Er ist eine Ikone. Eine lebende Legende, deren Stimme Generationen von Deutschen geprägt hat. Heino, der Mann mit der markanten Sonnenbrille und der unverkennbaren Baritonstimme, war jahrzehntelang das Symbol der Beständigkeit, der höfliche Gentleman der Volksmusik. Doch hinter der Fassade des ewigen Lächelns brodelte es. Jetzt, im Alter von 86 Jahren, bricht der Mann, der bürgerlich Heinz Georg Kram heißt, sein langes Schweigen und bestätigt, was viele seit Jahren nur ahnen konnten.
“Ich war zu lange still”, sagte er kürzlich in einem aufsehenerregenden Gespräch, seine Stimme leiser und rauer als gewohnt. “Aber jetzt ist mir alles egal. Ich habe nichts mehr zu verlieren.”
Es ist eine Lebensbeichte, eine späte Abrechnung mit einer Branche, die ihn feierte, aber, wie er sagt, auch verletzte, benutzte und verriet. Heino, der fast sieben Jahrzehnte im Rampenlicht stand, will nicht länger die Maske des freundlichen Sängers tragen. Er will als Mensch sprechen – über Intrigen, falsche Freunde und den kalten Glanz des Showgeschäfts, der oft mit Einsamkeit bezahlt wird.
“Sie sahen mich immer als das nette Gesicht der Volksmusik”, erklärt Heino. “Aber sie wussten nicht, was hinter den Kulissen wirklich passiert ist.” Was folgt, ist keine Rache, sondern die späte Wahrheit eines Mannes, der das Gefühl hat, zu oft vergeben zu haben. “Wenn du zu oft verzeihst, verlieren sie den Respekt.”
Symbolisch hält er einen vergilbten Zettel in der Hand. Darauf, so sagt er, stehen fünf Namen. Namen, die in Deutschland jeder kennt. Einst Weggefährten, heute für ihn Symbole des Verrats.
Die Akte Bohlen: “Er hat mich nie respektiert”
Der erste Name, den Heino nennt, gehört zu dem wohl provokantesten Mann im deutschen Musikgeschäft: Dieter Bohlen. Für Heino steht der “Pop-Titan” für eine Kultur der Respektlosigkeit, die ihn zutiefst verletzt hat. “Er hat mich nie respektiert, und das werde ich nie vergessen”, sagt Heino mit bitterem Lächeln.
Die Spannungen begannen, als Bohlen mit “Deutschland sucht den Superstar” zur mächtigsten Stimme des deutschen Pop wurde. Heino, damals schon eine Legende, beobachtete Bohlens offene Beleidigungen junger Künstler mit Entsetzen. Öffentlich feuerte Bohlen gegen den traditionellen Schlager. Er nannte ihn “Rentner Sound” und fügte süffisant hinzu: “Heino ist ein gutes Beispiel dafür, wie man mit alten Liedern jung bleiben will. Nur leider klappt’s nicht.”
Ein Satz, der Heino traf. “Ich habe nie jemanden beleidigt”, sagt der 86-Jährige. “Aber er lebt davon, andere kleinzumachen.” Als Heino 2013 mit seinem überraschenden Rockalbum “Mit freundlichen Grüßen” die Charts stürmte, legte Bohlen nach: “Das ist, als würde meine Oma Rammstein singen.”
Heino schwieg damals. Heute sagt er: “Es hat mich getroffen, nicht weil er recht hatte, sondern weil ich wusste, dass er es ernst meinte.” Für Heino prallten zwei Welten aufeinander: seine, in der Musik eine Berufung mit Seele ist, und Bohlens, in der Musik nur “Kalkulation” sei. “Er schreibt Songs wie andere Leute Rechnungen schreiben. Effizient, kalt, ohne Herz.” Heino sieht in Bohlen den Verlust von Anstand und das Symbol eines neuen Deutschlands, in dem Respekt durch Quote ersetzt wurde.
Der Erbe, der ihn verdrängte: Florian Silbereisen
Wenn es jemanden gab, den Heino als seinen musikalischen Sohn betrachtete, dann war es Florian Silbereisen. Er sah in dem jungen, charmanten Moderator die Zukunft des Schlagers. Heino nahm sich Zeit, gab dem aufstrebenden Star Ratschläge, sprach über Lampenfieber und Ehrlichkeit. “Ich sah in ihm einen, der unsere Musik retten konnte”, erinnert sich Heino.
Doch mit dem kometenhaften Aufstieg Silbereisens zur Allzweckwaffe des deutschen Fernsehens kam das, was Heino die “Verwandlung” nennt. “Er wurde zur Marke”, sagt Heino. “Alles war perfekt, zu perfekt. Da war kein Mensch mehr, nur noch ein Produkt.”
Der Bruch kam 2015 bei einer TV-Gala. Heino war eingeladen, Silbereisen moderierte. Was als freundschaftliches Treffen gedacht war, wurde für Heino zur öffentlichen Demütigung. “Er machte Witze über mein Alter, über meine Sonnenbrille, meine Stimme. Und das Publikum lachte”, erzählt Heino sichtlich bewegt. “Ich stand da und dachte: Das ist also Dankbarkeit.”
Für Heino war es ein “symbolischer Staffelstab”, der sich anfühlte wie ein “Dolchstoß”. Der Schüler hatte den Lehrer vor laufenden Kameras verdrängt und lächerlich gemacht. Heino mied fortan TV-Shows mit Silbereisen. Er gibt heute zu, dass es schmerzte. “Ich sah zu, wie er genau das wurde, was ich nie sein wollte: ein Gesicht ohne Seele.” Für Heino hat Silbereisen den Geist der Musik “verkauft” – für den Erfolg, für die Quote.
