Der Regen prasselte gegen die großen Fenster des LeBernardin, eines der exklusivsten Restaurants im Berliner Regierungsviertel. Anna Keller sah zum zehnten Mal in 2 Minuten auf ihr Handy. Ihr Blinddet sollte sie an Tisch 14 treffen, doch die Empfangsdame hatte so eindringlich auf Tisch 7 bestanden, dass Anna nicht hatte widersprechen wollen.
Nun saß sie allein in ihrem besten schwarzen Kleid, dem für dass sie drei Monate lang gespart hatte, und fragte sich, ob das Ganze ein Fehler gewesen war. Der Mann gegenüber hatte bislang kein einziges Mal aufgeblickt. Punkt 8 Uhr war er erschienen, hatte sich mit jener mühelosen Sicherheit gesetzt, die nur Menschen ausstrahlen, die nie daran zweifeln mussten, irgendwo dazu zu zugehören.
Sein antrazitgrauer Anzug war maßgeschneidert, die Uhr an seinem Handgelenk vermutlich teurer als Annas Monatsmiete. Sie beobachtete ihn über die Speisekarte hinweg, die markante Kieferlinie, das dunkle Haar, das trotz des Sturms draußen perfekt saß. Die Weinkarte ist heute Abend fast schon eine Zumutung, sagte er plötzlich, seine Stimme tief und ruhig wie alter Whisky.
Als er schließlich die Augen hob, blieb Anna der Atem weg. Sie waren sturmgrau, mit einem Hauch von Blau und hielten einen Blick, der so intensiv war, dass sie für einen Moment vergaß, dass sie wohl am falschen Tisch saß. “Davon verstehe ich nichts”, gab sie zu und legte die Karte ab. Ihre Hände zitterten leicht.
Ich bestelle sonst einfach den Hauswein. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Ehrlich, das gefällt mir. Die meisten tun so, als wüsten sie alles über Wein. Er klappte die Karte entschlossen zu. Ich bin Leon. Leon Hartmann. Der Name traf sie wie ein Schlag. Leon Hartmann. Der Leon Hartmann, dessen Gesicht erst letzten Monat das Titelblatt des Wirtschaftsmagazins zierte.
der jüngste Immobilienmilliardär Deutschlands, der Mann, der das Familienunternehmen aus der Krise geführt und zu einem Milliardenimperium gemacht hatte und sie saß seinem Tisch aus Versehen. “Ich sollte gehen”, stammelte Anna, griff nach ihrer Tasche. “Da muss ein Missverständnis. Ich bin eigentlich an Tisch 14 verabredet.
Meine Freundin hat mich nicht”, unterbrach er leise, aber mit jener Autorität, die keinen Widerspruch zuließ. Er beugte sich vor, die grauen Augen fest auf sie gerichtet. Bleiben Sie. Jed kann einen anderen Tisch nehmen. Er gab dem Kellner ein kaummerkliches Zeichen, eine Geste, die Gewöhnung an Gehorsam verriet. Es sei denn, sie wollen ihn unbedingt treffen.
Anna dachte an das Profil, das ihre Freundin ihr gezeigt hatte. Ein gewisser Markus Berger, Buchhalter, Sammler von Briefmarken, wohnte noch bei seiner Mutter. Sie hatte nur zugesagt, um ihre Freundin loszuwerden. “Nicht unbedingt”, sagte sie schließlich und lehnte sich zurück.
Leons Lächeln wurde breiter und gefährlich charmant. Gut, dann essen sie mit mir. Wenn das Schicksal uns schon an denselben Tisch setzt, sollte man es nicht verärgern. Wie heißen Sie, Anna Keller? Sie musterte ihn vorsichtig. Ich bin Grundschullehrerin in Kreuzberg. Eine Lehrerin also. Er nickte anerkennend. Das erklärt ihre Geduld. Sie sitzen seit einer Viertelstunde hier und haben weder genervt aufs Handy geschaut, noch die Bedienung gerufen.
Das ist heute selten. Er hatte sie beobachtet. Der Gedanke hätte beunruhigend wirken können, doch stattdessen breitete sich Wärme in ihrem Magen aus. “Sie waren zu spät”, nickte sie. “Ich war pünktlich.” “Sie waren zu früh.” Der Kellner erschien. “Wir nehmen das Degustationsmenü und eine Flasche Chasonrache 2015”, sagte Leon beiläufig.
