Die Geschichte von Albano Carisi ist eine epische Erzählung über triumphalen Aufstieg, unsterbliche Liebe und einen tiefen, seelenzersetzenden Schmerz, der die größte Musiklegende Italiens bis heute nicht loslässt. Er ist nicht nur die „goldene Stimme Italiens“, eine Ikone, deren Lieder wie „Felicidà“ und „Nel Sole“ Generationen in Europa und weit darüber hinaus berührt haben. Albano, der oft als „Der Löwe von Cellino“ bezeichnet wird, ist auch ein Mann, dessen Leben durch eine einzige, unsagbare Tragödie für immer in ein Vorher und Nachher gespalten wurde: das spurlos Verschwinden seiner geliebten Tochter Ylenia im Jahr 1994.
Jenseits des Ruhms, der wiedervereinten Auftritte mit Romina Power und seiner aktuellen Familie verbirgt sich ein Mann, der in jüngsten, herzzerreißenden Interviews offen über ein Trauma spricht, das wie eine „Wunde“ ist, die sich bei jeder Erwähnung aufs Neue öffnet. Seine Offenheit über die anhaltenden Ängste, die Einnahme von Beruhigungsmitteln und das Gefühl, von den Medien wie ein Mörder behandelt worden zu sein, zeichnet das Porträt einer lebenden Legende, die im Angesicht des Leids schlichtweg darum kämpft, „emotional weiter zu existieren“.

Der Aufstieg aus der apulischen Erde
Geboren am 20. Mai 1943 in dem malerischen apulischen Dorf Cellino San Marco in der Provinz Brindisi, entstammt Albano Carisi einer tief verwurzelten Bauernfamilie. Die Mutter, Jolanda Ottino, gab ihm den Namen Albano, eine Hommage an den Vater, Camelo Carisi, der während des Zweiten Weltkriegs in Albanien diente. Es war eine bescheidene Herkunft, fernab des Glamours, doch in den Feldern entwickelte der junge Albano seine tiefe Liebe zur Musik. Die Gitarre, gespielt an der Seite des Vaters, wurde früh zu seinem Begleiter. Sein erster, nie veröffentlichter Song, „Adio Sizilia“, schrieb er mit nur zwölf Jahren.
Mit 17 traf Albano die mutige, lebensverändernde Entscheidung: Er brach seine Ausbildung ab und zog nach Mailand, um den Traum einer professionellen Sängerkarriere zu verwirklichen. Der Start war holprig; Albano erzählte später von der kulturellen Kluft, als er in der pulsierenden Metropole eine Ananas für eine Fleischsorte hielt – ein Bild, das seine Unvertrautheit mit der Großstadt perfekt einfängt. Um über die Runden zu kommen, arbeitete er als Kellner im berühmten Restaurant Il Dolaro. Es war dieser Job, der ihm die Türen öffnete: Pino Cara entdeckte ihn dort und führte ihn unter dem Künstlernamen Al Bano in die Musikindustrie ein.
Der große Durchbruch gelang 1967 mit der Veröffentlichung von „Nel Sole“. Der Song verkaufte sich rund 1,5 Millionen Mal, katapultierte ihn in den kometenhaften Aufstieg und legte den Grundstein für eine spektakuläre Karriere. Die 1980er Jahre wurden zu seinem Höhepunkt, geprägt von Welterfolgen wie „Liberar“, „Nostalgia Canaglia“ und „Cara Terra Mia“. Al Bano war endgültig zu einer der bekanntesten Musiklegenden Italiens aufgestiegen.
Die Traumehe: Al Bano und Romina Power
Auf dem Höhepunkt seines Ruhms, 1967, lernte Albano Carisi Romina Power kennen. Romina, die Tochter der Hollywood-Legende Tyrone Power, war eine der berühmtesten Schauspielerinnen des italienischen Kinos und stand für Eleganz, Schönheit und eine hervorragende Ausbildung – eine Welt, die im krassen Gegensatz zu Albanos bescheidenem Geburtsort Cellino stand.
Trotz der enormen Zweifel, die die italienische Presse und die Gesellschaft in Apulien an der Dauerhaftigkeit ihrer Verbindung hegten – Albano, der einfache Mann vom Land, und Romina, die mondäne Schönheit – heirateten sie am 26. Juli 1970. Albano war 27, Romina gerade 18. Entgegen allen Unkenrufen führten sie eine stabile Ehe und wurden Eltern von vier Kindern: Ylenia, Yari, Cristel und Romina Iolanda.
