Der Paukenschlag des Gemütlichen: Horst Krause bricht das Tabu und enthüllt, welche „Diven“ er in seiner Karriere nie leiden konnte
Horst Krause ist mehr als nur ein Schauspieler; er ist eine feste Institution des deutschen Fernsehens. Mit seiner knorrigen Stimme, der bodenständigen Ausstrahlung und dem liebenswürdigen, leicht schwerfälligen Auftreten verkörperte er über Jahrzehnte hinweg das Bild des „netten unaufgeregten Mannes von nebenan“. Für Millionen Zuschauer war er der herzliche Polizeihauptmeister in „Polizeiruf 110“ oder der verschrobene, aber warmherzige Brandenburger Onkel in der überaus beliebten Filmreihe, die seinen Namen trägt. Er war das Sinnbild für Beständigkeit, Humor und unkomplizierte Harmonie.
Umso überraschender, ja fast schockierend, wirkte daher ein Interview, das Horst Krause im hohen Alter von $83$ Jahren gab. Mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit, die man ihm auf der Leinwand zwar zutraute, aber in der diplomatisch geprägten Welt des Showbusiness kaum erwartete, brach Krause ein ungeschriebenes Gesetz der Branche: Er sprach offen darüber, welche Kollegen er im Laufe seiner langen Karriere schlicht nicht leiden konnte. „Nicht jeder Schauspieler ist so sympathisch wie seine Rolle“, sagte Krause und fügte hinzu: „Es gibt Kollegen, die halten sich für wichtiger als alle anderen und mit so etwas konnte ich nie umgehen.“
Dieses Geständnis ist mehr als ein Klatsch-Detail; es ist ein Paukenschlag, der die heile Fassade des deutschen Films durchbricht und ein neues Licht auf die Persönlichkeit eines Mannes wirft, der jahrzehntelang die Harmonie verkörperte. Es zeigt, dass selbst der „gemütliche Onkel der Nation“ Grenzen hat und ein Leben hinter der Kamera voller Konflikte, Eitelkeiten und Spannungen ist. Die späte Offenheit Krauses ist kein Zeichen von Verbitterung, sondern ein Akt der Befreiung und eine späte Mahnung an eine Branche, die oft den Anschein über die Authentizität stellt.

Vom Schlosser zum Publikumsliebling: Die Grundlage der Krause-Ethik
Um die Wucht von Krauses Aussagen zu verstehen, muss man seine außergewöhnliche Karriere und die tief in seiner Herkunft verwurzelte Arbeitsethik betrachten. Horst Krause wurde $1941$ in Böhenhof, Ostpreußen, geboren und wuchs nach den Wirren des Krieges in Brandenburg auf. Sein erster Beruf war Maschinenschlosser – ein Handwerk, das auf Präzision, Solidarität und Bodenständigkeit basiert.
Erst über Umwege fand er in den $1960$er Jahren zum Theater in der DDR. Sein kräftiger Körperbau, die markante Stimme und sein unverwechselbares, bodenständiges Auftreten machten ihn sofort zu einer gefragten Besetzung für Nebenrollen. Er spielte Arbeiter, Handwerker, Nachbarn – einfache Männer, die dank Krauses unbestreitbarer Authentizität in Erinnerung blieben.
Der Durchbruch im gesamtdeutschen Fernsehen gelang ihm mit einer Rolle, die ihn unsterblich machte: der Polizeihauptmeister Horst Krause in der Krimireihe „Polizeiruf 110“. Von den $1990$er Jahren bis zu seinem Ausstieg $2015$ prägte er die Serie. Er war der Gegenentwurf zum coolen, analytischen Kommissar; er war schwerfällig, manchmal unbeholfen, aber stets ehrlich, menschlich und nahbar. Er brachte eine notwendige Erdung und Herzlichkeit in die oft düsteren Kriminalfälle. Die Zuschauer liebten ihn dafür, weil er „wie einer von uns“ wirkte.
