „gestohlen“. Die kommerziellen Interessen seines Managements, so der Vorwurf, standen über dem Wohl des Jungen. Die immense Belastung und der ständige Druck hinterließen Spuren. Und dann, um 1971, geschah das Unvermeidliche, das für einen Knabensopran das Ende bedeutet: der Stimmbruch. Seine Stimme wurde tiefer, verlor jene kindliche Klarheit, die ihn berühmt gemacht hatte. Für viele Fans und Medien war das Urteil klar: Die Karriere des Heintje war vorbei. Die Enttäuschung war riesig, die Spekulationen gnadenlos. Gleichzeitig kamen Gerüchte über die Verwaltung seiner Einnahmen durch seine Familie auf, die das Bild des unschuldigen Jungen weiter ankratzten.
Für Heintje selbst war diese Zeit eine Zerreißprobe. Der Junge, der nichts anderes kannte als den Applaus der Massen, stand plötzlich vor dem Nichts. Seine alten Hits konnte er nicht mehr singen, seine neue Stimme passte nicht mehr zum Image des Wunderkindes. Es folgten Jahre des Kampfes und der Neuorientierung. Er zog sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück, versuchte, sein Leben neu zu ordnen.
Erst in den 1990er Jahren gelang ihm ein bemerkenswertes Comeback, nun als erwachsener Mann unter seinem bürgerlichen Namen Hein Simons. Er fand seine Nische vor allem im deutschsprachigen Raum und bewies, dass er auch mit seiner Baritonstimme ein Publikum begeistern konnte. Ein besonders cleverer Schachzug gelang ihm 2017 mit dem Album „Heintje und Ich“, auf dem er Duette mit seinem jüngeren Ich sang – eine nostalgische Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die bei seinen treuen Fans großen Anklang fand. Insgesamt hat er über 40 Millionen Tonträger verkauft, eine Zahl, die seine nachhaltige Bedeutung unterstreicht.
Auch sein Privatleben war von Höhen und Tiefen geprägt. 1981 heiratete er Doris Uhl, mit der er drei Kinder bekam. Die Familie lebte zurückgezogen auf einem Pferdehof in Belgien. Dieser Ort wurde zu seinem Refugium, ein Ankerpunkt abseits des Showgeschäfts, wo er in der Natur und bei der Pflege seiner Pferde Ruhe und Ausgeglichenheit fand. Doch das private Glück war nicht von Dauer. Die Scheidung von seiner Frau im Jahr 2014 war ein weiterer schwerer Schlag, der ihn emotional tief traf. Dennoch blieb die enge Beziehung zu seinen Kindern und Enkelkindern sein größter Halt.
Die Geschichte von Heintje Simons ist somit weit mehr als die melancholische Erzählung eines gefallenen Kinderstars. Es ist die inspirierende Geschichte eines Überlebenskünstlers, der sich weigerte, von den Umständen besiegt zu werden. Er hat die Last des frühen Ruhms getragen, die Krise des Identitätsverlustes überstanden und die Schmerzen privater Enttäuschungen durchlebt. Er hat gelernt, sich anzupassen, seine Musik weiterzuentwickeln und eine neue Form des Glücks im Stillen zu finden. Heintje hat bewiesen, dass das Ende einer Ära nicht das Ende des Weges sein muss, sondern der Anfang eines neuen, vielleicht leiseren, aber nicht weniger erfüllten Kapitels.