Ein Mann, eine Bühne, ein Leben, das reicher an Höhen und Tiefen kaum sein könnte. Howard Carpendale, der deutsch-südafrikanische Schlager-Titan, steht mit 79 Jahren am Rande eines neuen Meilensteins: seines 80. Geburtstags. Doch anstatt sich in den leisen Tönen des Ruhestands zu wiegen, brennt das Feuer in ihm heller denn je. In einer Zeit, in der viele seiner Generation das Tempo drosseln, startet Carpendale noch einmal durch – mit einer Offenheit, die entwaffnet, und einer Lebensphilosophie, die inspiriert. In einem seiner jüngsten Interviews gewährte er einen tiefen, fast schon intimen Einblick in seine Seele und sprach über das Thema, das die meisten Menschen fürchten: den Tod. Seine Worte sind kein Klagelied, sondern eine kraftvolle Hymne an das Leben.
„Ich bin Realist. Ich gehe nicht davon aus, dass ich 100 werde, und es ist mir auch völlig egal“, erklärt Carpendale mit einer beeindruckenden Gelassenheit. Diese Aussage, so direkt und ungeschönt, ist der Kern seiner aktuellen Lebensphase. Er, der mit Hits wie „Ti amo“ und „Hello again“ die Herzen von Millionen eroberte, hat keine Angst vor dem letzten Vorhang. Im Gegenteil: „Ich möchte diese Jahre so fröhlich leben, wie ich kann, und das gelingt im Moment. Ich bin, glaube ich, glücklicher als ich je war.“ Es ist das Bekenntnis eines Mannes, der Frieden mit sich und seiner eigenen Endlichkeit geschlossen hat.
Doch dieser Frieden ist teuer erkauft. Carpendales Weg war gepflastert mit schmerzhaften Verlusten, die seine Sicht auf die Welt nachhaltig prägten. Der Tod ist für ihn kein abstrakter Begriff, sondern ein Begleiter, der ihm die Zerbrechlichkeit des Lebens immer wieder brutal vor Augen führte. „Meine ganze Familie lebt nicht mehr“, offenbarte er in einem Interview. Eine schockierende Aussage, hinter der sich eine Kette von Familientragödien verbirgt. Sein Vater Douglas starb mit nur 59 Jahren an einem Herzinfarkt, als Howard in Deutschland am Anfang seiner Karriere stand. Der Schmerz, sich nicht verabschieden zu können, sitzt tief. „Man rief mich damals an und sagte, er hatte gestern einen Herzanfall. Ich wollte ihm noch so viel sagen. Dass ich ihn liebe, dass er ein guter Vater war.“ Carpendale nahm das nächste Flugzeug, doch er kam zu spät. Ein Trauma, das ihn bis heute bewegt und seinen Wunsch formt, dass seine eigenen Liebsten es einmal leichter haben sollen.
Die Schicksalsschläge rissen nicht ab. Seine beiden Schwestern, Jean und Anne, starben ebenfalls viel zu früh. Und auch der Abschied von seiner Mutter Beatrice war dramatisch. Sie litt an Demenz und verstarb mit 92 Jahren an den Folgen eines tragischen Unfalls. Carpendale, damals in Amerika, eilte erneut über den Atlantik. „Sie lag im Bett mit geschlossenen Augen. Als sie meine Stimme erkannte, blickte sie mich an, lächelte, dann schlief sie für immer ein.“ Diese Momente des Abschieds und des Nicht-Abschied-nehmen-Könnens haben ihn gelehrt, das Jetzt zu umarmen und die Endlichkeit als festen Bestandteil des Daseins zu akzeptieren.
Diese Haltung spiegelt sich auch in seiner Bewunderung für den verstorbenen Autor Christopher Hitchens wider. Carpendale erzählt gerne die Anekdote von einer Podiumsdiskussion, bei der ein Redakteur zu dem krebskranken Hitchens sagte: „Wissen Sie – Sie werden bald sterben.“ Hitchens’ unerschrockene Antwort: „Sie auch.“ Für Carpendale ist das mehr als nur eine schlagfertige Erwiderung. „Diese Haltung hat mich sehr beeindruckt. Wir müssen alle damit klarkommen.“ Es ist diese universelle Wahrheit, die er für sich angenommen hat und die ihm die Angst nimmt.
Er nimmt sich selbst und seine immense Berühmtheit nicht mehr allzu ernst. Der Trubel des Showgeschäfts, die ausverkauften Arenen, die ewigen Hits – all das ist eine Quelle der Freude, aber nicht der Kern seiner Identität. „Was ich mache, das bereitet mir viel Freude, aber wenn eines Tages meine Stunde geschlagen hat, dann werden ein paar Leute zwei, drei Tage traurig sein, und danach ist wieder etwas anderes wichtig.“ Diese Nüchternheit schützt ihn vor den Illusionen des Ruhms und erdet ihn. Er genießt seine zwei Leben: das des Superstars in Deutschland und das des anonymen Golfspielers in seiner Wahlheimat Florida, wo ihn niemand erkennt.
Sein Blick auf die Karriere ist ebenso reflektiert. Der Rücktritt von der Bühne im Jahr 2003 war, wie er selbst sagt, „der größte Fehler meines Lebens“. Die Stille war lauter als der Applaus. Er brauchte die Musik, die Verbindung zum Publikum, die Energie der Live-Auftritte. Deshalb kehrt er nun für eine letzte große Tournee in den Jahren 2025 und 2026 zurück. Es ist kein wehmütiger Abschied, sondern ein bewusstes Feiern des Moments, ein letztes großes Aufbäumen seiner Leidenschaft.
Seine Botschaft an seine Liebsten, allen voran seine Frau Donnice Pierce, mit der er das Thema Tod meidet, weil es ihr zu sehr zusetzt, ist klar und voller Liebe: „Ihr müsst wegen mir nichts bereuen. Keiner soll sich den Kopf zerbrechen: ‚Mein Gott, haben wir ihn zeitlebens richtig behandelt?‘“ Es ist der Wunsch, in Frieden zu gehen und Frieden zu hinterlassen. Er vertraut darauf, dass seine Söhne Wayne und Cass sich um Donnice kümmern werden. Der enge Familienzusammenhalt gibt ihm die nötige Sicherheit.
Howard Carpendale ist im Herbst seines Lebens angekommen, doch dieser Herbst leuchtet in den kräftigsten Farben. Er ist mehr als nur ein Schlagersänger; er ist ein Philosoph wider Willen, ein Lebenskünstler, der aus den dunkelsten Kapiteln die hellsten Lehren gezogen hat. Seine Geschichte ist ein Plädoyer dafür, das Leben in all seinen Facetten anzunehmen – die Freude und den Schmerz, den Erfolg und den Verlust, den Anfang und das unausweichliche Ende. Mit fast 80 Jahren steht er nicht am Ende seines Weges, sondern auf dem Gipfel seiner Lebensweisheit und schenkt uns eine Botschaft, die einfacher und zugleich tiefgründiger nicht sein könnte: Lebe jetzt. Lebe fröhlich. Und habe keine Angst.