Anna schluckte. Sie hatte den Preis gesehen. Mehr als ihr Wochenlohn. “Ich kann das nicht. Sie sind mein Gast.” Viele ihr ruhig ins Wort. Und bevor sie protestieren, sie tun mir einen gefallen. Sie ersparen mir einen Abend mit jemandem, der nur meine Konten sieht, nicht mich. Woher wissen Sie, dass ich nicht so bin? Weil Sie gehen wollten, als sie meinen Namen hörten.
Der Wein kam. Anna nahm einen Schluck und versuchte nicht zu zeigen, wie himmlisch er schmeckte. Alles an diesem Abend fühlte sich so real an, als hätte sie in ein anderes Leben gewechselt. Also, Frau Keller aus Kreuzberg, begann Leon, sich entspannt zurücklehnend. Warum verbringt eine Lehrerin ihren Donnerstagabend mit einem Blindde in einem überteuerten Restaurant? Anna lachte überrascht, wie leicht ihr das fiel.
Meine Freundin Julia ist überzeugt, dass ich sonst mit 40 allein mit einer Katze enden werde. Ihre Verkuppelversuche sind, sagen wir, ambitioniert. Und doch sitzen sie hier. Hier sitze ich, erwiderte Anna und wagte, aber warum braucht Leon Hartmann blinds? Ich dachte, die Frauen stünden Schlange. Ein Schatten glitt über sein Gesicht.
Die, die Schlange stehen, wollen nicht mich. Sie wollen Hartmann Immobilien, die Villa, das Flugzeug, das Symbol. Wissen Sie, wie ermüdend das ist, nur als Kontostand gesehen zu werden? Seine Stimme klang plötzlich verletzlich, ungewohnt ehrlich. Anna spürte, dass er diese Seite selten zeigte. Also hoffen Sie bei einem Blind jemanden zu treffen, der sie nicht kennt.
So ungefähr, obwohl das Universum offenbar andere Pläne hatte, er hob sein Glas auf den falschen Tisch. Anna stieß an. Für einen Moment fühlte sie sich, als stünde sie am Rand eines Abgrunds, bereit in etwas zu springen, das alles verändern würde. Der erste Gang kam, etwas zartes, filigranes, das Anna nicht benennen konnte, aber schmeckte wie ein Stück Himmel.
Leon beobachtete sie dabei, wie sie kostete, und sein Lächeln verriet stille Freude. “Sie haben ein ausdrucksstarkes Gesicht”, sagte er schließlich. Ich sehe jeden Gedanken noch bevor sie ihn aussprechen. Das muss anstrengend sein. Im Gegenteil, es ist erfrischend. Wissen Sie, wie viele Menschen ich treffe, die gelernt haben, nichts zu zeigen? Ihre Offenheit ist selten.
Anna spürte, wie ihre Wangen warm wurden. Sie kennen mich kaum. Dann lassen sie mich das ändern. Es sei denn, ihr Herr Buchhalter wartet verzweifelt an Tisch 14. Sie drehte sich kurz um. Ein Mann saß dort allein, tippte auf seinem Handy herum. harmlos, unscheinbar, vollkommen unbeeindruckend. “Ich glaube, er überlebt”, murmelte sie. “Gut”, sagte Leon und berührte beiläufig ihre Hand auf dem weißen Tischtuch.
Ein elektrischer Funke lief durch sie hindurch, “denn ich habe nicht vor, sie gehen zu lassen, bevor ich alles über sie weiß.” “Alles, alles.” Sie lachte leise. “Das könnte mehr als ein Abendessen dauern. Dann müssen wir eben mehrere Abendessen haben.” Er meinte es ernst und doch lag in seiner Stimme ein weicher Ton, der sie erschreckte.
Anna war unabhängig, seit sie 16 war, als ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen. “Männer, die glaubten, alles bestimmen zu dürfen, mi sie, aber bei Leon war es anders. Es war kein Besitzdenken, sondern echtes Interesse. So als wolle er nicht haben, sondern verstehen.” “Erzählen Sie mir von Ihren Schülern”, sagte er, und Anna tat es.
Sie sprach von Tim, der zwar kaum lesen konnte, aber geniale Bauwerke aus Lego schuf, von Eilen, die mit 8 Jahren drei Sprachen beherrschte, von dem tropfenden Klassenzimmerdach, das seit dre Jahren auf eine Reparatur wartete. Leon hörte zu, stellte Fragen, lachte über ihre Geschichten und runzelte die Stirn, als sie vom knappen Schulbudget erzählte.
