Es gibt Abschiede, die wie ein Donnerschlag hallen. Und es gibt Abschiede, die in einer Stille ertrinken, die lauter schreit als jedes Gitarrenriff. Der Tod von Paul Daniel „Ace“ Frehley, dem legendären „Spaceman“ von KISS, gehört zur zweiten Kategorie. Am 16. Oktober 2024, im Alter von 74 Jahren, endete das Leben einer Ikone nicht im Scheinwerferlicht einer ausverkauften Arena, sondern im sterilen Weiß eines Krankenhauszimmers in Morristown, New Jersey. Kein Feuerwerk, kein Konfettiregen. Nur das leise Piepen von Maschinen, bis auch dieses verstummte.
Die Todesursache war so tragisch wie banal: ein Sturz im eigenen Haus, der zu schweren inneren Blutungen führte. Ein Ende, das in krassem Gegensatz zu dem Mann stand, der einst in einem silbernen Anzug auf einer rauchenden Gitarre durch das Rock-Universum zu fliegen schien.

Ace Frehley war mehr als nur der Leadgitarrist von KISS. Er war das „spacige Herz“ der Band, der lebende Blitz, das unberechenbare Genie hinter der silbernen Maske. Doch während der „Spaceman“ Millionen begeisterte, kämpfte der Mensch Paul Frehley hinter der Glitzerfassade einen lebenslangen Kampf. Es ist die bittere Wahrheit über eine Legende, die zeigt, wie Ruhm, Kunst und Kommerz einen Menschen erschaffen und gleichzeitig zerstören können. Es ist die Geschichte eines Mannes, der am Ende mehr Mythos als Mensch war – und daran zerbrach.
Geboren am 27. April 1951 in der Bronx, New York, war Musik für den jungen Paul Frehley kein Karriereziel, sondern eine Notwendigkeit. Als jüngstes von drei Kindern lernte er das Gitarrespielen selbst, ohne Noten, ohne Lehrer. Er sog die Klänge von Jimmy Hendrix und Jeff Beck auf und entwickelte einen Stil, der roh, instinktiv und völlig einzigartig war.
Sein Eintritt in die Weltgeschichte des Rock ‘n’ Roll im Jahr 1973 war so chaotisch wie bezeichnend. Er erschien zur Audition bei einer Band, die sich KISS nennen sollte, mit zwei verschiedenfarbigen Schuhen. Er war in Gedanken versunken, nicht im Styling. Doch als er zu spielen begann, war die Sache klar. Gene Simmons, Paul Stanley und Peter Criss hatten ihren Mann gefunden. Sie hatten ihren „Ace“ gefunden.
Mit KISS wurde nicht nur eine Band, sondern ein globales Phänomen geboren. Und Ace war dessen kreative Wildcard. Während Simmons das Marketinggenie war und Stanley der dominante Frontmann, war Ace der stille Magier, dessen Aura weniger kalkuliert, sondern gefährlich und echt wirkte. Er schrieb einige der größten Hits der Band, darunter „Cold Gin“ und „Shock Me“.

