Es gibt Momente im Leben einer öffentlichen Person, in denen die sorgsam polierte Fassade Risse bekommt und den Blick auf eine Realität freigibt, die so schmerzhaft menschlich ist, dass sie dem Betrachter den Atem raubt. Howard Carpendale, die lebende Legende des deutschen Schlagers, der Mann, der mit seinen Melodien Millionen Herzen wärmt, hat nun im Alter von 79 Jahren genau diesen Schritt gewagt. In seiner neuen Autobiografie „Unerwartet“, die am 27. November erscheint, legt er den Schutzschild ab, den er jahrzehntelang wie eine zweite Haut trug. Was darunter zum Vorschein kommt, ist nicht der strahlende Held, sondern ein Mann, der Fehler gemacht hat – Fehler, die beinahe das Leben des Menschen zerstört hätten, den er am meisten liebt: seine Frau Donnice.

Der Verrat im Glanz von Monaco
Wir schreiben das Jahr 1994. Es ist eine Zeit, in der Howard Carpendale beruflich auf einer Welle des Erfolgs reitet. Für die RTL-Serie „Matchball“ steht er im mondänen Monaco vor der Kamera. Die Kulisse könnte nicht glamouröser sein: Azurblaues Meer, Yachten, die Sonne der Côte d’Azur. Doch während die Kameras laufen, spielt sich im Privaten ein Drama ab, das in krassem Gegensatz zur heilen Welt des Fernsehens steht.
Kurz zuvor hatte Carpendale seiner Lebensgefährtin Donnice noch eine Liebeserklärung gemacht, ihr versichert, dass sie die Einzige für ihn sei. Doch in der flirrenden Hitze Monacos geschieht das Unfassbare: Er verliebt sich in eine andere Frau. In seinem Buch beschreibt Carpendale diesen Zustand fast wie einen Rausch. „Jeder Tag, jede Nacht ist wie ein schöner Traum. Ich bin wie ausgewechselt“, erinnert er sich an die Gefühle, die ihn damals übermannten. Ein klopfendes Herz, die Verlockung des Neuen – all das ließ ihn vergessen, was er zu Hause auf dem Spiel setzte. Es war ein klassischer Seitensprung, ein Moment der Schwäche, der jedoch eine Lawine auslöste, die niemand hätte vorhersehen können.
Der Absturz in die Dunkelheit
Als Carpendale nach Hause zurückkehrt und Donnice den Seitensprung gesteht, bricht für sie eine Welt zusammen. Doch es ist nicht nur der Schmerz über den Betrug, der sie trifft. Der Verrat wirkt wie ein Katalysator, der tief verborgene Traumata an die Oberfläche spült. Donnice, die Frau, die an seiner Seite immer so stark gewirkt hatte, verliert den Boden unter den Füßen.
Die Beschreibungen in Carpendales Buch sind von einer brutalen Ehrlichkeit. Er schildert chaotische Tage, in denen er seine Partnerin kaum wiedererkannte. Donnice beginnt zu trinken. Sie verschwindet, kommt tagelang nicht nach Hause, spricht im Rausch wildfremde Menschen an. „Ich spiele Golf“, sagt sie lallend – Sätze, die keinen Sinn ergeben, Handlungen, die von völliger Orientierungslosigkeit zeugen. Die Beziehung, die einst so fest schien, zerbricht zunächst unter der Last dieses massiven Vertrauensbruchs.
Carpendale beschreibt seine eigene Hilflosigkeit in dieser Zeit eindringlich. „So sehr ich Donnice liebe, so sehr ich mitfühle, so verstörend finde ich es, wenn sie betrunken ist. Manchmal halte ich es kaum aus.“ Es ist das Geständnis eines Mannes, der zusehen muss, wie der geliebte Mensch sich selbst zerstört, und der weiß, dass er den Auslöser dafür gedrückt hat.