Als Künstlerduo waren Albano und Romina Power weltweit ein Phänomen. Um sich voll und ganz der Musik zu widmen, unterbrach Romina ihre vielversprechende Filmkarriere. Ihre Chemie, ihr Charisma auf der Bühne und ihre mitreißenden Hits wie „Felicidà“, „Ci Sarà“ und „Oggi Sposi“ machten sie zu einem der gefragtesten Duos der Welt. Sie traten fünfmal beim Sanremo Festival auf und nahmen zweimal am Eurovision Song Contest teil. Ihre Auftritte waren von einem Zauber umgeben, der die Herzen des Publikums im Sturm eroberte.

Der Beginn des Albtraums: Ylenias Verschwinden
Der größte Albtraum ihres Lebens begann im Januar 1994, als das scheinbar unantastbare Glück der Familie mit einem Schlag zerbrach. Während eines Urlaubs in New Orleans verschwand Ylenia Carisi, die älteste Tochter des Paares, spurlos. Sie wurde nie lebend gefunden, und es gab keine stichhaltigen Hinweise auf ihren Aufenthaltsort, obwohl umfangreiche Suchaktionen und eine intensive mediale Berichterstattung weltweit stattfanden.
Die Ungewissheit wurde zu einer quälenden, endlosen Folter für die Eltern. Der einzige glaubwürdige Zeuge, ein Wachmann des New Orleans Aquarium, behauptete, eine Frau gesehen zu haben, die Ylenia ähnelte und in den Mississippi gesprungen sei. Diese Aussage sorgte weltweit für Schlagzeilen, lieferte jedoch keine Gewissheit, sondern befeuerte nur die Spekulationen.
Berichte kursierten, die Ylenia als einen schwierigen Charakter darstellten, der möglicherweise Kontakt zu einem Drogendealer hatte. Solche Spekulationen fügten dem Schmerz der Eltern eine weitere Ebene der Qual hinzu. Das psychische Trauma, die immense Ungewissheit und die widersprüchlichen Gefühle der Hoffnung und Verzweiflung wurden zu einer unerträglichen Last für das Paar.
Die Dezimierung der Liebe und die Wunde, die nie heilt
Albano und Romina waren nicht in der Lage, die emotionale Erschütterung zu bewältigen, die der Verlust ihrer Tochter von ihnen abverlangte. Ihre bis dahin felsenfeste Beziehung begann zu zerfallen. Die gemeinsame Trauer verwandelte sich in einen Schmelztiegel, der die Liebe nicht überleben ließ, und 1999, nach über drei Jahrzehnten Ehe, beschloss das Paar, sich scheiden zu lassen.
Doch die Qual war damit nicht beendet. Im Jahr 2005 sorgte die Journalistin Lydia Lozano für Schlagzeilen, als sie behauptete, Beweise dafür zu haben, dass Ylenia noch am Leben sei. Eine falsche Hoffnung flammte auf, nur um kurze Zeit später wieder erstickt zu werden, als Lozano sich entschuldigen musste, da ihre Informationen aus einer unseriösen Quelle stammten. Diese anhaltenden Verdächtigungen und die ständige Konfrontation mit dem Fall in den Medien zwangen Albano und Romina, ihren Albtraum immer wieder aufs Neue zu durchleben.
Es dauerte Jahre der Unklarheit, bis das Gericht von Brindisi im Dezember 2014 den offiziellen Schlusspunkt unter den Fall setzte und Ylenia für tot erklärte. Die juristische Entscheidung beendete zwar die Ungewissheit des Status, nicht jedoch das emotionale Trauma.
In jüngster Zeit hat Albano in den emotionalsten Interviews seiner Karriere über die verheerenden Auswirkungen von Ylenias Abwesenheit gesprochen. „Über sie zu sprechen ist, als würde man eine Wunde öffnen, die so schmerzhaft ist“, gestand er sichtlich gerührt. Er bezeichnete die Trauer als eine „spirituelle Abrechnung“ mit einer höheren Macht. In der Show Belve bei Francesca Fagnani enthüllte er die Dunkelheit, in die er gestürzt war: „Es gab Nächte, in denen ich ohne Lexotan nicht schlafen konnte.“ Er beschrieb, wie der Kummer sein Leben lähmte und ihn in eine ständige Schleife des Verlustes zwang.
Die ständige mediale Aufmerksamkeit habe die Last nur noch schwerer gemacht, so Albano. Er habe sich wie ein „Mörder“ gefühlt, als Gerüchte kursierten, er hätte Ylenia zu Hause versteckt, um den Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Trotz dieser unvorstellbaren Qual ist seine Entscheidung klar: „Wenn Gott sein eigenes Kind verloren hat, warum sollte ich mich nicht bemühen, trotz meines Kindes zu leben?“ Die Religion ist für ihn ein zentraler Anker in seinem Versuch, sein Leben neu zu gestalten und emotional weiter zu existieren.

