Am Rande der Tragödie: Warum Extrembergsteiger Thomas Huber im letzten Moment bei Laura Dahlmeiers Rettung in den Laila-Peak-Bergen ausrastete – und was wirklich dahintersteckt
Die Nachricht erschütterte die Sportwelt und berührte Menschen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus: Die ehemalige Biathlon-Weltmeisterin und Olympiasiegerin Laura Dahlmeier ist bei einer Bergexpedition am Laila Peak in Pakistan ums Leben gekommen. Die pakistanischen Behörden bestätigten, dass ihr Körper in naher Zukunft geborgen werden soll – sobald Wetter und Gelände es zulassen.
Eine geplante Heimkehr – gegen ihren letzten Willen
Der Alpine Club of Pakistan (ACP) teilte mit, dass Laura nicht für immer in den Höhen des Karakorum verbleiben werde. Sobald sich das Wetter bessert, soll eine Bergung eingeleitet werden. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und internationalen Bergsteigerteams – ein Akt der Solidarität und des Respekts.
Dabei steht ein bewegender Umstand im Raum: Laura selbst hatte schriftlich festgehalten, dass sie im Falle eines tödlichen Unfalls auf dem Berg bleiben möchte, falls eine Bergung das Leben anderer gefährden würde. Ihre Familie hatte diesem Wunsch zugestimmt. Es war eine Entscheidung, die von Verantwortungsbewusstsein, Weitsicht und Rücksicht auf andere zeugt.
Doch die Anteilnahme weltweit ist so groß, dass nun doch der Plan besteht, sie heimzuholen – nicht, um ihrem letzten Willen zu widersprechen, sondern um sie noch einmal in die Arme ihrer Familie und Freunde zurückzubringen. „Manchmal entscheiden nicht die Gesetze der Berge, sondern die Gesetze des Herzens“, hieß es in einer Mitteilung aus Pakistan.
Das tragische Unglück am Laila Peak
Am Montag, dem 28. Juli, traf die 30-jährige Dahlmeier bei rund 5.700 Metern Höhe ein Steinschlag. Sie war im „Alpine Style“ mit einer Seilpartnerin unterwegs, also ohne technische Hilfsmittel oder fixierte Seile – eine besonders anspruchsvolle Art des Bergsteigens. Ihre Begleiterin setzte sofort einen Notruf ab, doch die extremen Bedingungen machten eine schnelle Rettung unmöglich. Ein Hubschrauber konnte die Stelle erst am nächsten Morgen überfliegen, und die Rettungskräfte stellten fest, dass keine Lebenszeichen mehr vorhanden waren.
Die Bergungsaktion, koordiniert von internationalen Experten wie dem bekannten Alpinisten Thomas Huber, musste mehrfach unterbrochen werden – Wetter, Dunkelheit und das schwierige Terrain verhinderten bisher die Heimkehr.
Respekt aus der Bergsteigerwelt
Bergsteigerlegende Reinhold Messner äußerte gegenüber dem WDR großen Respekt vor Lauras Entscheidung, andere nicht für ihre Rettung zu gefährden: „Das ist Großzügigkeit ohnegleichen, fest verwurzelt in der Tradition des Alpinismus.“ Viele Bergsteiger würden ähnliche Gedanken hegen, doch nur wenige müssten sich ihnen tatsächlich stellen.
Vom Kind der Berge zur Weltmeisterin
Geboren am 22. August 1993 in Garmisch-Partenkirchen, wuchs Laura im Schatten der bayerischen Alpen auf. Schon als Kind stand sie auf Skiern, mit sieben begann sie Biathlon zu trainieren – eine Sportart, die Ausdauer, Präzision und mentale Stärke vereint. Sie stieg stetig in den Jugendwettkämpfen auf, bis sie schließlich im Weltcup debütierte.
Ihr Talent war unbestreitbar, doch es war ihre Einstellung, die sie auszeichnete: akribisches Training, taktisches Denken, unermüdliche Vorbereitung. Sie studierte Windmuster, perfektionierte ihre Technik und arbeitete an ihrer mentalen Stärke – Eigenschaften, die sie zur Ausnahmeathletin machten.