Ein Leben voller Brüche
Doch die Affäre war nur der Funke, der ein Pulverfass zur Explosion brachte. Um das Ausmaß von Donnices Leid zu verstehen, muss man in ihre Vergangenheit blicken. Carpendale offenbart in seinem Buch die tragische Kindheit seiner Frau, die wie ein düsterer Schatten über ihrem Leben liegt. Donnice wuchs nicht behütet auf. Sie wurde durch über 30 Pflegefamilien gereicht – eine Zahl, die allein beim Lesen schwindelig macht.
In diesem instabilen Umfeld war Alkohol allgegenwärtig. Er war Tröster, Betäuber, Dämon. „Die alten Dämonen sind nicht fort“, schreibt Carpendale. Der Verrat ihres Partners bestätigte vielleicht eine tiefe, innere Überzeugung, nicht gut genug zu sein, nicht liebenswert zu sein. Donnice kämpfte einen stillen, einsamen Kampf. Was als „kaum wahrnehmbares Rutschen“ begann, entwickelte sich zu einem Teufelskreis aus kurzen Phasen der Abstinenz und brutalen Rückfällen.
Das energische, fröhliche Mädchen, in das sich Howard einst verliebt hatte, ließ sich mehr und mehr gehen. Mehrere Klinikaufenthalte scheiterten. Die Hoffnung, dass alles wieder „normal“ werden würde, schwand mit jedem Rückfall. Carpendale, der es gewohnt war, auf der Bühne die Kontrolle zu haben und sein Publikum zu dirigieren, musste schmerzhaft lernen, dass er hier machtlos war. Er konnte sie nicht retten, solange sie nicht bereit war, sich selbst zu retten.
Die Wende und das späte Glück
Es ist ein Zeugnis ihrer beider Stärke, dass diese Geschichte kein tragisches Ende nahm. Heute, so berichtet Carpendale stolz, ist Donnice seit sechs Jahren trocken. Der Weg dorthin war steinig und voller Rückschläge, doch sie haben ihn gemeistert. Die Ehe ist heute stabil, vielleicht stabiler als je zuvor, weil sie durch das Feuer gegangen ist.
Die Beschreibungen ihres heutigen Alltags sind rührend in ihrer Schlichtheit. „Ich kann stundenlang neben ihr sitzen, ohne dass sie etwas sagen muss. Ich greife einfach nach ihrer Hand und bin froh“, schreibt der Sänger. Es ist nicht mehr der Rausch von Monaco, der ihn glücklich macht, sondern die tiefe, ruhige Verbundenheit zweier Menschen, die einander alles verziehen haben. Diese Nähe und Ruhe sind der Lohn für den jahrzehntelangen Kampf.
Ein Buch der schonungslosen Wahrheit
Dass Howard Carpendale diese intimen Details nun, kurz vor seinem 80. Lebensjahr, mit der Öffentlichkeit teilt, ist mutig. Es demontiert das Bild des unfehlbaren Stars und zeigt den Menschen mit all seinen Fehlern und Ängsten. In „Unerwartet“ geht er sogar noch weiter zurück und spricht über ein weiteres traumatisches Kapitel: Als Zehnjähriger wurde er selbst Opfer von sexuellem Missbrauch. Auch diese Wunde legt er offen, vielleicht um zu zeigen, dass niemand ohne Narben durchs Leben geht.
Das Buch ist mehr als nur eine Promi-Biografie. Es ist eine Auseinandersetzung mit Schuld, Verantwortung und der zerbrechlichen Natur der Liebe. Es zeigt, wie schmerzhaft eigene Fehlentscheidungen werden können, wenn sie genau die Menschen treffen, die einem am wichtigsten sind. Aber es ist auch eine Geschichte der Hoffnung. Es zeigt, dass es nie zu spät ist, umzukehren, um Verzeihung zu bitten und gemeinsam einen neuen Weg zu finden.
Für die Fans von Howard Carpendale mag diese Offenheit zunächst ein Schock sein. Doch am Ende macht sie ihn nahbarer denn je. Sie zeigt, dass hinter dem Glanz der Showbühne echte Menschen stehen, die kämpfen, leiden und lieben – genau wie wir alle. Und sie erinnert uns daran, dass Liebe nicht bedeutet, keine Fehler zu machen, sondern einander auch in den dunkelsten Stunden nicht loszulassen.