Der Song „Shock Me“ entstand aus einer Nahtoderfahrung, die als Omen für sein späteres Leben gelten kann. 1976, auf dem Höhepunkt ihres Ruhms, erlitt Ace auf einer Bühne in Florida einen schweren Stromschlag durch ein nicht geerdetes Geländer. Er überlebte wie durch ein Wunder und verwandelte das Trauma in Kunst. Doch dieser Vorfall markierte einen Riss. Es war der Moment, in dem die Unverwundbarkeit des Rockgottes zerbrach und die Verletzlichkeit des Menschen dahinter sichtbar wurde.
Innerhalb der Band wuchsen die Spannungen. Für Simmons und Stanley wurde KISS immer mehr zu einer kontrollierten „Marke“. Für Ace, den impulsiven Künstler, wurde es zu einem goldenen Käfig. Er fühlte sich zunehmend wie ein „Statist im eigenen Universum“. Die Interviews aus dieser Zeit zeigen einen distanzierten, ironischen Mann. Sein exzessiver Konsum von Alkohol und Drogen war, wie die Quelle enthüllt, keine Rockstar-Dekadenz, sondern eine „Flucht“ aus einer Realität, die ihn zu verschlingen drohte.
1978 wagte er den Befreiungsschlag. Alle vier Mitglieder veröffentlichten Soloalben. Während die Alben der anderen kalkuliert wirkten, landete Ace mit „New York Groove“ einen Überraschungshit. Es war der triumphale Beweis: Ace Frehley war ein Star für sich allein, nicht nur ein Angestellter im Kostüm. Dieser Triumph war jedoch flüchtig und vertiefte die Gräben nur.
1982 verließ Ace Frehley schließlich die Band. Es war kein lauter Knall, sondern ein leiser Rückzug. Der offizielle Grund war das gegenseitige Einvernehmen. Die Wahrheit war, dass er sich „nicht mehr gehört fühlte“. Der Mann, der den Sound von KISS entscheidend geprägt hatte, war verstummt.
Die Jahre danach waren ein Kampf. Er veröffentlichte sporadisch Musik, kämpfte mit seiner Sucht und gesundheitlichen Rückschlägen. Während KISS ohne ihn weitermachten und – was für Ace ein tiefer Stich gewesen sein muss – neue Musiker in die ikonische „Spaceman“-Maske steckten, suchte Ace nach seiner eigenen Stimme.
Der vielleicht schmerzhafteste Akt der Entfremdung ereignete sich während der großen Reunion 1998. Das Album „Psycho Circus“ wurde als Rückkehr der Originalbesetzung gefeiert. Die Fans waren euphorisch. Doch die Wahrheit war eine Farce. Wie die Analyse zeigt, war Ace bei den Studioaufnahmen kaum anwesend. Studiomusiker spielten seine Parts. Sein Gesicht war auf dem Cover, sein Abbild stand bei Promoterminen, aber seine Musik, seine Seele, war nicht mehr gefragt. Die Fassade war perfekt, das Gefühl der Lüge umso tiefer.

In einem Interview im Jahr 2016 fasste Frehley seine Entfremdung in einem herzzerreißenden Satz zusammen: „Sie benutzten weiter mein Gesicht … Ich wurde zu einer Marke, die sie als Mensch nicht mehr brauchten.“
Man kann argumentieren, dass Ace an sich selbst gescheitert ist – an seinen Süchten, seiner Selbstsabotage, seinem Mangel an Geschäftssinn. Er war ein Künstler, kein Stratege. Doch ebenso wahr ist, dass das System, das er miterschaffen hatte, keinen Platz mehr für jemanden wie ihn hatte. Er war der unbequeme Geist, der lieber einen Verstärker zum Rauchen brachte, als einen Marketingplan abzunicken.
Während KISS mit einem neuen „Spaceman“ auf Tour gingen – einer Kopie – suchte der echte Ace Frehley in den letzten Jahren seines Lebens nach Frieden. Er wurde Berichten zufolge ruhiger, nachdenklicher. Er trank nicht mehr. Er widmete sich der Malerei, einer stillen Leidenschaft, und arbeitete an neuen Songs. Er fand zurück zu Paul Frehley.
Ein Foto, das ein Fan nach seinem Tod teilte, ging viral, weil es diesen Wandel perfekt einfing. Es zeigt Ace bei einem kleinen Charity-Konzert in einer Schule. Ohne Kostüm, ohne Schminke. Nur er, eine Akustikgitarre und ein paar Schüler. Er lächelt, nicht triumphal, sondern still, fast scheu. Es war, wie die Quelle es treffend beschreibt, „der Moment, in dem der Spaceman die Erde berührte“.
Sein Ende war leise. Nach dem Sturz in seinem Haus kämpften die Ärzte tagelang um sein Leben. Am Ende wurden die Maschinen abgeschaltet, seine Familie war bei ihm. Seine Tochter Monique hinterließ eine Notiz: „Danke für alles, Dad. Du hast deinen Weg zurück zu den Sternen gefunden.“
Das Vermächtnis von Ace Frehley ist kein glattes Porträt. Es ist ein „Mosaik aus Licht und Schatten“. Er war Genie und Rebell, Kind und Kämpfer. Sein Leben ist eine Mahnung daran, wie die Industrie des Ruhms Menschlichkeit verschleißen kann, wenn die Maske mehr zählt als der Mensch dahinter.
Sein Vermächtnis liegt nicht in Verkaufszahlen. Es liegt in der Emotion, in dem ungestümen, unperfekten Gefühl seiner Soli. Er war die Idee, dass es in Ordnung ist, anders zu sein, nicht dem Takt der Masse zu folgen, sondern dem eigenen, unregelmäßigen Herzschlag. Am Ende war sein Abgang ohne Maske und ohne Lärm vielleicht der echteste Moment seines öffentlichen Lebens. Der „Spaceman“ ist heimgekehrt, aber der Mann, Paul Frehley, hat uns gezeigt, was es kostet, echt zu bleiben.