Die Nacht senkte sich über Berlin wie ein schwerer samt Vorhang, der jedes Geräusch verschluckte und nur die zitternden Streifen aus Licht zurückließ, die aus den Fenstern der Hochhäuser fielen. Inmitten dieses Lichtermeers ragte der gläserne Koloss der Krause und Bergmann Industries Empor ein stälerner Riese, kühl, still und doch lebendig, als wolle er der ganzen Stadt beweisen, dass er noch atmete.

Die Nacht senkte sich über Berlin wie ein schwerer samt Vorhang, der jedes Geräusch verschluckte und nur die zitternden Streifen aus Licht zurückließ, die aus den Fenstern der Hochhäuser fielen. Inmitten dieses Lichtermeers ragte der gläserne Koloss der Krause und Bergmann Industries Empor ein stälerner Riese, kühl, still und doch lebendig, als wolle er der ganzen Stadt beweisen, dass er noch atmete.

 Ganz oben in den Etagen, wo Entscheidungen über Schicksale in Sekunden gefällt wurden, saßen Männer in maßgeschneiderten Anzügen unter grellem Licht, tranken teuren Kaffee und sprachen über Macht, als sei sie ihr Geburtsrecht. Doch weit unten, dort, wo das fahle Gelb der Putzlichter kaum ausreichte, um den glänzenden Marmorboden zu erhellen, begann eine andere Welt, die Welt derer, deren Namen niemand kannte.

 Die Welt der Hände, die stumm die Spuren jener Macht beseitigten. Jede Tasse, jedes Papier, jeder Tropfenkalten Kaffees, der nach wichtigen Besprechungen zurückblieb. Auf der fast lautlosen 42 Etage schob Lena Bergeren silbernen Wagen durch den Flur. Ihre Hände zitterten leicht, vor Kälte, vor Erschöpfung und weil sie seit drei Monaten keine Nacht länger als 4er Stunden geschlafen hatte. Mitz hätte ihr Leben voller Möglichkeiten sein sollen.

Doch in ihren Augen lag die Müdigkeit einer Frau, die schon doppelt so alt schien. Jede Falte um ihre Wimpern erzählte von Nächten ohne Schlaf, von Schichten, die bis zum Morgengrauen dauerten und von der Verzweiflung, die sie jedes Mal überkam, wenn sie auf die unbezahlten Krankenhausrechnungen ihrer Mutter sah.

 Maria Berger, ein Name, der auf jeder Rechnung stand wie ein Berg, der niemals endete. Mit jedem Monat wuchs er höher, unbarmherzig, wie ein Gipfel ohne Ende. Der beißende Geruch von Desinfektionsmittel mischte sich mit dem Rest von kaltem Kaffee und Lena verzog kurz das Gesicht. Die Uhr am Ende des Ganges zeigte 0:15 Uhr.

 Die Stunde, in der die ganze Welt zu schlafen schien, außer ihr. Sie hatte sich dieses Leben nicht ausgesucht. Es hatte sie ausgesucht auf die schlimmste Artikel. Als sie sich hinkniete, um den Boden zu wischen, der so blank poliert war, daß er das matte Licht der Neonröhren spiegelte, verwandelte sich ihr Atem in eine dünne Nebelspur.

 Sie erwartete Stille, Einsamkeit, eine weitere Nacht, in der niemand etwas von ihr verlangte, außer Durchhaltevermögen. Doch dann hörte sie es. Ein Geräusch. Räder, die sich leise über Stein bewegten. Lena hob den Kopf. Die Tür zum Büro des Vorstandsvorsitzenden stand einen Spalt offen. Unmöglich.

 Diese Etage war seit Stunden leer. Kein Manager blieb je bis Mitternacht. Ein dünner Streifen gelben Lichts fiel durch den Türspalt. Lena runzelte die Stirn. Ihr Herz schlug schneller. Schritt für Schritt nährte sie sich. Ihre alten Turnschuhe quietschten kaum hörbar, doch im stillen Flur klang es wie ein Fehler, der Folgen haben würde.

 Sie legte die Hand auf die Tür und drückte leicht. In einem Moment, der sich dehnte wie ein ganzes Jahr, drehte sich ihr Leben. Ein Mann, ein Rollstuhl, breite Schultern unter einem weißen, aufgekrempelten Hemd, eine Silhouette, die vor der Glaswand saß, durch die schlafende Stadt schimmerte.