Parallel dazu entwickelte sich die erfolgreiche „Krause“-Filmreihe, die ihn endgültig zum Publikumsliebling machte. In Filmen wie „Krauses Fest“ oder „Krauses Glück“ spielte er im Grunde eine Variante seiner selbst: den liebenswürdigen Brandenburger, der mit seinen Schwestern und Nachbarn die kleinen und großen Probleme des Alltags meistert. Diese Rollen, die auf leiserem Humor und menschlicher Wärme basierten, zementierten sein Image als der gemütliche Mann mit dem Herzen am rechten Fleck.
Krause war nie ein Chamäleon, das sich in völlig verschiedene Figuren verwandelte; er blieb sich treu und spielte Variationen des ehrlichen, bodenständigen Typs. Genau diese Treue zur eigenen Art machte ihn unverwechselbar. Doch seine direkte Art, die in seinen Rollen als charmante Schrulligkeit durchschien, war hinter der Kamera ein echtes Temperament. Kollegen beschreiben ihn als herzlich, aber auch direkt. Wer unprofessionell arbeitete oder sich arrogant verhielt, bekam es von ihm zu hören – eine Haltung, die in seiner Ausbildung zum Schlosser und seiner Erfahrung im DDR-Theater wurzelte, wo Disziplin und das Ensemble-Denken einen höheren Stellenwert hatten als die Eitelkeit Einzelner.
Die Kollision der Temperamente: Darum hasste Krause die „Diven“
Die Film- und Fernsehbranche ist ein Schmelztiegel starker Persönlichkeiten, aber auch ein Biotop der Eitelkeiten. In diesem Umfeld, in dem jeder gesehen und gelobt werden will, geriet Horst Krause immer wieder in Konflikt mit jenen, die er schlicht als „Diven“ bezeichnete. Sein zentraler Vorwurf richtete sich nicht gegen Talent, sondern gegen den mangelnden Respekt für das Handwerk und das Team.
Für Krause war Schauspielerei immer ein Mannschaftssport. „Jeder trägt seinen Teil bei. Keiner ist wichtiger als der andere“, betonte er. Wenn diese Balance gestört wurde, reagierte er allergisch. Er konnte es nicht ertragen, wenn Kollegen sich in den Vordergrund drängten oder sich über das restliche Team, wie Kameraleute oder Techniker, erhoben.
Seine Kritik zielte direkt auf die Arroganz und Selbstüberschätzung mancher Kollegen: „Es gibt Schauspieler, die glauben, ohne sie geht gar nichts.“ Er beschrieb das Gefühl, bei Drehs, obwohl er selbst eine Hauptrolle spielte, wie ein Statist im Film eines anderen zu sein. Er präzisierte: „Es gibt Schauspieler, die betreten den Raum und glauben, die Sonne geht nur für sie auf. Mit solchen Leuten konnte ich nie warm werden.“
Krause lieferte konkrete, wenn auch namenlose, Beispiele für das Verhalten, das er als respektlos empfand. Er sprach von einem Vorfall aus den $1990$er Jahren, als ein Schauspieler „ständig den Text anderer verändert hat, nur damit er glänzen konnte“. Ein solches Verhalten wertete er als zutiefst respektlos, nicht nur ihm selbst, sondern dem gesamten Schaffensprozess gegenüber. Auch am Set von „Polizeiruf 110“, wo er über $15$ Jahre lang arbeitete, gab es einen Kollegen, bei dem „die Chemie nie stimmte. Vor der Kamera haben wir funktioniert, aber sobald die Klappe fiel, war es vorbei. Wir haben uns schlicht nicht gemocht.“
Solche Konflikte sind in einer Branche, die von Hochdruck und Konkurrenz geprägt ist, nicht ungewöhnlich. Doch die Kehrseite von Krauses Ehrlichkeit war, dass er sich zwar Respekt verschaffte, aber auch Distanz. Er war kein Mann der falschen Freundlichkeit. Ein Kameramann beschrieb ihn als „immer pünktlich, immer vorbereitet“, aber wenn jemand „die Diva raushängen ließ, konnte er richtig wütend werden“. Diese direkte, ungeschminkte Art führte dazu, dass er nicht jedermanns Liebling war. Wer seine direkte Art fürchtete, mied ihn.

