Terence Hill: Die unerzählte Geschichte hinter den stahlblauen Augen – Von Kriegstrauma und unsterblicher Freundschaft zur tiefsten Tragödie eines Weltstars
Er ist der Mann mit den stahlblauen Augen, dem verschmitzten Lächeln und den Fäusten, die schneller fliegen als sein Schatten. Für Generationen von Kinogängern ist Terence Hill die unsterbliche Ikone des Western-Genres, der charmante Haudegen, der an der Seite seines kongenialen Partners Bud Spencer reihenweise Bösewichte auf die Bretter schickte. Ihre Filme sind Kult, ihre Sprüche legendär, ihre Prügeleien unerreicht. Doch hinter der Fassade des ewig jungen Abenteurers verbirgt sich ein Mann, dessen Leben von tiefen Brüchen, unvorstellbarem Schmerz und einer stillen Stärke geprägt ist, die nur wenige kennen. Es ist die Geschichte von Mario Girotti, dem Jungen, der die Hölle des Krieges überlebte, um als Terence Hill die Welt zu erobern – und dabei beinahe alles verlor.
Geboren wurde er am 29. März 1939 in der malerischen Kulisse Venedigs. Sein Vater war ein italienischer Chemiker, seine Mutter eine Deutsche aus der Nähe von Dresden. Diese binationale Herkunft sollte sein frühes Leben auf dramatische Weise prägen. Die Idylle seiner ersten Jahre wurde jäh zerstört, als der Zweite Weltkrieg Europa in Brand setzte. Die Familie zog nach Deutschland, in die Heimat seiner Mutter, direkt ins Auge des Sturms. In dem kleinen Dorf Lommatzsch erlebte der junge Mario die Schrecken des Krieges hautnah. Die Nächte im Luftschutzkeller, der ständige Hunger und die allgegenwärtige Angst wurden zu seinen prägenden Kindheitserinnerungen. Das einschneidendste Erlebnis war jedoch die Bombardierung Dresdens im Februar 1945, deren Feuersturm er vom Land aus mit ansehen musste. Die apokalyptischen Bilder der brennenden Stadt brannten sich tief in seine Seele ein und verfolgten ihn, wie er später gestand, bis zu seinem 30. Lebensjahr in Form von quälenden Albträumen.
Nach dem Krieg kehrte die Familie nach Italien zurück. Mario war ein stiller, nachdenklicher Junge, der seine Freizeit am liebsten mit Schwimmen und Rudern verbrachte. Von einer Schauspielkarriere träumte er nicht. Doch das Schicksal, oder besser gesagt der Zufall, hatte andere Pläne. Im Alter von nur elf Jahren wurde er bei einem Schwimmwettkampf vom legendären Regisseur Dino Risi entdeckt. Risi suchte einen Jungen für eine kleine Rolle in seinem Film „Vacanze col gangster“ (Ferien mit dem Gangster) und war von Marios Ausstrahlung sofort angetan. Für den jungen Girotti war es zunächst nicht mehr als eine Möglichkeit, sein Taschengeld aufzubessern und sein späteres Studium der klassischen Literatur zu finanzieren. Er nahm die Schauspielerei nicht ernst, doch die Kamera liebte ihn.
Es folgten Jahre, in denen er in über 20 Filmen mitwirkte und dabei mit den größten Namen des italienischen Kinos zusammenarbeitete. Der Meisterregisseur Luchino Visconti besetzte ihn 1963 in seinem Meisterwerk „Der Leopard“ an der Seite von Burt Lancaster und Alain Delon. Es war eine prestigeträchtige Rolle, die ihm Anerkennung in der Branche einbrachte, doch der große Durchbruch ließ auf sich warten. Mario Girotti war ein respektierter Jungschauspieler, aber noch kein Star. Der Wendepunkt kam Mitte der 1960er-Jahre, als er nach Deutschland ging, um in einer Reihe von Karl-May-Filmen mitzuwirken. Hier lernte er das Western-Genre kennen und lieben.
In dieser Zeit traf er auch erstmals auf einen bulligen neapolitanischen Schwimmchampion namens Carlo Pedersoli. Sie drehten gemeinsam den Film „Gott vergibt… Django nie!“, doch die Chemie, die sie später weltberühmt machen sollte, war noch nicht entfacht. Für den internationalen Markt legten sich beide Darsteller englisch klingende Künstlernamen zu. Aus Mario Girotti wurde Terence Hill – ein Name, den er von einer Liste mit 20 Vorschlägen auswählte, weil er die gleichen Initialen wie seine Mutter hatte. Aus Carlo Pedersoli wurde Bud Spencer, eine Hommage an sein Lieblingsbier und den Schauspieler Spencer Tracy.
