Ein Schatten hat sich über das norwegische Königshaus gelegt, so dunkel und bedrohlich, dass selbst die strahlendste Krone ihn nicht zu vertreiben vermag. Im Zentrum dieses Sturms steht ein Name, der einst nur für Glamour und ein rebellisches, aber charmantes Leben am Rande der Monarchie stand: Marius Borg Høiby. Doch die Tage der Unbeschwertheit sind gezählt. Heute ist der 28-jährige Sohn von Kronprinzessin Mette-Marit das Gesicht einer Krise, die das Fundament des norwegischen Throngefolges erschüttert und eine Frage in den Raum stellt, die niemand zu stellen wagte: Kann die Liebe eines Kronprinzenpaares einen solchen Verrat überstehen?
Die Liste der Vorwürfe, die gegen Marius Borg Høiby erhoben wird, liest sich wie das Drehbuch eines düsteren Thrillers und ist an Schwere kaum zu überbieten. Die Staatsanwaltschaft in Oslo hat Anklage in 32 Punkten erhoben – eine Zahl, die fassungslos macht. Es geht um mehrfache Vergewaltigung, teils mit und teils ohne Geschlechtsverkehr, um Gewalt in engen Beziehungen gegen drei ehemalige Partnerinnen, um Körperverletzung, Sachbeschädigung, Drohungen und die wiederholte Missachtung von Kontaktverboten. Ihm drohen bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft. Ein Skandal, der weit über die Eskapaden eines “Bonus-Prinz”, wie er einst liebevoll genannt wurde, hinausgeht und tief in die Abgründe menschlicher Beziehungen blickt.
Die Ermittlungen, die sich über mehr als ein Jahr erstreckten, zeichnen das Bild eines jungen Mannes, dessen Leben außer Kontrolle geraten zu sein scheint. Es begann im August 2024 mit einem Polizeieinsatz in der Wohnung seiner damaligen Freundin auf Frogner, einem vornehmen Stadtteil Oslos. Zunächst wegen Sachbeschädigung gerufen, erkannten die Beamten vor Ort schnell den Ernst der Lage und nahmen Ermittlungen wegen Gewalt auf. Wenige Stunden später wurde Marius unweit der königlichen Residenz Skaugum festgenommen. Es war der Anfang vom Ende einer sorgfältig gepflegten Fassade.
Was folgte, war eine Lawine an Enthüllungen, die das Land schockierte. Prominente Ex-Freundinnen wie die Influencerin Nora Haukland und das Model Juliane Snekkestad brachen ihr Schweigen und berichteten öffentlich von physischer und psychischer Gewalt. Haukland beschrieb in einem Podcast unter Tränen die Angst, die sie empfunden habe: “Er hat mich mit der Faust ins Gesicht geschlagen, er hat mich getreten, er hat mich gewürgt und meine Wohnung verwüstet.” Es sind Aussagen, die unter die Haut gehen und die ein Bild von Marius zeichnen, das so gar nicht zu den Hochglanzfotos an der Seite seiner royalen Familie passen will.
Während Høiby die schwerwiegendsten Vorwürfe, insbesondere die der Sexualdelikte, vehement bestreitet, hat er über seine Anwälte zugegeben, in einer früheren Beziehung unter dem Einfluss von Alkohol und Kokain gewalttätig geworden zu sein. Ein Eingeständnis, das die Situation für das Königshaus nur noch komplizierter macht. Denn die Frage steht im Raum: Wie viel wussten Kronprinzessin Mette-Marit und Kronprinz Haakon wirklich?
Nora Haukland behauptet, sie habe das Kronprinzenpaar bereits 2023 persönlich über die Gewaltausbrüche und den Drogenkonsum von Marius informiert. Eine Behauptung, die, sollte sie sich als wahr erweisen, einen verheerenden Schatten auf die Eltern wirft. In der norwegischen Öffentlichkeit wächst die Kritik. Dem Hof wird vorgeworfen, die Augen verschlossen, die Probleme des “Sorgenkindes” zu lange ignoriert und sich nicht klar genug positioniert zu haben. Gerüchte, Mette-Marit habe ihren Sohn vor einer bevorstehenden Polizeiaktion gewarnt, fügen dem Drama eine weitere schmerzhafte Ebene hinzu und stellen die Integrität der zukünftigen Königin infrage.
Die Situation ist an Brisanz kaum zu überbieten, denn sie droht, die engsten Familienbande zu zerreißen. Der Prozess, der für Januar 2026 angesetzt ist, birgt eine besondere Sprengkraft für die Ehe von Haakon und Mette-Marit. Als Stiefvater hat Kronprinz Haakon kein Zeugnisverweigerungsrecht. Sollte die Staatsanwaltschaft ihn in den Zeugenstand rufen, müsste er unter Eid aussagen – möglicherweise gegen den Sohn seiner Frau. Eine unvorstellbare Zerreißprobe. Welche Mutter könnte es ertragen, wenn ihr Ehemann im Gerichtssaal Details enthüllt, die ihren Sohn für Jahre hinter Gitter bringen könnten? Und welcher Mann kann auf Dauer die Last eines solchen Geheimnisses und der öffentlichen Verurteilung tragen?
Kronprinz Haakon selbst hat sich sichtlich betroffen zu den Vorwürfen geäußert. In einem seltenen öffentlichen Statement sprach er von der Schwere der Anschuldigungen und ließ durchblicken, wie sehr die Situation ihn und seine Frau belastet. “Vielleicht darf ich hinzufügen, dass ich heute gerne zu Hause bei Mette wäre. Ich vermisse sie”, sagte er mit emotionalen Worten während einer Auslandsreise. Ein Satz, der die tiefe Kluft und die emotionale Zerrissenheit offenbart, in der sich das Paar befindet.
Für Mette-Marit ist es die Krönung einer persönlichen Tragödie. Sie, die als bürgerliche, alleinerziehende Mutter mit einer rebellischen Vergangenheit in die Königsfamilie kam, hat hart für die Akzeptanz des Volkes gekämpft. Ihr Sohn Marius war immer ihr wunder Punkt, das sichtbare Zeichen ihres früheren Lebens. Sie hat ihn stets verteidigt und ihm ein Leben abseits der royalen Pflichten ermöglichen wollen. Nun wird ihr dieses Bestreben als fatale Nachsichtigkeit ausgelegt.
Der Fall Marius Borg Høiby ist mehr als nur ein weiterer royaler Skandal. Er ist ein Stresstest für die norwegische Monarchie, die sich stets als nahbar, modern und moralisch integer präsentiert hat. Die Causa kratzt am Lack der perfekten Familie und zwingt eine ganze Nation, über die Grenzen von bedingungsloser elterlicher Liebe, Verantwortung und die Rolle einer Institution zu debattieren, die über dem Gesetz zu stehen scheint, es aber nicht ist. Der Prozess wird nicht nur über die Zukunft eines jungen Mannes entscheiden, sondern auch darüber, ob die Liebe und die Einheit von Norwegens zukünftigem Königspaar dieser historischen Belastung standhalten können. Die Türen des Palastes bleiben vorerst verschlossen, doch dahinter tobt ein Sturm, dessen Ausläufer das ganze Königreich erfasst haben.