Die Kämpferin hinter dem Lächeln: Wie Wencke Myhre Krebs, Verlust und die tiefste Einsamkeit überwand
Wenn man an die goldene Ära des europäischen Schlagers denkt, fällt unweigerlich ein Name: Wencke Myhre. Geboren am 15. Februar 1947 in Oslo, wurde sie in den 1960er Jahren zur strahlendsten Stimme Skandinaviens und eroberte mit ihrem unwiderstehlichen Charme, ihrem Lächeln und ihrer unverwechselbaren Stimme auch den deutschsprachigen Markt im Sturm. Lieder wie „Er hat ein knallrotes Gummiboot“ machten sie zu einer Legende des heiteren und ehrlichen Schlagers, einer Königin des Nordens, die Millionen von Herzen berührte.
Doch hinter diesem ewigen Lächeln verbarg sich stets eine Frau, deren Leben ebenso viele Stürme wie Erfolge kannte. Wencke war nie nur die blonde Frohnatur, die für Leichtigkeit stand. Sie war eine unermüdliche Kämpferin, deren Karriere sie durch Jahrzehnte des Wandels, durch Brüche, Krankheiten und tiefgreifende persönliche Krisen führte. Ihr Sohn, Danis Möller, hat in jüngster Zeit die Gerüchte um die innere Zerrissenheit seiner Mutter bestätigt und damit die wahre Geschichte einer Überlebenskünstlerin enthüllt, die trotz aller Dunkelheit nie aufhörte, Licht zu spenden.
Wencke trug in sich lange Zeit ein Geheimnis, das sie nicht öffentlich machte: die tiefe Einsamkeit, die sie oft selbst dann einholte, wenn das Publikum tobte und jubelte. In einem seltenen Interview sprach sie offen über diesen Kontrast: „Ich habe gelernt, dass man auf der Bühne die Sonne sein kann und im Hotelzimmer die Dunkelheit.“ Diese Dualität prägte ihr Leben, das von leidenschaftlichen Lieben und unzähligen Prüfungen des Herzens gezeichnet war – drei Ehen und vier Kinder. Doch ihr größter Schmerz war nicht der berufliche Misserfolg, sondern der Moment, in dem ihr Körper und ihr Herz ihr treuester Begleiter sie im Stich ließen.

I. Der stille Kampf: Krebs und die Angst vor dem Kontrollverlust
Mitte der 2000er Jahre, als Wencke Myhre längst als eine Ikone galt, traf sie eine Diagnose, die ihr Leben fundamental veränderte: Brustkrebs. Für eine Frau, die zeitlebens Kraft, Freude und Optimismus verkörperte, war es ein vernichtender Schock. Sie hatte Scheidungen und Karrieretiefs überstanden, doch dieser Feind war anders – still, unbarmherzig und nahm ihr das Gefühl der Kontrolle.
Zunächst schwieg Wencke. Sie wollte niemanden beunruhigen, wollte stark sein – für ihre Kinder, für ihre Fans, für sich selbst. Die Öffentlichkeit sah sie weiterstrahlen, lächeln und singen, doch hinter der Fassade kämpfte sie um ihr Leben. In den stillen Nächten, so erzählte sie später, kam die Angst.