Die Fassade der Perfektion: Andrea Berg
Auch mit der unangefochtenen Königin des modernen Schlagers, Andrea Berg, hat Heino eine Rechnung offen. Für Millionen ist sie die emotionale Ikone, für Heino ist sie “die Verkörperung dessen, was aus meiner geliebten Musik geworden ist: eine perfekt inszenierte Illusion.”
“Sie verkauft Gefühle wie andere Souvenirs”, meint Heino bitter. “Früher war der Schlager ehrlich, heute ist er Marketing.” Der endgültige Bruch ereignete sich in den 2010er Jahren. Heino war zu einer großen Jubiläumsgala eingeladen, bei der Andrea Berg der Stargast war. Er sollte sie auf der Bühne überraschen, ein gemeinsames Medley singen.
Kurz vor der Live-Sendung wurde er ausgeladen. Der Grund: Andrea Berg habe “künstlerische Bedenken” geäußert, das Konzept könne “zu altmodisch” wirken. “Ich erfuhr es erst am selben Tag”, erinnert sich Heino. “Sie haben mir im Hotel gesagt, ich solle lieber wieder heimfahren. Ich war sprachlos.” Für den Altmeister ein Schlag ins Gesicht. “Ich stand 60 Jahre auf der Bühne, und plötzlich bin ich nicht mehr modern genug, um mit ihr ein Lied zu singen?” Er fühlte sich behandelt wie ein “Fossil”. Für ihn ist Andrea Berg der Beweis, dass Erfolg eine “Krankheit” sein kann – eine Maske, hinter der nur noch Kalkül statt Herz steckt.
Vom Genie zum Verräter: Xavier Naidoo
Von allen Namen auf seiner Liste ist es Xavier Naidoo, der Heino am tiefsten enttäuscht hat. Nicht als Freund, sondern als Künstler. Heino war einer von Naidoos größten Bewunderern, als dieser Ende der 90er die Szene betrat. “Er hatte alles”, schwärmt Heino fast. “Eine Stimme, die berührt, Texte, die unter die Haut gingen, und den Mut, anders zu sein.”
Heino sah in ihm die Zukunft, jemanden mit echter Seele. Doch er musste zusehen, wie diese Hoffnung zum Albtraum wurde. Naidoo veränderte sich, sprach über dunkle Mächte und geheime Wahrheiten, bis es nicht mehr um Musik, sondern um Wut ging. “Ich sah seine Auftritte und konnte es nicht glauben. Dieser Mann, der einst von Liebe gesungen hatte, sprach plötzlich über Hass.”
Für Heino, der stets an das Gute in der Musik glaubte, war dies der ultimative Verrat. “Er hat verraten, was Musik bedeutet: Verbindung, Trost, Menschlichkeit.” Als Naidoo begann, öffentlich extreme Ansichten zu äußern, war Heino schockiert. “Da wusste ich, er ist verloren.” Er sieht Naidoo als warnendes Beispiel: “Wenn du glaubst, du bist größer als deine Musik, dann stirbt sie zuerst. Und du später.” Heino verachtet ihn nicht, er bedauert ihn – als ein verlorenes Talent, das sich entschied, ins Dunkel zu gehen.
Der Clown der Branche: Michael Wendler
Über den fünften Namen, Michael Wendler, spricht Heino mit einer spürbaren Müdigkeit. Wendler war für ihn nie ein Idol, sondern ein “Phänomen”. “Er wollte glänzen”, sagt Heino, “aber was er tat, war blenden.”
Anfangs sah Heino ihn als harmlosen Draufgänger. Doch dann kamen die Skandale, der Größenwahn und schließlich der Absturz in die Welt der Verschwörungsmythen. Für Heino war Wendler nie ein echter Musiker, sondern ein “Verkäufer”, der Emotionen verkaufte, die er nie fühlte.
Was Heino ihm am meisten vorwirft: Wendler hat dem ganzen Genre geschadet. “Wir kämpften damit, diese Musik ernst genommen wird. Und dann kommt einer, macht sich zum Clown und zieht alles ins Lächerliche.” Wendler, so Heino, sei der Grund, warum viele Schlager nur für Kitsch halten. Er erinnert sich an eine Begegnung, bei der Wendler grinste und sagte: “Heino, du bist der Alte, ich bin die Zukunft.” Heute sieht Heino ihn als Mahnmal: “Er wollte ein Star sein und wurde eine Warnung.”
Frieden im Schweigen
Es ist still geworden um Heino. Mit 86 Jahren sitzt er in seinem Wohnzimmer in Bad Münstereifel, umgeben von Erinnerungen. Er wollte keine Rache, er wollte nur, “dass die Leute verstehen, dass auch ein Star fühlen kann.”
Er bereut nicht, so spät gesprochen zu haben. Er hat eine Lektion gelernt, die er nun teilt: “Wenn man jung ist, hat man Angst, etwas zu verlieren. Wenn man alt ist, merkt man, dass das Schweigen einen viel mehr kostet.”
Die Öffentlichkeit mag ihn als den Mann mit der Sonnenbrille erinnern. Doch wer jetzt hinhört, sieht einen Menschen, der in einer Welt voller Masken sein Gesicht nicht verloren hat. Er legt eine alte Platte auf, es knarzt, und “Blau blüht der Enzian” ertönt. Heino lacht, ein echtes, warmes Lachen. “Ja”, flüstert er. “Das war mein Leben. Laut, kitschig, ehrlich.” Und für einen Moment scheint es, als hätte ein alter Mann, der fast 70 Jahre lang gesungen hat, endlich seinen Frieden gefunden.