Der Gott der Gitarre: Warum Eric Claptons überraschende Wahl des größten Gitarristen die demütige Wahrheit über den Mann hinter der Legende enthüllt
Seit Jahrzehnten hallt sein Name durch die Geschichte der Rockmusik, verehrt in einem Atemzug mit Mythen und Titanen. Es ist Eric Clapton, der Mann, dem Fans in den späten 60er-Jahren in den Straßen von London den ikonischen und doch zutiefst unbequemen Titel „Clapton is God“ (Clapton ist Gott) verliehen. Er ist die „Slow Hand“, die Ikone des Blues Rock, ein Künstler, dessen Leben und Werk ein explosives Gemisch aus inspirierenden Höhenflügen und zermürbenden persönlichen Tragödien ist.
Doch was passiert, wenn eine solche Legende, die für Millionen der unangefochtene Gipfel des Könnens darstellt, selbst zurückblickt und die Frage nach ihrem wahren Idol beantwortet? Wer ist die Messlatte für einen Mann, der seit 60 Jahren selbst der Maßstab ist? Mit 79 Jahren hat Eric Clapton nun das Geheimnis gelüftet und den Namen seines persönlichen Lieblingsgitarristen enthüllt – eine Antwort, die selbst seine treuesten Anhänger überrascht, die gesamte Rockwelt in ungläubiges Staunen versetzt und mehr über Eric Claptons tief verwurzelte Demut aussagt als über jeden anderen Musiker.
Seine Wahl fiel nicht auf den wilden, außerirdischen Magier Jimi Hendrix, seinen Freund und größten Konkurrenten. Es war auch nicht der Delta-Blues-Pionier Robert Johnson oder der „König des Blues“, B.B. King, seine tiefsten musikalischen Wurzeln. Clapton wählte Albert Lee, einen Namen, der in der breiten Öffentlichkeit nicht denselben Superstar-Status genießt, aber unter Musikern als Meister der Zurückhaltung, Technik und reinen Musikalität verehrt wird.
Um zu verstehen, warum diese Entscheidung die Essenz des Menschen Eric Clapton einfängt, muss man den Weg zurück zum Ursprung seiner stillen Traurigkeit gehen – zu der tiefen emotionalen Wunde, die ihn überhaupt erst zur Gitarre greifen ließ.

Der Junge, der die Wahrheit spürte: Die Geburt des Blues aus dem Schmerz
Eric Patrick Clapton wurde am 30. März 1945 in Ripley, Surrey, geboren. Doch sein Leben begann bereits unter einem Schleier der Schatten, geschrieben in einer Geschichte, die ihm vorenthalten wurde. Seine Mutter, Patricia Molly Clapton, war bei seiner Geburt gerade einmal 16 Jahre alt. Sein Vater, der kanadische Soldat Edward Fryer, kehrte kurz nach der Geburt zurück nach Kanada und wurde für den jungen Eric zu einem Flüstern, einer Abwesenheit, die eine Leere hinterließ.
Er wuchs in dem Glauben auf, seine Großeltern Rose und Jack seien seine Eltern. Seine leibliche Mutter wurde ihm als ältere Schwester vorgestellt. Es war eine stille Übereinkunft, die ihn schützen sollte, ihm ein „normales“ Leben ermöglichen sollte. Doch Kinder spüren die Wahrheit, auch wenn sie sie nicht benennen können. Ein nagendes Gefühl breitete sich in Eric aus, bis er im Alter von neun Jahren die schwindelerregende und herzzerreißende Wahrheit erfuhr: Sein ganzes Leben war auf einer Lüge aufgebaut. Die Person, die er am meisten vermisst hatte, seine Mutter, war die ganze Zeit direkt neben ihm gewesen, nur durch eine Mauer des Schweigens getrennt.
Der Schmerz wurde unerträglicher, als Patricia erneut heiratete und mit ihrem neuen Mann nach Deutschland zog, den jungen Eric zurücklassend. Es fühlte sich an, als hätte die Tür zu seiner einzigen Vorstellung von Familie endgültig zugeschlagen.
In dieser tiefen, schmerzhaften Stille fand er im Alter von 13 Jahren die Musik. Die akustische Gitarre, die er geschenkt bekam, war anfangs eher eine Bestrafung als ein Geschenk. Die harten Stahlsaiten taten weh, die Finger bluteten. Aber etwas zog ihn immer wieder zu diesem Instrument zurück. Die Gitarre log nicht; sie hatte keine Geheimnisse. Sie wurde zu seiner einzigen verlässlichen Stimme. Der Blues – Robert Johnson, Muddy Waters, B.B. King – wurde der Soundtrack zu seiner eigenen stillen Traurigkeit, eine Sprache, die er instinktiv verstand. Die Gitarre war das Mittel, mit dem er all die komplizierten Gefühle ausdrücken konnte, für die er keine Worte fand. Der Blues war keine Wahl, er war eine Notwendigkeit.