Die Geburtsstunde des legendären Duos schlug 1970 mit dem Film „Die rechte und die linke Hand des Teufels“. Der Film war eine Parodie auf die bis dahin ernsten und brutalen Italo-Western und schuf ein völlig neues Genre: die Westernkomödie, auch als „Spaghetti-Western“ bekannt. Die Kombination aus dem schlagfertigen, flinken Terence Hill und dem brummigen, aber herzensguten Bud Spencer war pures Gold. Ihre humorvollen, fast akrobatischen Prügelszenen, untermalt von einem unverkennbaren Soundtrack, trafen den Nerv des Publikums weltweit. Es war der Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte.
Insgesamt 18 Filme drehten die beiden zusammen, darunter unvergessene Klassiker wie „Vier Fäuste für ein Halleluja“, „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ und „Das Krokodil und sein Nilpferd“. Sie wurden zu Superstars, ihre Filme füllten die Kinosäle von Rom bis Tokio. Während Bud Spencer den gutmütigen Riesen gab, perfektionierte Terence Hill die Rolle des charmanten Schlitzohrs mit dem blitzschnellen Colt. Privat waren die beiden enge Freunde, die sich jedoch abseits der Kamera selten sahen. Ihre Verbindung war tief und basierte auf gegenseitigem Respekt und einem blindem Verständnis am Set.
Doch während Terence Hill auf der Leinwand von einem Erfolg zum nächsten eilte, zog am privaten Horizont eine dunkle Wolke auf. 1967 hatte er die amerikanische Deutsch-Lehrerin Lori Zwicklbauer geheiratet. Sie bekamen einen Sohn, Jess, und adoptierten einen zweiten Jungen, den kleinen Ross. Ross wurde zu Terence’ ganzer Stolz. Er trat in die Fußstapfen seines Vaters und spielte an seiner Seite in den Filmen „Don Camillo“ und „Renegade“. Doch 1990 geschah die unvorstellbare Tragödie. Bei einem Autounfall in Massachusetts kam der erst 16-jährige Ross ums Leben.
Für Terence Hill brach eine Welt zusammen. Der Verlust seines geliebten Sohnes stürzte ihn in eine tiefe, lähmende Depression. Er zog sich komplett aus der Öffentlichkeit zurück, verlor jegliche Lust an der Schauspielerei und am Leben selbst. „Es war, als ob ein Teil von mir gestorben wäre“, sagte er Jahre später in einem seltenen Interview. Die stahlblauen Augen, die Millionen zum Lachen gebracht hatten, waren von Trauer getrübt. Viele glaubten, seine Karriere sei vorbei.
Doch Terence Hill ist ein Kämpfer. Langsam, mit der unendlichen Unterstützung seiner Frau Lori und seines Sohnes Jess, fand er aus der Dunkelheit zurück. Die Schauspielerei wurde für ihn zur Therapie, zu einem Weg, den unerträglichen Schmerz zu verarbeiten. Sein großes Comeback feierte er in Italien mit der Fernsehserie „Don Matteo“, in der er einen Priester spielt, der als cleverer Hobbydetektiv Kriminalfälle löst. Die Serie wurde ein phänomenaler Erfolg und läuft seit über zwei Jahrzehnten.
Auch nach dem Tod seines Freundes und Partners Bud Spencer im Jahr 2016 blieb Terence Hill aktiv. 2018 führte er Regie und spielte die Hauptrolle in dem Film „Mein Name ist Thomas“, eine Hommage an ihre gemeinsame Zeit und eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Leben und dem Abschied.
Heute führt Terence Hill ein zurückgezogenes, fast asketisches Leben. Er ist überzeugter Vegetarier, praktiziert Zen-Meditation und meidet den großen Rummel des Showgeschäfts. Die lauten Partys und Skandale, die das Leben vieler Stars prägen, waren nie seine Welt. Er ist ein Familienmensch, ein stiller Denker, der in den einfachen Dingen des Lebens sein Glück findet. Die traumatischen Erlebnisse seiner Kindheit und der tragische Verlust seines Sohnes haben ihn gelehrt, was wirklich zählt. Sein Leben ist der Beweis, dass wahre Stärke nicht in den Fäusten liegt, sondern im Herzen. Er ist mehr als nur eine Filmlegende; er ist ein Überlebender, der aus den tiefsten Tälern des Schmerzes emporgestiegen ist, um anderen weiterhin Freude und Hoffnung zu schenken. Die stahlblauen Augen leuchten immer noch, vielleicht sogar ein wenig weiser und gütiger als zuvor.