Nagelsmann erklärt: Deutschlands Ziel ist der WM-Titel 2026! Kann die Mannschaft nach den Krisenjahren an die Spitze zurückkehren?
In einem Moment, in dem die deutsche Fußballseele noch immer die Wunden der vergangenen Jahre leckt, hat Bundestrainer Julian Nagelsmann das getan, was nur wenige von ihm erwartet hätten: Er hat die Flucht nach vorn angetreten. Mit einer Direktheit, die an Arroganz grenzt, aber vielleicht genau die Medizin ist, die die Nationalmannschaft braucht, formulierte er das große, fast schon vergessene Ziel: „Unser Ziel ist es, nächstes Jahr den WM-Titel zu holen.“ Ein einfacher Satz, gesprochen auf einer Pressekonferenz am Mittwoch, der jedoch die Wucht einer Eruption hat. Es ist eine Kampfansage an die Welt und ein Weckruf an eine Nation, die das Träumen fast verlernt hatte.
Nach dem desaströsen Vorrunden-Aus bei den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 und einer Heim-Europameisterschaft 2024, die zwar die Herzen der Fans zurückgewann, aber sportlich nicht den ganz großen Wurf brachte, herrschte eine Art demütiger Realismus in Fußball-Deutschland. Man war stolz auf die neue, junge Mannschaft, bewunderte die Dribblings eines Jamal Musiala und die Genialität eines Florian Wirtz, aber vom Weltmeistertitel zu sprechen, schien vermessen. Nagelsmann hat dieses ungeschriebene Gesetz nun mit voller Absicht gebrochen. Er hat die Ära der Bescheidenheit für beendet erklärt.
Der Mann, der den Glauben zurückbringen will
Um diese Ansage zu verstehen, muss man den Menschen Julian Nagelsmann verstehen. Er ist kein Verwalter des Status quo, sondern ein Visionär, ein Antreiber, der an die Macht der Mentalität glaubt. Seine Taktiktafel ist berühmt, seine Detailversessenheit legendär. Doch er weiß, dass Titel nicht nur mit Systemen, sondern vor allem im Kopf gewonnen werden. Seine öffentliche Zielsetzung ist daher weniger eine Prognose als vielmehr ein strategischer Schachzug. Er will den gewaltigen Druck nicht von seiner Mannschaft fernhalten, sondern ihn kanalisieren. Er implementiert eine Sieger-DNA, die der Mannschaft in den entscheidenden Momenten der letzten Turniere so oft gefehlt hat.
„Wenn wir nicht mit dem Ziel zur WM fahren, sie zu gewinnen, können wir zu Hause bleiben“, fügte er hinzu und machte damit unmissverständlich klar, dass für ihn das olympische Motto „Dabei sein ist alles“ nicht existiert. Diese Haltung ist ein klares Signal nach innen an die Spieler: Wer nicht bereit ist, diesem absoluten Anspruch zu folgen, hat in seinem Team keinen Platz. Es ist der Versuch, aus einer Gruppe hochtalentierter, aber bisweilen zu braver Fußballer wieder jenes Rudel zu formen, das die Welt einst als „Turniermannschaft“ fürchtete.
Die goldene Generation auf dem Prüfstand
Nagelsmanns Selbstvertrauen speist sich aus dem schier unendlichen Potenzial seiner Schlüsselspieler. Mit Jamal Musiala und Florian Wirtz verfügt Deutschland über zwei der aufregendsten Offensivtalente der Welt. Ihre Fähigkeit, Spiele im Alleingang zu entscheiden, gibt dem Team eine Unberechenbarkeit, die lange gefehlt hat. Um sie herum formiert sich eine Achse aus erfahrenen Champions-League-Siegern und aufstrebenden Kräften. Die Herausforderung, und das weiß auch Nagelsmann, besteht darin, aus diesen brillanten Solisten ein unaufhaltsames Orchester zu machen.
Die Achillesferse der Mannschaft bleibt jedoch die defensive Stabilität und die seit dem Rücktritt von Miroslav Klose vakante Position des klassischen Mittelstürmers. Nagelsmanns taktische Finesse wird gefragt sein, um ein System zu entwickeln, das die offensive Wucht nicht auf Kosten der defensiven Absicherung entfaltet. Die kommenden Qualifikationsspiele werden ein erster Gradmesser dafür sein, ob die Mannschaft nicht nur spielerisch, sondern auch charakterlich bereit ist, dem hohen Anspruch ihres Trainers gerecht zu werden.
Ein Land zwischen Hoffnung und Skepsis
Die Reaktionen auf Nagelsmanns Vorstoß sind so gespalten wie die Meinungen über die Nationalelf selbst. Die eine Hälfte der Fans und Experten feiert den Bundestrainer für seinen Mut. Endlich, so der Tenor, traue sich wieder jemand, groß zu denken und den deutschen Fußball dorthin zu führen, wo er hingehört: an die Weltspitze. Es sei genau dieser unbedingte Siegeswille, der Legenden wie Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus oder Oliver Kahn ausgezeichnet habe.
Die andere Hälfte schüttelt ungläubig den Kopf. Sie sehen in der Ansage einen Akt des Größenwahns, der unnötig Druck auf eine junge Mannschaft aufbaut. Sie erinnern an die jüngsten Misserfolge und warnen davor, dass ein Scheitern nach einer solch vollmundigen Ankündigung umso schmerzhafter wäre. Die Skepsis ist tief verwurzelt, genährt von zu vielen enttäuschenden Nächten, in denen der Traum vom Titel jäh zerplatzte.
Nagelsmann hat bewusst eine Debatte angestoßen. Er will die Lethargie vertreiben und eine neue Aufbruchstimmung erzeugen. Er weiß, dass eine erfolgreiche WM-Kampagne nicht nur auf dem Platz, sondern auch auf den Rängen und in den Köpfen der Menschen beginnt. Er fordert vom ganzen Land, wieder an das Unmögliche zu glauben.
Der Weg zur WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko ist noch lang und steinig. Doch der erste, entscheidende Schritt ist getan. Das Ziel ist definiert. Julian Nagelsmann hat den Fehdehandschuh hingeworfen und seine Mannschaft ins Rampenlicht gestoßen. Die kommenden Monate werden zeigen, ob seine Spieler unter dem grellen Licht wachsen oder verbrennen. Eines ist sicher: Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Die Mission „fünfter Stern“ hat offiziell begonnen.