In dieser schwersten Zeit stand Arthur Buchard, ihr damaliger Ehemann, zur Seite. Der norwegische Hotelmagnat, sonst ein Mann der Tat, sah sich plötzlich ohnmächtig. Er sagte später in einem Interview, er habe ihr Reichtum, Schutz und Sicherheit geben können, aber nicht das, was sie wirklich brauchte: Gesundheit und innere Ruhe. Er erinnerte sich an Abende, an denen sie schweigend am Fenster saß und auf das Meer hinaussah: „Ich wusste, sie kämpft, und manchmal sah ich Tränen, die sie nicht zeigen wollte. Diese Frau war aus Licht gemacht, aber auch Licht kann flackern, wenn der Sturm zu stark wird.“
Die Krankheit zwang Wencke, ihr Leben zu überdenken. Sie ertrug Operationen, Therapien, Schmerz und Schwäche – Dinge, die sie aus der Welt der Bühne rissen, die ihr Leben bestimmte. „Ich habe gelernt, dass ich nicht unbesiegbar bin“, gestand sie, „und dass das kein Ende bedeutet, sondern einen Neubeginn.“
Ihrer Genesung folgte eine zweite große körperliche Herausforderung: eine Hüftoperation, die sie erneut aus der Bahn warf. Wochenlang konnte sie kaum gehen, geschweige denn auftreten. Für jemanden, der das Publikum wie die Luft zum Atmen braucht, war dies eine Qual. Sie weinte nicht aus Schmerz, sondern aus purer Frustration: Sie hatte Angst, ihre Stimme, ihre Beweglichkeit, ihr Ich zu verlieren. Doch wie so oft in ihrem Leben kämpfte sie sich zurück. „Die Musik hat mich gerettet“, sagte sie, „sie war mein Schmerzmittel, mein Gebet, mein Weg zurück ins Leben.“ Obwohl sie wieder auf der Bühne stand, blieb in ihr eine stille Traurigkeit – das Wissen, dass das Leben fragil ist und Glück oft nur ein Augenblick zwischen zwei Prüfungen.
II. Der Verlust, der das Herz zerriss: Der Tod von Michael Pfleger
In einem Leben voller Applaus und Bühnenglanz gab es Momente, die Wencke Myhres Herz in Stücke rissen. Der größte davon kam Anfang der 1990er Jahre: Ein Verlust, der sie an den Rand der Verzweiflung brachte. Ihr zweiter Ehemann, der bekannte Regisseur und Produzent Michael Pfleger, mit dem sie eine Tochter hatte, nahm sich 1991 das Leben.
Es war ein Schock, der sie in die Knie zwang. Sie erfuhr von seinem Tod an einem grauen Morgen in Hamburg, kurz vor einer Probe. Zuerst hielt sie es für ein Missverständnis, einen bösen Scherz, doch als die Nachricht sich bestätigte, brach sie zusammen. „Ich hatte das Gefühl, als wäre der Boden unter mir weggezogen worden“, sagte sie später, „Ich konnte kaum atmen.“
Obwohl die Ehe zu diesem Zeitpunkt bereits Geschichte war, verband sie mit ihm ein unsichtbares Band, eine tiefe, über die Romantik hinausgehende Liebe. Sie suchte nach Antworten, quälenden Fragen, die sie monatelang nicht losließen: Hätte sie es verhindern können? Hätte sie die Anzeichen sehen müssen? Freunde berichteten, dass sie sich monatelang zurückzog, kaum sprach, oft in die Leere starrte. Sie zog sich auf ihr Landhaus in Norwegen zurück. In dieser dunklen Zeit schrieb sie viel, füllte Hefte mit Gedanken, Gedichten und Erinnerungen. Sie stellte sich die Frage, ob Liebe heilt oder zerstört.
Diese Phase war nicht nur von Trauer, sondern auch von überwältigenden Schuldgefühlen geprägt. Sie fühlte sich schuldig, glücklich zu sein, weiterzuleben, zu singen. Und doch war es die Musik, die sie wieder ins Leben zurückholte. Nach Monaten des Schweigens trat sie wieder auf, mit einer neuen, reiferen Stimme. Ihre Fans spürten die Veränderung: Sie sang nicht mehr nur, sie fühlte. Ihre Konzerte wurden zu Momenten der Intimität. „Ich glaube, Schmerz macht uns menschlich“, sagte sie Jahre später. „Er nimmt uns die Oberflächlichkeit und schenkt uns Tiefe.“ Dieser Verlust veränderte sie für immer, machte sie nachdenklicher und dankbarer. Sie fand Trost in dem Gedanken, dass Michael, wo immer er jetzt sei, ihre Lieder höre, so wie er es immer getan hatte.

III. Die Liebe als Hafen: Die Suche nach dem Frieden
Die Liebe war für Wencke Myhre nie einfach, aber immer ehrlich. Sie war eine Frau, die nicht halb lieben konnte. Drei Ehen, vier Kinder und unzählige Erfahrungen mit Nähe, Verlust und Wiederkehr prägten ihr Leben. Ihre erste Ehe mit Torben Fries Möller, einem dänischen Arzt, scheiterte an der Zeit und ihrer unbändigen Karriere. Sie war zu jung, um zu verstehen, dass Liebe auch Geduld bedeutet. Mit Michael Pfleger erlebte sie eine künstlerisch leidenschaftliche, aber auch destruktive Liebe – ein Aufeinanderprallen zweier kreativer Welten.
