Die Abrechnung: Wie ein YouTuber mit einem einzigen Video die deutsche Politik erschütterte und eine Regierung in die Krise stürzte
Es war ein Donnerhall, der aus dem digitalen Raum kam und das politische Berlin in seinen Grundfesten erschütterte. Am 18. Mai 2019, nur wenige Tage vor der Europawahl, lud ein junger Mann mit blauen Haaren namens Rezo ein Video hoch, das die politische Landschaft Deutschlands nachhaltig verändern sollte. Der Titel war eine Kampfansage: „Die Zerstörung der CDU.“ Was folgte, war keine seichte YouTube-Unterhaltung, sondern eine fast 55-minütige, akribisch recherchierte Anklageschrift gegen die damals regierende Christlich Demokratische Union und ihre Politik. Es war der Moment, in dem die digitale Generation ihre Stimme fand und sie mit einer Wucht erhob, die niemand im Konrad-Adenauer-Haus hatte kommen sehen.
Das Video war mehr als nur eine Meinungsäußerung; es war ein Manifest, untermauert von einem 13-seitigen Dokument voller Quellen und wissenschaftlicher Studien. Rezo, im Netzjargon, „zerstörte“ die CDU nicht mit Beleidigungen oder Polemik, sondern indem er ihre Politik argumentativ demontierte. Seine Anklage war in drei große Themenblöcke gegliedert, die jeweils ein düsteres Bild der politischen Führung des Landes zeichneten.
Der erste Schlag galt der sozialen Ungerechtigkeit. Mit einer Mischung aus Empörung und analytischer Schärfe legte Rezo dar, wie die Schere zwischen Arm und Reich unter der Regierung der Union immer weiter auseinandergegangen sei. Er sprach von einer Politik, die die Reichen begünstige, während die Bildungschancen für Kinder aus ärmeren Familien systematisch vernachlässigt würden. Seine Worte trafen einen Nerv in einer Gesellschaft, die zunehmend das Gefühl hatte, dass der soziale Aufstieg zu einem leeren Versprechen verkommen war. Er zitierte Statistiken, die belegten, dass Vermögen in Deutschland seltener erarbeitet als geerbt wird, und kritisierte eine Regierung, die diesem Trend tatenlos zusah. Es war der Vorwurf, dass die CDU das Leistungsprinzip, das sie stets hochhielt, selbst untergraben hatte.
Der Kern seiner Anklage, der mit Abstand emotionalste und eindringlichste Teil des Videos, war jedoch der Klimawandel. Hier wurde aus dem Kritiker ein Ankläger im Namen einer ganzen Generation. Mit zitternder Stimme und unbändigem Zorn konfrontierte Rezo die Regierung mit den erdrückenden Beweisen der Klimawissenschaft. Er zitierte den Konsens von Tausenden von Wissenschaftlern weltweit, die vor einer nahenden Katastrophe warnten, und stellte dem die Tatenlosigkeit und die verfehlten Klimaziele der Bundesregierung gegenüber. „Ihr zerstört gerade unsere Zukunft“, war die unmissverständliche Botschaft. Er warf der CDU vor, wider besseres Wissen zu handeln, wissenschaftliche Fakten zu ignorieren und die Interessen der Kohleindustrie über das Überleben des Planeten zu stellen. Jeder Satz war ein Appell, jede Zahl ein Beweisstück in einem Prozess, den die Jugend gegen die etablierte Politik führte. Die emotionale Wucht dieses Abschnitts resultierte aus der spürbaren Angst und Verzweiflung eines jungen Menschen, der seine Zukunft und die seiner Altersgenossen in Gefahr sah.
Schließlich erweiterte Rezo seine Kritik auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Er prangerte die unkritische Unterstützung der Bundesregierung für den völkerrechtlich umstrittenen US-Drohnenkrieg an, der über die Ramstein Air Base in Deutschland mitgesteuert wird. Er argumentierte, dass diese Politik nicht nur moralisch fragwürdig sei, sondern auch neuen Terrorismus schüre, indem unschuldige Zivilisten bei Drohnenangriffen ums Leben kämen. Es war der Vorwurf der Heuchelei an eine Partei, die stets mit Werten wie internationaler Verantwortung und Frieden warb.
Die Reaktion auf dieses Video war explosiv. Innerhalb weniger Tage wurde es millionenfach geklickt, geteilt und diskutiert. Es war nicht nur ein viraler Hit, sondern der Beginn einer nationalen Debatte. Doch während die Öffentlichkeit fieberhaft diskutierte, herrschte in der CDU-Zentrale zunächst eine Mischung aus Schock, Ratlosigkeit und Arroganz. Die ersten Reaktionen waren ein kommunikatives Desaster. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak tat die sorgfältig recherchierten Vorwürfe als „Vermischung von ganz vielen Pseudofakten“ ab – eine Aussage, die angesichts der umfassenden Quellenlage wie eine Realitätsverweigerung wirkte.
Diese herablassende Haltung offenbarte eine tiefe Kluft zwischen der etablierten Politik und der Lebenswirklichkeit junger Menschen. Die CDU schien nicht zu verstehen, dass hier nicht einfach nur ein „Influencer“ seine Meinung kundtat, sondern dass eine neue, politisch hochinteressierte Generation eine Antwort auf Augenhöhe forderte. Der verzweifelte Versuch, ein eigenes Antwort-Video mit dem jungen Abgeordneten Philipp Amthor zu produzieren, wurde nach internen Querelen wieder verworfen. Diese öffentliche Zurschaustellung von Unfähigkeit und mangelndem Verständnis für die digitale Welt wurde zu einem Symbol für eine Partei, die den Anschluss an die Jugend verloren hatte.
Die „Zerstörung der CDU“ war mehr als nur ein politisches Statement. Es war ein kulturelles Ereignis, das die Machtverhältnisse in der öffentlichen Debatte verschob. Rezo bewies, dass eine einzelne, glaubwürdige Stimme aus dem Internet eine größere Reichweite und mehr Einfluss haben kann als die geballte Kommunikationsmaschinerie einer Volkspartei. Er sprach eine Sprache, die junge Menschen verstanden – direkt, emotional, aber faktenbasiert – und schuf damit einen neuen Raum für politischen Diskurs jenseits der traditionellen Medien.
Das Video wurde zum Weckruf für eine ganze Generation, die sich lange ungehört und unrepräsentiert gefühlt hatte. Es zeigte ihnen, dass ihre Sorgen, insbesondere die Angst vor der Klimakrise, berechtigt sind und dass es an der Zeit ist, die Verantwortlichen zur Rede zu stellen. Die massive Resonanz, die weit über die Grenzen von YouTube hinausging, machte deutlich: Die Jugend ist nicht unpolitisch, sie hat nur andere Kanäle und andere Formen des Protests. Die Folgen waren bei der darauffolgenden Europawahl spürbar, bei der die Union erhebliche Verluste bei den Jungwählern hinnehmen musste. Rezos Video war nicht der alleinige Grund, aber es war der Katalysator, der eine bereits schwelende Unzufriedenheit in eine politische Kraft verwandelte. Es bleibt ein Meilenstein in der deutschen Mediengeschichte und eine eindringliche Mahnung an die Politik: Ignoriert die Stimme der Jugend auf eigene Gefahr.
In this video, Rezo meticulously outlines his criticisms against the CDU, providing a detailed and sourced argument that resonated with millions.