Als der Hauptgang kam, hatte Anna fast vergessen, mit wem sie sprach. Er war nicht mehr der Mann von den Titelseiten. Er war einfach Leon. Ein Mann mit Humor, mit einer klaren Meinung über Architektur, der während seines Studiums tagsüber auf Baustellen gearbeitet hatte, um seine Familie zu retten. “Sie haben wirklich selbst auf Baustellen gestanden?”, fragte Anna ungläubig.

“Zwei Jahre lang. Meine Hände erinnern sich noch daran.” Er zeigte sie ihr, rauhe Haut, feine Narben. Mein Vater sagte immer: “Du kannst kein Bauunternehmen führen, wenn du nie Beton angerührt hast. Und jetzt besitzen sie halb Berlin. Er grinste. Ehe ein Drittel. Und sie fragte er plötzlich. Was würden Sie tun, wenn Geld keine Rolle spielte? Anna dachte kurz nach.
Wahrscheinlich genau das, was ich tue. Unterrichten. Aber ich würde mit meinen Schülern reisen, ihnen zeigen, dass die Welt größer ist als ihr Viertel. Vielleicht ein Sommerprogramm, wo sie andere Kulturen kennenlernen. “Das ist schön”, sagte Leon leise. “Sie lieben was sie tun, oder? Sie nickte.
Er drehte sein Weinglas zwischen den Fingern. Ich liebe es auch, Dinge zu erschaffen, aus nichts etwas zu bauen, aber in letzter Zeit er seufzte. Verbringe ich mehr Zeit in Besprechungen als auf Baustellen. Anna sah ihn an. Zum ersten Mal wirkte er müde, nicht körperlich, seelisch. Der Nachtisch kam, ein Kunstwerk aus Schokolade und Blattgold.
Leon kostete zuerst, schloss kurz die Augen und das Lächeln, das darauf folgte, war so echt, dass es ihr Herz berührte. “Meine Mutter hätte das geliebt”, sagte er leise. Dann hielt er inne, überrascht über seine eigenen Worte. “Hätte”, fragte Anna sanft. “Sie ist vor 5 Jahren gestorben.” Krebs. Er legte den Löffel ab, trommelte mit den Fingern auf den Tisch.
Sie war die einzige, die sich nie um Geld geschrt hat. Selbst als wir nichts hatten. Sie sagte immer: “Wir sein reich, nur anders. Sie muss eine wunderbare Frau gewesen sein. Das war sie. Er sah Anna direkt an und sie hätte sie gemocht. Sie war Lehrerin wie sie. Deutsch und Englisch. Sie meinte immer: “Lehrer sein die einzigen, die die Welt wirklich verändern.
” Anna spürte einen Kloss im Hals. Sie hatte heute nicht erwartet, hier zu sitzen und schon gar nicht jemanden zu treffen, der so ehrlich sprach. Ist das der Grund, warum sie wollten, dass ich bleibe? Weil ich sie an sie erinnere? Nein, seine Stimme war jetzt kaum mehr als ein Flüstern. Ich wollte, daß sie bleiben, weil sie das erste echte waren, dass ich seit Monaten gesehen habe.
Sie sind hereingekommen, nass vom Regen, genervt, aber höflich. Sie haben die Kellnerin angelächelt und sich dreimal bedankt. Wer macht das heute noch? Jemand, der bei Großeltern aufgewachsen ist. Die sagten: “Anstand koste nichts, aber bedeute alles. Erzählen Sie mir von ihnen, bat Leon. Und Anna tat es.” Sie erzählte von Oma Rosa, die nach dem Unfall ihre Ersparnisse opferte, um ihr das Studium zu finanzieren.
Von Opa Josef, der bis 73 in der Fabrik arbeitete, nur damit Anna nie hungern musste. Beide waren vor zwei Jahren gestorben, doch Anna griff noch immer jeden Sonntag zum Telefon, bevor sie sich daran erinnerte, dass niemand mehr abhob. “Deshalb sind Sie Lehrerin geworden”, sagte Leon. Es klang nicht wie eine Frage. Ah ja.
Sie gaben mir alles, als sie nichts hatten. Ich will das weitergeben. Leon nickte langsam, dann zog er plötzlich sein Handy hervor. Für einen Moment sank Annas Herz. War das der Moment, wo er sich wieder in seine Welt zurückzog? Doch er wählte eine Nummer. Elisa, sag bitte die Tokio Konferenz für morgen ab. Verschiebe sie auf nächste Woche.