Nach dem Ende dieser stürmischen Beziehung schwor sie sich, nie wieder einen Mann aus der Unterhaltungsbranche zu heiraten. Doch 1999 verliebte sie sich in Arthur Buchard, einen norwegischen Hotelycoon. Er war rational, ruhig, beschützend – ein Fels in der Brandung. Doch Wencke war „zu sehr Wind, um stillzuhalten“. Ihre Ehe, geprägt von Gegensätzen, endete nach vier Jahren, wenngleich mit gegenseitigem Respekt.
Heute lebt sie seit über zwei Jahrzehnten mit dem schwedischen Musiker Anders Ellias zusammen, einem Mann, der ihr die Ruhe schenkt, die sie immer gesucht hat. Gemeinsam musizieren und reisen sie, abseits des großen Aufsehens, in ihrem Sommerhaus in Schweden. „Mit Anders“, sagt sie, „bin ich nicht mehr die Sängerin. Ich bin einfach Wencke.“ In der Liebe hat sie gelernt, dass Glück kein Dauerzustand ist, sondern ein Moment. Und diese Momente sammelt sie leise, dankbar, als Beweise dafür, dass das Herz auch nach Brüchen weiterschlägt. Für sie ist Liebe nicht mehr der Sturm, sondern der Hafen.
IV. Das finanzielle Vermächtnis und der größte Triumph
Mit 78 Jahren trägt Wencke Myhre ihr Leben mit sichtbaren Spuren. Der Preis für über sechs Jahrzehnte auf der Bühne war hoch: Neben den Krebserkrankungen plagten sie chronische Hüftschmerzen, die schließlich zur Operation führten. Ihr heutiger Lebensgefährte Anders Ellias stand ihr in dieser Zeit unermüdlich bei. „Er war meine Kraft, als ich keine mehr hatte“, sagte sie. Die Krankheit veränderte sie, machte sie ruhiger, dankbarer, spiritueller. Sie spricht offen über ihre Endlichkeit, aber ohne Angst. „Ich weiß, dass ich alt bin“, sagt sie lächelnd, „aber ich bin noch da und ich singe immer noch. Das ist mein Sieg.“
Obwohl Wencke Myhre nie den Erfolg an Geld oder Schmuck festmachte, gehört sie nach Schätzungen zufolge mit einem Vermögen von rund 10 bis 15 Millionen Euro zu den wohlhabendsten Künstlerinnen des deutschen Schlagers. Doch dieser Reichtum war nie ihr Ziel: „Ich habe nie gesungen, um reich zu werden. Ich habe gesungen, weil ich es musste, weil es mein Atem war.“ Sie besitzt heute mehrere Immobilien, darunter ein stilvolles Haus in Oslo und ihr Sommerhaus in Schweden. Dieses Haus ist kein Palast, sondern ein Zufluchtsort, in dem ihre Kinder und Enkel zu Besuch sind und sie gemeinsam kochen und singen. Ihr größter Schatz ist ein altes Mikrofon aus den 1960er-Jahren. Sie fährt noch immer einen alten Volvo, den sie liebevoll ihren „nordischen Freund“ nennt, und spendet regelmäßig an Organisationen.
Das größte Vermächtnis von Wencke Myhre ist jedoch ihre unvergleichliche emotionale Tiefe. Ihr Sohn Danis Möller fasst es am besten zusammen: „Meine Mutter ist eine Überlebenskünstlerin. Sie hat die Dunkelheit gesehen und trotzdem Licht geschenkt.“ Trotz aller Brüche, trotz Krankheit, Schmerz und Verlust, hat sie nie aufgehört zu singen. Das ist Wencke Myhres größter Triumph: Sie hat sich selbst nie aufgegeben. Sie hat die Liebe nicht besiegt – sie hat sie verstanden.