Neue Liebe, alte Konflikte und die Kritik am Zeitgeist
Nach der Scheidung von Romina fand Albano später in Loredana Lecciso eine neue Partnerin. Sie wurden Eltern von Jasmine und Albano Junior. Auf den ersten Blick schien ihr Familienleben von Liebe und Glück erfüllt. Albano gab jedoch offen zu, dass die Beziehung von „Höhen und Tiefen“ geprägt ist, insbesondere durch die anhaltenden „Reibereien“ zwischen Loredana Lecciso und Romina Power. Diese Situation sei eine große emotionale Belastung für ihn. Dennoch betonte er, dass er „im Moment mit Loredana zufrieden“ sei, da sie zwei gemeinsame Kinder haben und er Familien nicht leichtfertig auseinanderreißen könne.
Parallel zu seinem privaten Kampf kehrte der „Löwe von Cellino“ auch professionell mit Romina Power für eine Reihe von Konzerten auf die Bühne zurück, eine Wiedervereinigung, die den Funken der Nostalgie neu entfachte. Albano stellt jedoch klar, dass diese Verbindung rein beruflicher Natur ist, auch wenn die Chemie zwischen den beiden als Künstlern unbestreitbar ist und die Fans weiterhin auf ein romantisches Wiederaufleben spekulieren.
Ein weiterer Kampf, den Albano im Alter von 82 Jahren führt, ist der gegen den Niedergang der echten Musik. Er äußerte sich in Interviews unverblümt über den Zustand der Musiklandschaft und kritisierte scharf die moderne Abhängigkeit von Technologie. Er prangerte insbesondere die Verwendung von Autotune durch Künstler wie Samuele Bersani und Sphera Ebbaster an und sprach von einem „Niedergang der echten Musik“. In seinen Augen ist der Unterschied zwischen den Generationen klar: „Ich bin ein Sänger der Stimme, du bist ein Sänger des Computers.“ Die Musik der Gegenwart sei nicht mehr im traditionellen Sinne geschrieben, sondern der Text werde „vollständig von Computern produziert“, ein Zustand, den er als ein „Ende der Musik“ betrachtet, auch wenn er zugibt, dass Musik immer ein Spiegelbild ihrer Zeit war.
Seine Frustration mündete kürzlich auch in einen öffentlichen Streit mit Amadeus, dem künstlerischen Leiter des Sanremo Festivals. Albano, der nach der erfolgreichen Teilnahme im Vorjahr ein „allerletztes Mal“ beim Wettbewerb antreten wollte, wurde abgewiesen. „Die Umstände in Sanremo wären mein letztes Sanremo gewesen“, so Albano. Er bat Amadeus in einem Brief um eine Teilnahme, wurde jedoch abgewiesen. Albano zeigte sich zutiefst enttäuscht, dass sein Gesuch und sein eingereichter Song ignoriert wurden, und sprach von einer „offenen Rechnung“ mit dem Festival.
Das ewige Vermächtnis des Schmerzes
Der Weg von Albano Carisi ist ein Beweis dafür, dass Ruhm und Leid oft Hand in Hand gehen. Seine Karriere ist von enormen musikalischen Leistungen geprägt, aber sein Leben bleibt untrennbar mit dem tiefen Schmerz und der Ungewissheit über das Schicksal seiner Tochter Ylenia verbunden. Die Tragödie hat ihn nicht zerbrochen, sondern zu einer spirituellen und emotionalen Abrechnung gezwungen, die er nun mit der Welt teilt.
Selbst nach einem Herzinfarkt im Jahr 2016 während eines Konzerts und einem leichten Schlaganfall im Jahr 2017 bleibt Albano gesund und arbeitet hart in seinem Berufsleben. Seine langjährige Lebensgefährtin Loredana Lecciso bestätigte jüngst, dass der Sänger bei guter Gesundheit ist und wies Spekulationen über eine Lebertransplantation zurück.
Die Freude, die Albano auf der Bühne ausstrahlt, ist echt, aber sein Publikum weiß, dass der Schmerz, den er erlitt, in jedem Ton seiner Stimme mitschwingt. Er singt nicht mehr nur für sein Vermächtnis, sondern um zu leben, um emotional weiter zu existieren. In seinen Worten liegt die Stärke eines Mannes, der trotz des unvorstellbaren Verlustes die Vergebung gefunden hat, um seinen Weg fortzusetzen. Die Geschichte von Albano Carisi ist die Geschichte eines Mannes, der gelernt hat, mit einer Wunde zu leben, die niemals ganz verheilen wird – ein Zeugnis menschlicher Beharrlichkeit im Angesicht des größten Leids.