Sie war die ewige “Sissi”, eine Filmkönigin, eine Ikone des europäischen Kinos. Doch hinter der strahlenden Fassade der Romy Schneider verbarg sich eine Frau von tiefster Verletzlichkeit, gezeichnet von unermesslichem Schmerz. Vier Jahrzehnte lang hüllte sich der Mann, der ihr in den dunkelsten Stunden am nächsten stand, in Schweigen. Jetzt, mit 76 Jahren, bricht Daniel Biasini, ihr zweiter Ehemann und Vater ihrer Tochter, dieses Schweigen. Und was er enthüllt, stellt das öffentliche Bild ihres tragischen Endes fundamental in Frage.
Es ist keine Abrechnung. Es ist der Versuch eines Mannes, die Würde der Frau zu schützen, die er liebte, und die Wahrheit über ihren Tod ans Licht zu bringen – eine Wahrheit, die weitaus komplexer und menschlicher ist als die Schlagzeilen von Selbstmord und Überdosis, die die Welt so bereitwillig akzeptierte.
Als Daniel Biasini Romy Schneider 1973 am Set von “Le Train” traf, war er 24 Jahre alt, ein junger, ruhiger Presseattaché. Sie war 35, auf dem Zenit ihres Ruhms, doch innerlich zerbrach sie. Ihre Ehe mit Harry Meyen lag in Trümmern, sie kämpfte um das Sorgerecht für ihren geliebten Sohn David. Die Boulevardpresse jagte sie, zeichnete das Bild einer labilen Diva.

Biasini wurde zu ihrem Anker. Er war nicht Teil ihrer glamourösen Welt; er war ihre “ruhige Hand im Sturm”. Er fand ihr ein Zuhause in Paris, managte ihr Leben und wurde zu einer Vaterfigur für den kleinen David. “Sie wollte keinen Glamour, sie wollte Stille”, erinnerte sich Biasini später. Er gab ihr diesen Frieden. 1975 heirateten sie still in Westberlin, abseits des Rummels.
Nach einer schmerzvollen Fehlgeburt kam 1977 ihre gemeinsame Tochter Sarah zur Welt. Freunde berichteten, Romy habe nie friedlicher gewirkt. Es folgten Jahre, die Biasini als “die besten” beschrieb – ein ruhiges Familienleben zwischen Paris und Saint-Tropez, geprägt von Normalität. Doch der Druck von Romys Karriere und der unerbittliche Ruhm forderten ihren Tribut. Die Risse in der Beziehung wurden tiefer, der Streit ersetzte das Lachen. 1981 ließen sie sich scheiden. “Es war kein Hass”, betonte Biasini. “Es war Erschöpfung”.
Für den 14-jährigen David, der seinen leiblichen Vater Harry Meyen bereits 1979 durch Selbstmord verloren hatte, war die Trennung unerträglich. Er vergötterte Biasini und entschied sich, bei ihm zu leben – eine Entscheidung, die Romy schweren Herzens akzeptierte und die sie für immer verfolgen sollte.
Nur wenige Monate später, im Juli 1981, geschah die Katastrophe, die Romy Schneiders Welt endgültig zerstörte. David verbrachte die Ferien im Haus von Biasinis Eltern. Als er eines Nachmittags seinen Schlüssel vergaß, versuchte er, wie schon oft zuvor, über das kunstvolle Eisengittertor zu klettern.
Diesmal rutschte er ab.
Die spitzen Eisenstangen bohrten sich in seinen Oberschenkel und durchtrennten die Oberschenkelarterie. Daniel Biasini war der Erste, der ihn fand. Er hielt den schwer blutenden Jungen in seinen Armen, versuchte verzweifelt, die Blutung zu stoppen, schrie um Hilfe. “Er war noch bei Bewusstsein”, erinnerte sich Biasini Jahrzehnte später unter Tränen. “Er sah mich an, und ich sagte ihm, er solle durchhalten. Aber das Blut hörte nicht auf”. David starb in seinen Armen, bevor der Krankenwagen eintraf. Er war 14 Jahre alt.

“Es ist das Schlimmste, was ich je erlebt habe”, sagte Biasini. Die Trauer vereinte ihn und Romy auf unerträgliche Weise – sie waren verbunden durch den Schmerz und zugleich durch ihn zerstört. Die Boulevardpresse kannte keine Gnade. Gestohlene Fotos von Davids Beerdigung und sogar seines Leichnams tauchten auf. Romy war außer sich. “Sie haben ihn zweimal getötet”, schluchzte sie.
