Brennende Fragen, gewaltige Musik

Düsseldorf · Leonard Bernsteins gigantische „Mass“ erklingt in einer szenischen Aufführung mit 100 Mitwirkenden in der Johanneskirche – zum Abschluss des Düsseldorf-Festivals.

Ende September klang das Düsseldorf-Festival 2025 aus. Aber seit Jahren ist es Brauch, dass darauf noch eine Eigenproduktion in der Johanneskirche folgt. Diesmal haben die Intendanten Christiane Oxenfort und Andreas Dahmen ein wuchtiges Werk ausgewählt: „Mass“ von Leonard Bernstein. Premiere ist am 8. November, fünf Aufführungen wird es bis 16. November geben. Regie führen Hanna Werth und Philipp Alfons Heitmann, die schon mehrere gemeinsame Projekte umgesetzt haben.

Beide kommen aus dem Schauspiel und sind heute freischaffende Künstler. „Für uns ist dieses Musiktheater ein Geschenk“, sagt Hanna Werth. „Wir suchen für unsere Arbeiten gern ungewöhnliche Räume aus. Von dieser Kirche waren wir gleich sehr angetan.“ Bei jeder Probe hätten sie neue Entdeckungen gemacht: „Dieses monumentale Werk ist weder gefällig noch harmlos. Es geht um das Aushalten von Differenzen, um brennende Fragen, die nicht harmonisch aufgelöst werden. Aber ich muss sagen“, setzt sie mit einem Lächeln nach, „der Leo hat das echt gut geschrieben.“

Uraufgeführt wurde „Mass“ 1971 zur Eröffnung des Kennedy Centers in Washington. Bernstein hatte das Stück in den 1960er-Jahren komponiert – in einer Zeit der Umbrüche, als Vietnamkrieg und Hippie-Bewegung die Gesellschaft in den USA spalteten. „Der Zweifel war damals ein akutes Thema. Bernstein wollte ihn abbilden“, sagt Philipp Alfons Heitmann, „Uns ging es darum, das alles ins Heute zu bringen. Die Parallelen sind leider stark.“

Der universell gebildete Komponist habe sich für die traditionelle Form einer katholischen Messe auf Lateinisch entschieden, erläutert der künstlerische Leiter Wolfgang Abendroth. Dazu kombinierte er Einschübe und Ausschmückungen auf Englisch, sogenannte Tropen, wie es sie schon in den gregorianischen Chorälen gab. Beim „Agnus Dei“ werden sie gestoppt. Der Zelebrant, ein Priester in der Glaubenskrise, kann die Messe nicht zu Ende feiern, er zerbricht an den Umkehrungen und Veränderungen durch die Tropen.

Für diese Hauptrolle wurde der Sänger Samuel Schürmann gewonnen. Ihn begleitet das Stück schon lange. Eine geplante Aufführung, für die er einst die komplette Partie einstudiert hatte, kam nicht zustande. Vor zwei Jahren sang er sie dann im Theater in Münster. Schürmann hat eine profunde Musical-Ausbildung, durch seine Eltern, beide Opernsänger, ist ihm auch die Klassik vertraut. Das habe ihm bei der Gestaltung sehr geholfen: „Ich bewege mich zwischen Bariton, Musical, Pop, Soul und Jazz“, sagt er. „Ein Riesen-Potpourri. Die Stimme muss von den tiefsten Tiefen in die Kopfstimme katapultiert werden.“ Das erzeuge beim Publikum eine Wucht und bei ihm einen für die Rolle wichtigen Druck, der sich zuletzt entlädt.

In der Johanneskirche wird sich die Bühne mit 100 Mitwirkenden im Alter von acht bis 67 Jahre füllen: Sängern, Schauspielern und dem Orchester, in dem Flötistin Christiane Oxenfort mitspielt. Dazu kommen der Kammerchor und die Akademie für Chor und Musiktheater an der Johanneskirche sowie die Jugendkompagnie aus dem Tanzhaus NRW unter Leitung von Takao Baba.

Bei der Programm-Präsentation waren drei junge Sänger zugegen. Neele Jacobsen studiert Operngesang an der Robert-Schumann-Hochschule. Für die Sopranistin bedeutet „Mass“ eine Herausforderung und enorme Bereicherung. Mezzosopranistin Luzia Ostermann, ebenfalls Studentin an der Düsseldorfer Hochschule, bringt für ihre Solistenrolle Erfahrungen aus dem WDR-Rundfunkchor ein. Der Tenor Lukas Baeskow kann eine Musical-Ausbildung in New York vorweisen. Im Capitol-Theater spielte er ein Jahr die Hauptrolle im Pur-Musical „Abenteuerland.“ Auch er verfügt über einen klassischen Hintergrund.

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