Die unerträgliche Last der Göttlichkeit: Cream und der Konkurrent aus Seattle
Sein Talent entzündete sich schnell. Nach kurzen Anfängen bei den Roosters trat er 1963 den Yardbirds bei. Doch als die Band sich in Richtung kommerzieller Popmusik orientierte, spürte Clapton einen Widerstand. Sein Herz war verloren in der rohen, ungeschliffenen Kraft des reinen Blues. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs, als der große Hit „For Your Love“ die Charts stürmte, tat Clapton das, was nur wenige gewagt hätten: Er stieg aus, um sich John Mayall & the Bluesbreakers anzuschließen. Er blieb in Bewegung und wurde zu dem Gitarristen, über den man flüsterte, bis die Straßenwände den berüchtigten Satz trugen: „Clapton is God“.
Kurz darauf, als er mit Ginger Baker und Jack Bruce die Supergroup Cream gründete, katapultierte ihn die explosive, fast schizophrene Mischung aus Höhenflügen und Konflikten in den Himmel des Rockolymps. Cream veränderte die Spielregeln und eroberte die Vereinigten Staaten im Sturm.
Doch gerade als Eric Clapton seinen Status als Großbritanniens unangefochtener Top-Gitarrist zementierte, traf ein Blitz aus heiterem Himmel in London ein: Jimi Hendrix. Als Hendrix bei einem frühen Cream-Auftritt auf der Bühne auftauchte und darum bat, mit der Band zu jammen, erlebte Clapton eine zutiefst demütigende und erschütternde Offenbarung.
Hendrix spielte den Klassiker „Killing Floor“ wie eine entfesselte Naturgewalt. Er spielte mit den Zähnen, hinter dem Rücken. Er schien eins mit seinem Instrument zu sein. Clapton stand am Bühnenrand, seine Zigarette vergessend, und war wie vom Donner gerührt. Der Journalist Keith Altham erinnerte sich später, wie blass und sichtlich erschüttert Clapton backstage zu Hendrix‘ Manager murmelte: „Du hast mir nie gesagt, dass er so spielen kann.“
Die Rivalität zwischen den beiden entwickelte sich zu einer echten Freundschaft, doch sie sportete Clapton auch zu Höchstleistungen an, während sie ihn gleichzeitig mit der nagenden Sorge füllte, was diese neue, unbestreitbare Magie für seine eigene Position an der Spitze bedeutete. Die Anbetung, die ihm in Form von „Gott“-Rufen entgegenschlug, wurde angesichts von Hendrix’ überirdischem Genie plötzlich zur unerträglichen Last. Er suchte die Musik, die Wahrheit, nicht den Ruhm.

Die Layla-Saga: Schmerz, Sehnsucht und das Meisterwerk der unerwiderten Liebe
Die tiefen Risse im Fundament von Cream, befeuert durch die brutale Konkurrenz und die internen Spannungen zwischen Baker und Bruce, führten 1968 zur bitteren Auflösung. Die Befreiung war kurz: Die nächste Supergroup, Blind Faith, fühlte sich für Clapton bald nur wie eine weitere überhastete, von der Industrie aufgebauschte Angelegenheit an.
Clapton flüchtete erneut, suchte die Anonymität und schloss sich der Tournee des amerikanischen Duos Delaney and Bonnie als einfacher Begleitmusiker an. Er stellte seinen eigenen Ruhm hinten an und genoss es, wieder nur ein Teil einer Band zu sein, ohne den Druck, ein Gott sein zu müssen.
Doch dieser Frieden sollte nicht von Dauer sein, denn eine weit größere, schmerzhaftere Leidenschaft ergriff Besitz von ihm. In diesen Jahren hatte sich Clapton eng mit George Harrison, dem Beatles-Gitarristen, angefreundet. Gleichzeitig verliebte er sich heimlich und verzweifelt in Harrisons Frau, Patty Boyd. Diese schmerzhafte, unausgesprochene Schwärmerei begann, ihn von innen aufzufressen. Als Boyd seine Annäherungsversuche zurückwies, fühlte sich Clapton mit gebrochenem Herzen zurückgelassen, die hoffnungslose Liebe nagte an ihm.
Aus diesem tiefen, quälenden Schmerz heraus entstand die Musik für das legendäre Album Layla and Other Assorted Love Songs. Mit seiner neuen Band Derek and the Dominos goss Clapton sein ganzes Herz, seine gesamte unerwiderte Sehnsucht in jede einzelne Note. Die Titelballade „Layla“ ist die mythische Geschichte eines Mannes, der hoffnungslos in eine Frau verliebt ist, die er niemals haben kann. Seine Emotionen flossen wie fieberhafte, ungesendete Liebesbriefe in die Musik.