Für Romy Schneider war dies der Anfang vom Ende. Daniel Biasini beschreibt eine Frau, die zwar noch lebte, “aber nicht mehr wirklich am Leben war”.
Weniger als ein Jahr später, am Morgen des 29. Mai 1982, wurde Romy Schneider von ihrem neuen Lebensgefährten Laurent Pettin leblos in ihrer Pariser Wohnung aufgefunden. Sie war erst 43 Jahre alt.
Die Welt schrie sofort “Selbstmord”. Die Gerüchteküche brodelte: Überdosis, Depression, Wahnsinn. Man fand Tabletten, sprach von Alkohol. Es passte perfekt in das tragische Bild, das die Presse so lange gezeichnet hatte.
Doch Daniel Biasini widerspricht dieser Darstellung vehement. Seine Enthüllung nach 40 Jahren ist ein Plädoyer gegen diese Sensationsgier. “Es war kein Selbstmord”, sagte er mit fester Stimme. “Keine Drogen, kein Wahnsinn. Ihr Herz, es blieb einfach stehen”.
Biasini enthüllt Details über Romys Gesundheitszustand, die der Öffentlichkeit kaum bekannt waren. Sie war körperlich am Ende. 1981 hatte sie sich einer schweren Nierenoperation unterziehen müssen, bei der ein Organ entfernt wurde. Sie war geschwächt. Hinzu kamen enorme finanzielle Belastungen; die französischen Steuerbehörden forderten hohe Nachzahlungen.
Doch der schwerste Schlag war die Trauer um David. Sie hatte seinen Tod nie überwunden. “Jeden Morgen blieb sie vor seinem Zimmer stehen”, so Biasini. “Seine Turnschuhe standen noch immer an der Tür”. Sie weigerte sich, sie wegzuräumen. “Sie wollte nicht leben”, gestand Daniel, “aber sie wollte auch nicht sterben. Sie wusste nur nicht mehr, wie sie weitermachen sollte”. Ihr Tod war laut Biasini kein Akt der Selbstzerstörung, sondern ein Herzstillstand, ausgelöst durch ein gebrochenes Herz und einen geschwächten Körper.
Nach ihrem Tod tat Biasini, was er immer getan hatte: Er beschützte sie. Er zog die gemeinsame Tochter Sarah, damals erst vier Jahre alt, abseits des Rampenlichts groß. Er schwieg Jahrzehnte lang, um Romys Andenken vor der “Karikatur” zu bewahren, die man aus ihr gemacht hatte – der drogensüchtigen, zerstörten Frau.
Er kämpfte sogar juristisch. Als der Film “Drei Tage in Kiberon” (2018) eine Szene zeigte, in der Romy angeblich zu betrunken ist, um einen Anruf von David entgegenzunehmen, nannte Biasini dies eine “Schande”. “Niemals”, sagte er. “Sie hat niemals einen Anruf von David verpasst”. Er verlor den Prozess, doch es ging ihm nie ums Geld. “Ich wollte nur ihre Würde schützen. Wenn ich es nicht tue, wer dann?”.
Sein Andenken an sie ist ein anderes als das der Presse. “Sie lachte viel. Die Leute vergessen das”, sagte er mit feuchten Augen. “Sie liebte leidenschaftlich. Ihre Kinder, ihre Arbeit, ihre Sonntage im Garten. Das war sie”.
Heute, mit 76 Jahren, lebt Daniel Biasini zurückgezogen in Südfrankreich. Er heiratete 2003 erneut, doch Romy bleibt “La Blessure Belle” – die schöne Wunde.
Das Vermächtnis lebt auch in ihrer Tochter, Sarah Biasini, weiter. Sie wuchs als “lebendiges Relikt” auf, verfolgt von einer Mutter, die sie kaum kannte. Sarah mied die Öffentlichkeit, studierte Kunstgeschichte und baute sich eine eigene Karriere als Schauspielerin auf, fernab der Vergleiche. Erst durch die Geburt ihrer eigenen Tochter, Anna Rosalie, und das Schreiben ihres Buches “Die Schönheit des Himmels” (La Beauté du Ciel) fand sie einen Weg, sich der Frau Romy zu nähern, nicht der Ikone. “Er [Daniel] hat mich nie angelogen”, sagte Sarah über ihren Vater. “Selbst wenn die Wahrheit weh tat. Er ließ sie menschlich sein”.
Daniel Biasinis spätes Zeugnis ist mehr als nur eine Richtigstellung. Es ist der letzte Akt eines Beschützers, der Versuch, Romy Schneider das zurückzugeben, was ihr im Leben und im Tod so oft verwehrt wurde: ihre Menschlichkeit und ihre Wahrheit.