Sie ist die Frau, die den Rock ‘n’ Roll für immer veränderte. Mit ihrem Fender-Bass, dem ikonischen Leder-Jumpsuit und einer Stimme, die Wände einreißen konnte, wurde Suzi Quatro zur ersten weiblichen Bassistin, die zum weltweiten Rockstar aufstieg. Doch während die Welt sie als die unverwüstliche “Wild One” feierte, trug Susan Kay Quatro eine Last mit sich herum, die sie jahrzehntelang verbarg. Heute, mit 75 Jahren, blickt sie zurück – nicht nur auf die goldenen Schallplatten, sondern auf die Narben, die Einsamkeit und die Wahrheit über ihre Beziehung zu Chris Norman, auf die Fans fast ein halbes Jahrhundert gewartet haben.

Detroit: Wo der Stahl gehärtet wurde
Um die Frau hinter dem Leder zu verstehen, muss man dorthin zurückkehren, wo alles begann: Detroit, Michigan, 1950. In einem Haus, in dem Musik so essenziell war wie die Luft zum Atmen, wuchs Suzi unter dem strengen Blick ihres Vaters Art Quatro auf. Er war es, der ihr unmissverständlich klarmachte: “Das ist ein Beruf. Du schuldest dem Publikum alles.” Diese Worte brannten sich in ihre Seele ein. Als sie mit sechs Jahren Elvis Presley im Fernsehen sah, wusste sie, dass sie nicht vor der Bühne stehen wollte – sie wollte die Bühne sein.
Doch der Weg dorthin war kein Spaziergang. Als Teenagerin in den rauen Clubs von Detroit musste sie sich in einer Welt behaupten, die Frauen an Instrumenten belächelte. Mit ihrer Band “The Pleasure Seekers” brach sie erste Barrieren, doch Detroit war auch ein Ort der familiären Enge und unausgesprochener Gefühle. Um wirklich zu fliegen, musste sie alles zurücklassen.
Die Flucht nach London und die Geburt einer Ikone
1971 traf sie die Entscheidung, die ihr Leben für immer verändern sollte. Der britische Produzent Mickie Most erkannte ihr Potenzial und holte sie nach London. Für die junge Suzi bedeutete das einen radikalen Schnitt: Sie ließ ihre Familie, ihre Heimat und ihre Sicherheit zurück, um in einem fremden Land ganz allein neu anzufangen.
Inmitten der explodierenden Glam-Rock-Welle fand sie ihre Bestimmung. Mit Hits wie “Can the Can” und “48 Crash” dominierte sie die Charts. Sie wurde zum Symbol einer neuen weiblichen Stärke – sexy, aber niemals ein Objekt. “Ich habe nie Haut gezeigt”, stellt sie heute stolz fest. “Man muss sich nicht ausziehen, um sexy zu sein.” Doch während sie auf der Bühne die Unbesiegbare mimte, wuchs hinter den Kulissen eine andere Geschichte heran – eine, die eng mit einem Namen verbunden ist: Chris Norman.

Das Geheimnis um Chris Norman und “Stumblin’ In”
Es war das Jahr 1978, als zwei Welten aufeinanderprallten. Suzi Quatro, die Rockröhre, und Chris Norman, die sanfte Stimme von Smokie, nahmen gemeinsam “Stumblin’ In” auf. Der Song wurde ein Welthit, doch was die Fans wirklich fesselte, war die unleugbare Chemie zwischen den beiden. Die Blicke, die Harmonie, die Zärtlichkeit – die Welt war überzeugt: Da läuft mehr.
Fast 50 Jahre lang wich Suzi den Fragen aus oder lachte sie weg. Doch nun, mit dem Abstand eines ganzen Lebens, spricht sie Klarheit. “Chris Norman war eine der wärmsten Seelen, mit denen ich je gearbeitet habe”, gesteht sie. Sie bestätigt, was viele ahnten: Die Gefühle, die die Fans spürten, waren echt. Es war keine Show. “Wir hatten eine Verbindung, eine seltene. Man hört es in der Musik.”
Doch sie enthüllt auch, warum aus dieser Magie nie eine offizielle Romanze wurde. Beide waren verheiratet, beide standen unter dem enormen Druck ihrer Karrieren. Ihre Beziehung blieb platonisch, getragen von tiefem Respekt und einer instinktiven Nähe, die keine Grenzen überschritt. Für Suzi wurde der Song bittersüß, weil er eine Seite von ihr zeigte, die sie sonst panzerte: ihre Verletzlichkeit.
Der hohe Preis des Erfolgs: Einsamkeit und Zerbruch
Während die Welt über eine Romanze spekulierte, kämpfte Suzi in ihrem Privatleben ums Überleben. Ihre Ehe mit ihrem Gitarristen Len Tuckey, mit dem sie zwei Kinder und ein Leben in einem Herrenhaus in Essex aufgebaut hatte, zerbrach 1992 nach 16 Jahren. Für Suzi war dies nicht nur das Ende einer Liebe, sondern der Verlust ihres musikalischen Partners und ihrer Stütze. “Es gehörte zu den dunkelsten Zeiten meines Lebens”, gibt sie zu.
Auch ihre zweite Ehe mit dem deutschen Promoter Rainer Haas endete schmerzhaft. Suzi, die Frau, die Millionen Fans zujubelten, fand sich oft in einem leeren Haus wieder, konfrontiert mit der ohrenbetäubenden Stille, wenn das Tourleben pausierte. Als ihre Kinder auszogen, fiel sie in ein tiefes Loch, das “Empty-Nest-Syndrom” traf sie mit voller Wucht. Das Haus, das einst voller Leben war, wurde zu einem Ort der schmerzhaften Erinnerungen, den sie schließlich verkaufen musste.

Körperliche Schmerzen und der Kampfgeist
Nicht nur die Seele, auch der Körper zahlte den Preis für Jahrzehnte auf der Überholspur. Schwere Stürze, wie 2012 in Kiew oder 2017, führten zu Knochenbrüchen und zwangen die disziplinierte Musikerin zu Zwangspausen. Für jemanden, der Stolz darauf war, nie eine Show zu verpassen, fühlte sich die körperliche Verletzlichkeit wie ein Verrat an. Doch Aufgeben war nie eine Option.
Das Ende der Lügen
Mit 75 Jahren ist Suzi Quatro fertig mit den Missverständnissen. Sie räumt endgültig mit den falschen Mythen auf, die sie als drogensüchtigen, sexbesessenen Rockstar darstellten. “Ich habe nie Drogen genommen”, stellt sie klar. Sie war die “Rehearsal Queen”, die Perfektionistin, die lieber im Fitnessstudio war als auf wilden Partys.
Auch die erfundenen Rivalitäten mit Kolleginnen wie Joan Jett oder angebliche Affären mit Alice Cooper verweist sie ins Reich der Fabeln. Was bleibt, ist die Erkenntnis einer Frau, die realisiert, dass die Öffentlichkeit oft nur eine Karikatur von ihr kannte. “Die Welt wusste nie wirklich, wer ich war”, sagt sie mit einer Mischung aus Erschöpfung und Ehrlichkeit.
Suzi Quatro hat ihren Frieden gefunden. Sie muss niemandem mehr etwas beweisen. Ihre Geschichte ist nicht nur die einer Rocklegende, sondern die einer Überlebenden, die trotz Herzschmerz, Einsamkeit und körperlichen Qualen immer wieder aufstand. Und was Chris Norman betrifft? Ihre Verbindung bleibt bestehen – als Beweis dafür, dass manche Seelenverwandtschaften keine Ehe brauchen, um ein Leben lang zu halten.