Während der Aufnahmen in Miami führte das Schicksal Clapton mit dem Gitarristen Duane Allman von der Allman Brothers Band zusammen. Die beiden entwickelten eine sofortige, fast telepathische musikalische Verbindung. Allmans unverkennbarer Slide-Gitarren-Sound fügte dem Album die eindringliche, unvergessliche Kante hinzu, die Layla für immer charakterisieren sollte. Allman wurde zu dem Bruder, den sich Clapton immer gewünscht hatte.
Doch die Tragödie schlug erneut zu. Mitten in den Aufnahmen erreichte sie die Nachricht von Jimi Hendrix’ Tod. Clapton war am Boden zerstört. Er hatte ihm gerade erst eine seltene linkshändige Stratocaster als Geburtstagsgeschenk gekauft, ein Geschenk, das seine Bestimmung nie erreichen sollte. Nur ein Jahr später kam Duane Allman bei einem Motorradunfall ums Leben, was Clapton seinen neu gefundenen musikalischen Seelenverwandten nahm. Die Dominos zerbrachen. Clapton versank isoliert im Nebel der Sucht. Er trat nur einmal öffentlich auf, bei George Harrisons Konzert für Bangladesch, wo er sich kaum auf den Beinen halten konnte.
Das Pantheon der Bescheidenheit: Die wahren Idole des „Gottes der Gitarre“
Seine Rettung im Januar 1973 durch Pete Townshend (Rainbow Concert), der ihm half, clean zu werden, markierte zwar den Beginn eines langen, schmerzhaften Weges zurück ins Leben, doch die Kämpfe hinterließen tiefe Spuren. Es ist diese lebenslange Achterbahnfahrt zwischen traumatischem Verlust, der Suche nach Authentizität und dem Kampf gegen die Bürde des eigenen Ruhms, die Eric Claptons Urteilsvermögen prägt.
In seinen Augen gab es immer eine Reihe von Gitarristen, die mit einer Seele und einem Feuer spielten, das er zutiefst bewunderte, die er als ewiger Schüler im großen Haus des Blues verehrte.
Jimi Hendrix: Trotz der Rivalität sah Clapton in ihm einen musikalischen Seelenverwandten.
Stevie Ray Vaughan (SRV): Dessen Spiel fühlte sich „endlos“ an, wie ein Wasserhahn aus reinem Klang und Gefühl, der nie zögerte. Clapton bewunderte seine Fähigkeit, die Musik einfach durch sich hindurchfließen zu lassen.
Chuck Berry: Er sah Berry als die Blaupause für die Rockgitarre: „Wenn du Rockgitarre spielen willst, klingst du irgendwann wie Berry, denn das ist das Herz davon“.
Duane Allman: Dessen Slide-Arbeit Clapton faszinierte und der zum “Bruder” und musikalischen Komplizen wurde.
John Mayer: Trotz seines Pop-Images bewunderte Clapton dessen Musikalität und Demut, die Hingabe an das Handwerk.

Die Antwort, die alles erklärt: Albert Lee und die Musik über dem Spektakel
Doch es gab einen Namen, den Eric Clapton über alle anderen schätzte, eine ruhige, beständige Präsenz, die von Musikern verehrt, aber nie den gleichen Superstar-Status erreichte. Als er in einem Interview direkt gefragt wurde, wer seiner Meinung nach der größte Gitarrist der Welt sei, fiel die überraschende Antwort, die so gar nicht in die Liga der „Götter“ zu passen schien: Albert Lee.
„Er ist der größte Gitarrist, den ich je gekannt habe“, sagte Clapton.
Die Meisterschaft von Albert Lee liegt nicht in der Extravaganz, nicht im Spektakel, sondern in der reinen, unverfälschten Beherrschung des Instruments und in seiner Zurückhaltung. Clapton bewundert, wie Lee selbst die schnellsten Läufe wie eine leichte Brise erscheinen lässt, alles mit einer natürlichen Anmut und Leichtigkeit spielt. Für Clapton war Lees Spiel „reine, unverfälschte Schönheit“.
Diese Wahl ist das perfekte Spiegelbild des Mannes, der sein Leben lang vor dem Gott-Titel geflohen ist. Der „Gott der Gitarre“ wählte nicht den Explosivsten (Hendrix) oder den Berühmtesten (B.B. King). Er wählte den Bescheidensten, den technisch Perfektesten, denjenigen, der die Musik über das Spektakel stellte.
Eric Clapton, gezeichnet von den Kämpfen seiner Kindheit, der Bürde des Ruhms und den Narben seiner Abhängigkeit, ist auf der Suche nach der tiefen, reinen Freude am Handwerk geblieben, die er einst als Junge in Surrey fand. Seine Wahl von Albert Lee ist das finale Eingeständnis, dass wahre musikalische Göttlichkeit nicht im Applaus der Massen, sondern in der stillen, perfekten Beherrschung der Kunst liegt. Die Legende entschied sich für den Musiker der Musiker, und in dieser demütigen Wahl liegt die ganze Wahrheit über Eric Clapton.