Ja, ich weiß, sie werden toben. Sie sollen toben. Er legte auf. Sie können doch nicht einfach internationale Meetings absagen. Ich habe es gerade getan. Er stand auf, lächelte. Ich möchte Ihnen etwas zeigen. Ah, jetzt. Es ist Nacht 10. Ich muss morgen unterrichten. Vertrauen Sie mir. Eine Stunde. Wenn es Sie nicht beeindruckt, fahre ich Sie selbst nach Hause.
Anna wusste, sie sollte nein sagen, aber der Ausdruck in seinen Augen, Neugier, Wärme, eine Spuraufregung, ließ sie nicken. Der Regen hatte aufgehört, als sie das Restaurant verließen. Die Straßen glänzten im Laternenlicht, als hätte die Stadt selbst frischen Atem geschöpft. Ein schwarzer Wagen wartete vor dem Eingang, diskret, aber markellos.
Leon öffnete ihr die Tür. Der Fahrer nickte wortlos. “Wohin fahren wir?”, fragte Anna. “Sie werden sehen. Sie entführen mich doch nicht, oder?” Er grinste. Würde es sie stören? Meine Schüler vielleicht. Die vermissen mich morgen beim Diktat. Dann verspreche ich, sie rechtzeitig zurückzubringen. Die Fahrt führte durch das nächtliche Berlin vorbei am Pozdammerplatz über die Spray hinein in ein Viertel, das Anna kaum kannte, still von gläsernen Hochhäusern durchzogen.
Der Wagen hielt schließlich vor einem Gebäude, das aussah, als berühre den Himmel. Glas, Stahl, Licht, kühl und doch elegant. Leon führte sie durch einen privaten Eingang. Ein Wachmann nickte respektvoll, als würde er seinen Chef begleiten sehen. Im Aufzug piepte ein Schlüsselchip, dann glitten die Türen zu. “Die Dachterrasse?” fragte Anna neugierig.
“Nicht ganz”, antwortete Leon mit einem Lächeln, das mehr versprach, als es verriet. Die Türen öffneten sich und Anna blieb stehen. Vor ihr lag kein Dach, sondern ein Paradies, ein Garten über den Dächern der Stadt. Bäume, Sträucher, Rosen in voller Blüte, Wasserläufe, die leise pletscherten. Laternen aus Milchglas schwebten wie kleine Monde in der Dunkelheit.
Der Duft von Jasmin hing in der Luft, vermischt mit dem feinen Regennebel, der noch in den Blättern glitzerte. “Das, das ist unmöglich”, flüsterte sie. Das ist mein wahres Projekt”, sagte Leon leise. “Jedes Gebäude, das ich baue, bekommt einen Garten, einen, den niemand erwartet.” Warum? Die meisten Investoren würden dafür extra Miete verlangen.
Eben deshalb, sobald etwas eine Annehmlichkeit wird, ist es kein Geschenk mehr. Ich will, dass die Menschen, die hier leben, es zufällig entdecken. So bleibt es etwas echtes. Anna strich mit den Fingern über eine Ranke aus Jasmin, die sich um eine Metallstütze wand. Ihre Mutter hätte das geliebt. Er nickte.
Sie hat es entworfen oder zumindest die Idee auf einer Serviette im Krankenhaus. Sie meinte, wenn sie schon in der Stadt bleiben müsse, wolle sie wenigstens ein Stück Natur sehen. Dies hier war mein erstes Dach. Ich habe ihr versprochen, mehr davon zu bauen. Jetzt sind es 43 allein in Deutschland. Sie sah ihn an. Der Wind spielte mit seinem Haar und zum ersten Mal wirkte er nicht wie der Mann aus den Magazinen, sondern wie ein Sohn, der etwas gebaut hatte, um eine Lücke in seinem Herzen zu füllen.
“Warum zeigen Sie mir das?”, fragte Anna sanft. Er trat näher, bis sie den feinen Duft seines Parfüms wieder wahrnahm, nach Holz und etwas, das an Regen erinnerte. “Weil ich das Gefühl habe, sie verstehen es. Sie sehen Dinge, die andere übersehen. Sie bedanken sich bei Kellnerinnen. Sie kaufen Bastelmaterial für Kinder, die nicht ihre sind.
Sie sind Er suchte nach Worten, echt. Das sind viele Gründe. Ich hätte noch mehr. Er hob die Hand und berührte ihre Wange, z.B. weil sie Farbe unter den Fingernägeln haben. Kunstunterricht heute. Anna nickte. Temperer und Fingerfarben. Das Chaos des Jahrhunderts. Schönes Chaos. Sein Daumen strich über ihre Haut und sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug.