Olympischer Glanz und leiser Rückzug
Der Durchbruch kam in der Saison 2016/17: Sie gewann die Gesamtwertung des Weltcups und holte bei der Weltmeisterschaft in Hochfilzen sechs Medaillen – fünf davon Gold. Ein Jahr später schrieb sie in Pyeongchang 2018 Geschichte: Zwei Goldmedaillen und eine Bronze machten sie zur ersten deutschen Biathletin, die Sprint und Verfolgung bei denselben Olympischen Spielen gewann.
Doch hinter dem Erfolg begann ein innerer Prozess. Der Druck, die ständige Präsenz in den Medien und der körperliche Verschleiß führten dazu, dass sie sich zunehmend zurückzog. 2019, mit nur 25 Jahren, erklärte sie überraschend ihren Rücktritt vom Leistungssport. „Ich habe nicht mehr das Gefühl, zu 100 % dabei zu sein, und wer mich kennt, weiß, dass ich nie etwas halb mache“, sagte sie damals.
Ein neues Leben in den Bergen
Nach dem Rücktritt widmete sich Laura ihrer Leidenschaft für die Natur. Sie wurde Bergführerin, engagierte sich in der Bergrettung, schrieb Bücher und hielt Vorträge über mentale Stärke. Sie fand Erfüllung nicht mehr im Wettkampf, sondern in der Weite der Natur, in stillen Momenten auf einsamen Gipfeln.
Diese Leidenschaft führte sie schließlich nach Pakistan – zum Laila Peak, einem 5.700 Meter hohen Berg im Karakorum, bekannt für seine ästhetische, pyramidenartige Form und seine technischen Herausforderungen. Für Laura war es eine Expedition, die vermutlich mehr einer inneren Suche als einer sportlichen Eroberung glich.
Ein Abschied voller Würde
Ihr handgeschriebener letzter Wille zeigt, dass sie alle Risiken kannte und bewusst in Kauf nahm. Es war kein dramatischer Abschiedsbrief, sondern eine klare, ruhige Entscheidung: Niemand sollte für sie in Gefahr geraten. Diese Haltung berührt Menschen weltweit – weil sie zeigt, dass wahre Größe nicht im Erreichen eines Gipfels liegt, sondern im Respekt vor dem Leben anderer.
Die letzte Heimkehr
Trotz ihres Wunsches, im Falle eines Unfalls auf dem Berg zu bleiben, wollen Bergsteigerfreunde und internationale Helfer sie nach Hause bringen. Nicht aus Pflicht, sondern aus Liebe und Dankbarkeit. Es ist ein symbolischer Akt – eine Botschaft, dass Laura nicht vergessen ist, dass sie nicht in der Kälte des Karakorum zurückbleiben soll, sondern in den Armen derer, die sie liebten.
Die Bergung wird beginnen, sobald das Wetter stabil ist. Bis dahin ruht Laura in den Höhen, die sie so sehr liebte – und die nun zum stillen Denkmal ihrer Stärke, Leidenschaft und Menschlichkeit geworden sind.
Ein Vermächtnis, das bleibt
Laura Dahlmeier hinterlässt weit mehr als Medaillen und Rekorde. Sie hinterlässt eine Geschichte über Mut, Demut und die Freiheit, den eigenen Weg zu wählen. Sie lehrte uns, dass man im Leben nicht bleiben muss, nur weil man es könnte, und dass man gehen darf, wenn das Herz es verlangt.
Ihre Karriere war geprägt von Disziplin, aber ihr Leben nach dem Sport war geprägt von Freiheit. Vielleicht ist das die größte Botschaft, die sie uns hinterlässt: Erfolg ist wertvoll – aber nur, wenn er mit innerem Frieden einhergeht.
Und so wird Laura für viele nicht nur die „Eisprinzessin mit dem Stahlherz“ bleiben, sondern auch eine Botschafterin der Stille, eine Frau, die wusste, dass der wahre Gipfel nicht aus Gold besteht, sondern aus Momenten, in denen man sich selbst begegnet.