Der Befreiungsschlag mit $83$: „Ich habe nichts mehr zu verlieren“
Das Ungewöhnliche an Krauses Enthüllungen ist nicht der Inhalt selbst – Insider wussten längst um die Spannungen hinter den Kulissen –, sondern der Zeitpunkt. In der deutschen Schauspielszene herrscht ein ungeschriebenes Gesetz des Schweigens. Man wahrt die Fassade, lächelt in die Kameras und kritisiert Kollegen höchstens hinter vorgehaltener Hand. Wer dieses Tabu bricht, riskiert, als verbittert oder nachtragend abgestempelt zu werden.
Horst Krause brach dieses Tabu mit voller Absicht und einer fast philosophischen Begründung. Auf die Frage, warum er erst jetzt so offen darüber spreche, antwortete er: „Früher hätte es nur Ärger gegeben, heute habe ich nichts mehr zu verlieren.“ Damit meinte er nicht den Verlust von Rollen oder Geld, sondern die Befreiung von der Illusion der Harmonie, die er jahrzehntelang mitschleppen musste. „Ich wollte immer ehrlich sein und jetzt kann ich es endlich sein“, erklärte er.
Seine Worte klingen nicht wie eine verbitterte Abrechnung, sondern wie ein Akt der psychischen Entlastung. Es ist die späte Erkenntnis, dass wahre Authentizität nicht im Schweigen liegt, sondern im Mut zur Wahrheit. Mit zunehmendem Alter wurde er noch kompromissloser: „Ich bin zu alt für Theater hinter der Kamera. Wenn einer mich nervt, sage ich es ihm ins Gesicht.“
Diese Haltung ist nicht nur persönlich befreiend, sondern auch ein wichtiges Signal an das Publikum. Sie erinnert die Zuschauer daran, dass die heile Welt der sonntäglichen Krimis und gemütlichen Heimatfilme eine sorgfältig gepflegte Illusion ist. Schauspieler sind keine Figuren, sondern Menschen mit Sympathien und – wie in Krauses Fall – tief sitzenden Antipathien.
Das Echo auf Krauses Offenheit war geteilt. Während einige Kollegen empört waren, feierten ihn viele Fans als einen der wenigen, „der die Wahrheit sagt“. Für sie passt diese Ehrlichkeit perfekt zum Bild von Horst Krause, einem Mann, der nie Schauspiel spielte, wenn es um sein eigenes Leben ging.

Das Vermächtnis der Wahrhaftigkeit
Horst Krauses späte Enthüllungen werfen ein menschliches, ehrliches Licht auf eine Branche, die von Fassaden lebt. Er hat nicht versucht, Kollegen zu zerstören, sondern sich selbst zu entlasten und das Publikum zu entzaubern. Seine Aussagen beweisen: Auch in der glänzenden Welt des Films herrschen Neid, Arroganz und Missgunst.
Was bleibt, ist ein Bild von Horst Krause, das authentischer ist denn je. Er hat uns mit seinen Rollen berührt, zum Lachen gebracht und nun, in seinem hohen Alter, mit seiner Wahrhaftigkeit überrascht. Er zeigt, dass wahre Größe nicht in der Beherrschung von Diplomatie liegt, sondern im Mut zur klaren Kante. Sein Vermächtnis ist die Erkenntnis, dass der bodenständigste und gemütlichste Typus im deutschen Fernsehen über eine Integrität verfügt, die keine Arroganz duldet und am Ende über die Lügen der Filmwelt triumphiert. Die Geschichte von Horst Krause ist damit eine späte, aber umso wichtigere Lektion über die Notwendigkeit von Ehrlichkeit und Respekt, sowohl vor als auch hinter der Kamera.