“Leon, das ist verrückt”, flüsterte sie. “Ich weiß, aber ich habe seit Jahren nichts mehr gefühlt bis heute.” Er wollte noch etwas sagen, doch verstummte. Der Schmerz, den sie in seinem Blick sah, war real. “Seit wann?”, fragte sie leise. Er lächelte schwach. Seit bevor alles nur noch um Geld, Verträge und Macht ging.
Dann ohne weiter zu reden, küsste er sie. Es war kein lauter, gieriger Kuss, sondern einer, der fragte, nicht forderte. Warm, überraschend war. Als sie sich lösten, stand die Stadt unter ihnen still. “Ich sollte gehen”, murmelte sie, auch wenn sie sich kaum bewegen konnte. “Sollen und wollen sind zwei verschiedene Dinge.
” Doch bevor sie antworten konnte, vibrierte sein Handy laut, unbarmherzig. “Sie sollten rangehen”, sagte Anna leise und trat zurück. Er sah auf das Display und sein Gesicht veränderte sich. Es ist mein Vater. Ich warte drüben. Sie ging ein paar Schritte zum Springbrunnen, doch seine Stimme trug über den Garten hinweg.
Was meinst du? Er droht auszusteigen? Nein, keine weiteren Zugeständnisse. Ich komme in 20 Minuten. Er klang jetzt völlig anders. Kühl, hart, ein anderer Mensch. Als er auflegte, stand er still. Dann drehte er sich zu ihr. Ich muss gehen. Mein Vater hat wieder etwas versprochen, was er nicht halten kann. Wenn ich es heute nicht rette, verlieren wir ein Milliardenprojekt.
Das Meeting, das Sie abgesagt haben, ein anderes Disaster. Er trat zu ihr. Kommen Sie mit. Wohin? In meine Welt. Wenn das hier, was auch immer es ist, eine Chance haben soll, sollten sie wissen, wie sie aussieht. Ungefiltert. Sie sah ihn an. Er war wieder der Mann, den die Zeitungen kannten, nur diesmal verletzlicher.
“Ich habe in sechs Stunden Unterricht”, sagte sie schließlich. “Ich fahre sie danach heim. versprochen. Und trotz allem sie nickte. Die Fahrt zum Hartmann Hochhaus war still. Leon telefonierte laut, präzise, auf Deutsch, Englisch, Japanisch. Anna blickte aus dem Fenster. Berlin zog vorbei, glitzernd, rastlos. Als sie das Vorier betraten, war es leer bis auf die Sicherheitsleute, die sofort ehrfürchtig nickten.
Ein Aufzug brachte sie in die oberste Etage. Die Türen öffneten sich zu einer gläsernen Halle, in der Stimmen schrien. Fünf Männer, alle in die Seineranzügen, stritten sich. In der Mitte stand ein älterer Mann, dieselben Augen wie Leon, nur müder, verwaschener, mit grauen Schläfen. “Na endlich”, leite er leicht.
“Der goldene Sohn kommt, um uns zu retten.” Anna roch den Alkohol schon von der Tür aus. Gentlemen, 5 Minuten bitte mit meinem Vater allein”, sagte Leon tonlos. Die Männer zogen sich zurück, neugierige Blicke auf Anna werfend. Als sie allein waren, sank der ältere Hartmann in einen Sessel. “Fang nicht an, Leon. Ich weiß, was du sagen willst.
Wirklich? Dann erspar mir die Wiederholung. Du hast Yammoto Exklusivrechte für das Hafenprojekt versprochen, die wir längst verkauft haben. Ein Missverständnis, eine Lüge.” Schnitt Leonin ab. Du warst betrunken und wolltest Eindruck schinden mit meiner Firma. Sein Vater funkelte ihn an. Deiner Firma? Ich habe sie aufgebaut und fast zerstört.
Wenn Mama mich nicht gebeten hätte zurückzukommen, wäre alles verloren gewesen. Deine Mutter verstand nichts von Geschäft, aber sie verstand, dass Erfolg nichts wert ist ohne Anstand. Er bemerkte Anna jetzt, schielte zu ihr. Und wer ist das noch so ein Goldgräberlein? Vorsicht”, sagte Leon gefährlich ruhig. Anna trat vor. “Ich bin Lehrerin und ich gehe jetzt.
” “Nein”, sagte Leon leise. “Bleiben Sie.” Sein Vater lachte kalt. “Eine Lehrerin. Wie rührend. Ich nehme an, sie sammeln Fallstudien über reiche Männer.” Leon stellte sich zwischen sie. “Draußen warten. Anna, bitte.” Sie nickte erleichtert, doch an der Tür blieb sie stehen, als der Alte höhnte. Sie ist nicht wie Victoria.
