Sterbende Frau live vor der Kamera: Wie VOX den Todeskampf eiskalt ausnutzt – eine erschütternde Abrechnung mit der skrupell0sen Realität des Fernsehens
Fernsehen von seiner furchtbarsten Seite: Mit einer erschreckend pietätlosen Folge der Auswanderer-Soap „Goodbye Deutschland“ beweist der Sender, dass ihm die Würde seiner Protagonisten komplett egal ist.
Die indonesische Masseurin Mega, 47, hat dem deutschen Auswanderer Patrick Naumann zumindest ein bisschen das Leben gerettet: Sie heiratete den ehemaligen Schlagerstar, als er wegen Kokainschmuggels auf Bali im Knast saß, und ermöglichte durch ihre Bürgschaft die vorzeitige Entlassung des heute 59-Jährigen.
Mit Mega wollte Patrick sich ein neues Leben im indonesischen Paradies aufbauen. Achtung, Spoiler: Diese Geschichte hat kein Happy End.
„Mama wird wieder gesund“, verspricht Patrick den Kindern seiner Frau
Ob Mega mit der Aufnahme und deutschlandweiten Verbreitung ihres Todeskampfs zur besten Sendezeit einverstanden gewesen wäre? Diese Frage hat Ehemann Patrick Naumann für sie beantwortet, indem er zu den Dreharbeiten einwilligte, als Mega schon nicht mehr sprechen konnte.
Wie viel sie noch mitbekommen hat von dem Rummel um ihr Bett, ist fraglich. Falls sie ihre Privatsphäre hätte wahren wollen, muss die gefühlte Ohnmacht und Hilflosigkeit furchtbar gewesen sein.
Megas Sohn Okky (22) und Tochter Viaa (17) erfahren vor laufender Kamera vom Zustand ihrer Mutter. Leider verstehen sie nur wenig – Naumann spricht kein Indonesisch, die beiden jungen Indonesier kaum Englisch. „Das zerreißt mir auch gerade das Herz jetzt“, sagt Naumann. Und verspricht seinen Stiefkindern: „Mama wird wieder gesund werden.“
„Wie werden die Kinder auf den Zustand ihrer Mutter reagieren?“ fragt die Stimme aus dem Off. Und schaltet – Cliffhanger! – nach Sansibar, wo Ex-Münchnerin Angi Wolf mit Massai Paolo ein Partyboot als zweites Business zu Wasser lassen will und mit dieser Idee krachend baden geht.
Auch Business Nummer 1, ihre „Spirit“- Lodge auf 4000 Quadratmetern in Strandnähe, läuft nicht. Weil es hineinregnet, muss Angie den Bungalow abreißen, in dem einst ihr Papa Peter übernachtete.
Der Vater, dessen Asche in einer Urne gleich hinter der Glühwein-Flasche auf einem Schrank steht. Das mit der ewigen Ruhe hatte sich der Mann womöglich anders vorgestellt.
VOX hat kein Problem damit, Paolo zu filmen, wie er nach einer langen Nacht mit einem massiven Hangover apathisch in den Kissen hängt. „I don’t feel good“, stöhnt er. „Paolo Moleli Mianga, 31, hat einen Löwen getötet“ vermeldet der Text in der Bauchbinde. Löwenkiller von einem Kater in die Knie gezwungen: Humor à la VOX.
„Goodbye Deutschland“: So dankbar ist Naumann dem Kamera-Team
Zurück auf Bali blicken Okky und Viaa erschüttert auf ihre Mama, die im Bett vor ihnen von einer Maschine beatmet wird. Die Kamera hält drauf auf die Kranke, auf deren Kinder. „Das möchte ich nicht noch einmal erleben“, sagt Naumann. „Das war jetzt wirklich hart.“
Vor laufender Kamera erzählt er, dass seine beiden Stiefkinder noch gar nicht Bescheid wissen über seine Knastvergangenheit. Viaa und Okky sitzen daneben, verstehen nichts und lächeln arglos. So geht Skrupellosigkeit.
Die Entscheidung, für „Goodbye Deutschland“ auch in dieser lebensbedrohlichen Situation weiterzudrehen, hat Naumann inzwischen auf Instagram verteidigt. Er selbst habe darum gebeten, „dass das Kamera-Team bleibt“.
Die Dreharbeiten hätten ihm tatsächlich geholfen, weil da Menschen gewesen seien, „die ich seit Jahren kenne und denen ich vertraue“. Ohne sie „hätten wir diese Zeit nicht so durchstehen können“.
Mega verliert gegen den Tod – und VOX filmt weiter
Vielleicht hat der Dreh ja tatsächlich Patrick bei seiner privaten Trauerbewältigung geholfen. Doch ein verantwortungsbewusster Sender, der die Würde aller Protagonisten – auch der Nicht-Deutschen – ernst nimmt und vor den Quotenerfolg stellt, hätte die Kameras trotzdem abschalten müssen.
So aber hält VOX fest, wie Megas Herzfrequenz auf dem EKG langsam absinkt und schließlich zur Nulllinie wird. Vermutlich muss man dankbar sein, dass nur das Geräte-Display gefilmt wurde. Und Mega nicht ganz direkt vor den Augen der deutschen Öffentlichkeit sterben musste.
Patrick Naumann sitzt noch für die nächsten vier Jahre auf Bali fest, so lange läuft seine Bewährungsstrafe. Er hat nun Sozialhilfe aus Deutschland beantragt in der Hoffnung, dass ihm das Geld aus der ungeliebten Heimat im vermeintlichen Paradies über die Runden hilft. „‘Goodbye Deutschland‘ wünscht Patrick und Megas Kindern alles Gute“, säuselt es aus dem Off. Und meint das vermutlich sogar so.