Wenigstens kam Victoria aus einer richtigen Familie. Das Wort blieb in der Luft hängen. Victoria. Anna fühlte, wie etwas in ihr zusammenzog. Natürlich. Es gab immer eine Victoria. Anna schloss die Tür hinter sich und atmete tief durch. Victoria, natürlich. Es musste sie geben, die elegante, perfekte Frau aus seiner Welt.
Sie fand den Weg zur Dammentoilette, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und starrte in den Spiegel. Was machst du hier, Anna? Vor ein paar Stunden hattest du dich noch über Mathe Tests und Bastelpapier geärgert. Jetzt stehst du im Penthaus eines Milliardenkonzerns zwischen betrunkenen und Verträgen über Häfen. Ihr Handy vibrierte.
Eine Nachricht von Julia. Markus sagt: “Du bist nicht aufgetaucht. Wo bist du und wieso gibt es ein Foto von dir mit Leon Hartmann?” Anna schaltete das Handy aus. Sie konnte jetzt nichts erklären. Als sie in die Empfangshalle zurückkehrte, sah sie durch die Glaswand, wie Leon telefonierte. Sein Vater saß zusammengesunken auf dem Sessel.
Leon wirkte wieder kontrolliert, aber in seinen Schultern lag Müdigkeit. “Der Vertrag mit Brennan bleibt bestehen”, hörte sie ihn sagen. Yamoto bekommt das Hafenquartier. “Ja, ich fliege morgen selbst nach Tokio.” “So viel zu im Meeting abgesagt”, dachte Anna bitter, aber als er sie sah, war der Ausdruck in seinem Gesicht kein geschäftlicher mehr.
Es war Erleichterung. “Es tut mir leid”, sagte er leise, als er herauskam. Sie hätten das nicht sehen sollen. Ist es immer so? Nur wenn er trinkt? Leider oft. Seine Stimme klang brüchig. Ich habe Entzüge bezahlt, Kliniken, Versprechen gehört. Nichts bleibt. Anna nickte langsam. Mein Großvater war nach dem Tod meiner Oma genauso.
Manche Wunden trinken sich nicht weg. Er sah sie an, als hätte sie gerade einen Schmerz in ihm erkannt, den er selbst kaum benennen konnte. Und trotzdem rennen sie nicht davon. Warum sollte ich? Jeder hat seine Brüche. Nur dass ihrer in der Wirtschaftswoche landet. Er lachte leise, erschöpft, aber echt. Dann Victoria hat das Chaos geliebt.
Sie sagte: “Dramen wären Beweise von Bedeutung.” Als es ruhig wurde, erfand sie neue. Ich dachte, sie versteht meine Welt, aber sie verstand nur den Lärm darin. Anna wollte etwas erwidern, da öffnete sich die Tür des Besprechungsraums. Ein Wachmann trat heraus. Herr Hartmann, ihr Vater bittet Sie zurück. Leons Gesicht verhärtete sich.
Ich bin gleich da. Dann wandte er sich zu Anna zögernd. Ich muss das regeln, vielleicht eine Stunde. Ich kann meinen Fahrer bitten, Sie heimzubringen. Oder oder ich warte. Er sah sie überrascht an. Ich bin Lehrerin. Ich kann geduldig sein sagte sie lächelnd. Das Lächeln, das er darauf zeigte, war eines, dass man nicht spielt. Da hinten ist der Laebereich.
Machen Sie es sich bequem. Anna betrat die Lounge und blieb abrupt stehen. Auf dem Ledersofa saß eine Frau in einem roten Kleid, perfekt geschminkt, ein Glas Champagner in der Hand. Sie lächelte. Sie müssen die Lehrerin sein. Und sie sind Victoria Sommer. Das Lächeln der Frau war so süß, dass es weh tat. Wie entzückend. Anna nickte nur.
Ich bin übrigens nicht hier, um zu warten. Ich bin jetzt im Vorstand. Mein Vater hat mir letzte Woche den Platz gekauft. Anna spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Leon und ich haben Richards Eskapaden früher immer gemeinsam geregelt. Alte Zeiten. Wie aufmerksam. Victoria lachte hell und spitz. Ach, sie sind wirklich goldig.
Markus Parden Leon hat eine Schwäche für Frauen wie sie. Bodenständig Rettungsprojekte. Es ist seine Art Busse zu tun. Busse. Er sucht sich jemanden, den er retten kann. Eine Köchin, eine Künstlerin, jetzt eben eine Lehrerin. Wenn die Herausforderung vorbei ist, sucht er die nächste. Sie hob das Glas. Ein Muster, glauben Sie mir.
Anna erwiderte ruhig und trotzdem wissen Sie erstaunlich viel über einen Mann, den sie angeblich hinter sich gelassen haben. Victorias Lächeln wurde dünn. Wir sind unvermeidlich. 5 Jahre, unzählige Trennungen, aber am Ende kommt er immer zurück. Dann sollten sie jetzt bei ihm sein, nicht hier draußen. Für einen Sekundenbruchteil flackerte Unsicherheit in ihren Augen.
Er wird schon einsehen, dass ihre kleine Schulromanze keine Zukunft hat. Seine Welt lässt das nicht zu. Noch bevor Anna antworten konnte, krachte die Tür auf. Richard Hartmann kam heraus, wütend, schwankend. Das ist noch nicht vorbei, Leon. Ich habe dich gemacht. Leon folgte ihm eiskalt im Blick, aber ruhig in der Stimme.
James, bringen Sie meinen Vater nach Hause. Richard sah Victoria und sein Gesicht hälte sich sofort auf. Victoria, meine Liebe, du bist ja da. Sag ihm, er soll mich nicht rausschmeißen. Sie lächelte geübt. Guten Abend, Richard. Sie sehen großartig aus. Anna konnte nicht verhindern, dass ihr ein trockenes Lachen entwich. Leons Blick fand sie. Wir gehen.
Leon, sei nicht unhöflich, säuselte Victoria. Wir haben uns gerade so nett unterhalten. Ich bezweifle das. Ich war ohnehin schon am gehen sagte Anna leise. Es ist spät. Ich habe morgen Unterricht. Nein, sagte Leon Fester. Victoria, was machst du hier? Vorstandsgeschäfte, Liebling. Jemand muss auf die Firma aufpassen, wenn dein Vater wieder Fehler macht.
Du besitzt 2% Aktien. Du bist nicht die Firma und du bist kein Gott, fauchte sie. 5 Jahre Geschichte und du wirfst sie weg wegen eines Klassenzimmers und Bastelklebers. Anna holte Luft, aber bevor sie etwas sagen konnte, trat Leon einen Schritt vor. Sie hat in drei Stunden mehr Wahrhaftigkeit gezeigt als du in 5 Jahren.
Das Schweigen danach war ohrenbetäubend. Richard sackte in einen Sessel und Victoria stand star, das Glas in der Hand zitternd. Du machst einen Fehler”, sagte sie schließlich mit kalter Stimme. “Wenn sie dich verlässt und sie wird es, werde ich nicht mehr da sein.” “Das hoffe ich”, sagte Leon einfach. Er wandte sich zu Anna, nahm ihre Hand und führte sie hinaus: “Vorbei an stummen Blicken, vorbei an der Welt, die er gebaut hatte.
” Draußen im stillen Korridor blieb er stehen. “Es tut mir leid, ich wollte, dass dieser Abend perfekt wird.” Anna lächelte müde. Perfekt ist langweilig, echt ist besser. Leons Finger zitterten leicht, als er Annas Hand hielt. Zum ersten Mal an diesem Abend wirkte er unsicher, fast verletzlich. “Sie sind noch hier”, sagte er leise.
“Ich bin noch hier”, bestätigte sie. “Aber frag mich nicht, warum.” Er atmete aus, als hätte er den ganzen Abend die Luft angehalten. “Ich weiß, es ist verrückt, aber Sie sind die erste, die mich nicht nach meinem Kontostand behandelt. Sie sehen mich nicht mein Firmenlogo und sie glauben, das reicht? Er lächelte matt. Ich glaube, es ist ein Anfang.
Anna legte den Kopf schief. Sie nennen sich gebrochen Leon. Aber das sind sie nicht. Gebrochene Menschen bauen keine Gärten über der Stadt. Sie bauen Mauern. Sie aber bauen Wege. Sein Blick wurde weich. Wie schaffen sie es so etwas zu sagen, ohne dass es kitschig klingt? 30. Drittklässler täglich. Man lernt ehrlich zu sein, ohne zu verletzen.
Für einen Moment herrschte nur Stille. Hinter der Glaswand lag die glitzernde Skyline Berlins, aber hier drinnen fühlte sich die Welt kleiner an, ehrlicher. “Ich weiß nicht, was das ist, Anna”, sagte Leon schließlich. “Ich weiß nur, dass ich seit Jahren nichts mehr wirklich wollte und jetzt will ich sie. Sie haben mich heute schon fast verloren, als sie über die Weinkarte diskutiert haben.
” Neckte sie leise. Er grinste. “Dann bin ich froh, dass Sie geblieben sind. Er beugte sich vor und küsste sie nicht so vorsichtig wie zuvor, sondern mit jener Gewissheit, die man nur hat, wenn man etwas nicht mehr verlieren will. Anna ließ es zu. Für Sekunden verschwand alles. Die Stadt, der Streit, die Vergangenheit.
Nur dieser Augenblick zählte. Als sie sich lösten, blieb sie dicht bei ihm. “Ich muss um 6:30 Uhr aufstehen”, murmelte sie. “Dann bringe ich sie jetzt nach Hause unter einer Bedingung, welche? Keine Überraschungen mehr, keine Ex-Freundinnen, keine Notfälle, keine Millionenverträge mitten in der Nacht. Er lachte leise. Versprochen.
Der Aufzug brachte sie hinunter in die Tiefgarage. Leons Auto, eine schlichte dunkelgraue Tesla Limousine, wartete dort. Kein Chauffeur, keine übertriebene Geste. Er öffnete ihr selbst die Tür. Die Fahrt durch das nächtliche Berlin war still, aber nicht unangenehm. Leon hielt ihre Hand über der Mittelkonsole und sie spürte, wie sein Daumen unbewußt Kreise auf ihrer Haut zeichnete.
Draußen glitten Lichter vorbei, Brücken, Spray, vertraute Straßen. Als sie vor ihrem alten Altbau in Kreuzberg hielten, stellte er den Motor ab. Hier wohnen Sie. Ah ja, kein Penthaus, aber die Kinder aus der Nachbarschaft bringen mir manchmal Blumen vom Straßenrand. Klingt nach einem besseren Deal. Er stieg aus, begleitete sie bis zur Haustür.
Unter der flackernden Lampe sah er plötzlich jünger aus, fast wie ein anderer Mensch. “Darf ich sie morgen nach der Schule abholen?”, fragte er zögernd. Anna grinste. “Ich bleibe oft länger. Hausaufgabenbetreuung. Dann helfe ich sie bei Hausaufgaben.” Ich war mal ganz gut in Mathe. Das Bild eines milliardenschweren Unternehmers, der Drittklässlern beim ein half, brachte sie zum Lachen.
“Bringen Sie Snacks mit? Die Kinder sind immer hungrig.” Er nickte ernst. 33 PS41 in der Gneisenausstraße. Genau. Abgemacht. Er wollte sich umdrehen, aber Anna hielt ihm zurück. Leon. Ah ja, danke für heute für den falschen Tisch. Er lächelte ehrlich ohne Fassade. Das war der schönste Irrtum meines Lebens.
Sie sah ihm nach, bis sein Wagen in der Dunkelheit verschwand. Dann ging sie langsam die Stufen hinauf zu ihrer Wohnung. Ihre Schuhe klackten auf dem alten Steinboden und trotzdem fühlte sie sich leicht. Zu Hause ließ sie sich auf ihr Bett fallen, noch immer im schwarzen Kleid, das jetzt nicht mehr nach Regen, sondern nach seinem Parfüm roch, nach Wald, Nacht und Versprechen.
Ihr Handy vibrierte. Eine unbekannte Nummer. Hier ist Leon. Nur kurz, ich bin froh, dass Sie an Tisch 7 saßen. Tisch 14 hatte eine furchtbare Aussicht. Anna lächelte und schrieb zurück: “Danke, Sie mich nicht gehen ließen.” Die Antwort kam sofort. “Danke, dass Sie geblieben sind.
” Sie legte das Handy neben sich, schloss die Augen. In ein paar Stunden würde sie wieder die Schultafel wischen, Kinder trösten, Rechenaufgaben korrigieren. Aber morgen wäre anders. Morgen würde jemand aus einer anderen Welt ihre Welt betreten, nicht als Retter, sondern als Mensch. Draußen rauschte die Stadt, gedämpft vom Regen. Anna dachte an Leons Dachgärten, an die stillen Orte über den Lichtern, die niemand kannte.
Vielleicht war das Leben genauso ein verborgenes Paradies über all dem Lärm. Und manchmal, dachte sie lächelnd, mußte man einfach am falschen Tisch sitzen, um endlich das Richtige zu finden.