 Er rührte sich nicht, doch in den angespannten Muskeln seiner Unterarme lag etwas, ein stiller Kampf, den nur er selbst kannte. Sein dunkles Haar wirkte, als hätte er sich hundertmal mit den Fingern hindurchgefahren. Lena wollte sich zurückziehen, doch ihr Wagen stieß gegen die Tür ein metallisches Kliren, laut genug, dass ihr Herz still stand.

 Er drehte sich sofort, schnell, präzise und als sich ihre Blicke trafen, blieb Lenas Atem stehen. Er war schön auf gefährliche Weise, nicht die Art Schönheit, die sanft war, eher wie ein Sturm, der alles zerstören konnte. Seine stahlgrauen Augen sahen sie an, als würden sie jede Mauer, die sie je aufgebaut hatte, mühelos durchdringen.

 Kein Mitleid, keine Kälte, nur ein Blick, der sie wirklich sah. “Entschuldigung”, hauchte sie. “Ich wusste nicht, dass jemand hier ist. Ich kann später wiederkommen.” “Nein,” seine Stimme war tief, rau, durchbrach die Stille wie ein Messer. “Kommen Sie rein.” “Eine kurze Pause, dann leiser. Das ist keine Anweisung, eine Einladung. Es hätte sie nicht erschüttern sollen, aber es tat es.

 Zögernd trat sie ein, das Tuch in der Hand wie ein Schild zwischen sich und diesem Mann, dessen Blick sie unsicher machte. Das Büro war groß, fast majestätisch. Dunkles Leder, Regale bis zur Decke, der Duft von Holz und etwas maskulinem, Zednhnholz, Gewürz, Wärme. “Sie arbeiten hier jede Nacht?”, fragte er ruhig. “Ja, ich gehöre zum Reinigungsteam.

” Er neigte leicht den Kopf, als wollte er sie lesen. “Wie heißen Sie?” Lena Berger. Er wiederholte den Namen langsam. Lena. In seinen Lippen klang ihr Name plötzlich wichtig, fast schön. Ich bin Niklas Krause, sagte er. Sie erstarrte. Der Name, den jeder in diesem Gebäude flüsterte. CEO von Krause und Bergmann, der jüngste Milliardär Deutschlands. Der Mann, den Halbeuropa beneidete und bemitleidete, seit er im Rollstuhl saß.

Aber seine Augen waren alles andere als leer. Sie waren lebendig. Sie sehen mich nicht so an wie die anderen”, sagte er leise. “Wie meinen Sie das?” “Mit Mitleid. Sie sehen mich nicht an, als wäre ich schon gebrochen.” Lena presste das Tuch fester, weil sie es nicht sind.

 Die Stille danach war so dicht, dass sie fast sein Herz schlagen hörte. Dann ein Lächeln, kaum sichtbar, aber echt. Und genau dieses Lächeln verschobre Welt. Sie ahnte nicht, daß dieser Mann mit Feuer in den Augen und einer Einsamkeit so schwer wie die Nacht selbst ihr ein Angebot machen würde, dass ihr Leben für immer verändern sollte.

 Die Luft im Büro von Niklas Krause schien sich zu verdichten, kaum dass Lena sich zum Gehen umdrehte, als hielte der Raum selbst den Atem an. Weiches goldenes Licht fiel von den Wandlampen auf den Walnussschreibtisch, auf die ordentlich gestapelten Akten und auf den Rücken seines weißen Hemdes.

 Etwas an ihm zog das Licht an, als wäre er das Zentrum einer unsichtbaren Schwerkraft, der sie besser nicht zu nahe kommen sollte und doch nicht entkommen konnte. Setzen Sie sich. Seine Stimme war ruhig, aber warm mit einem gefährlichen Unterton. Er deutete auf den Ledersessel vor seinem Schreibtisch, den sie sonst nie zu berühren gewagt hätte.

 Ich ich muß noch die Etage fertig reinigen”, flüsterte Lena, suchte nach einem Vorwand, um diesem Moment zu entfliehen. Niklas legte den Kopf leicht schief. Sein Blick, scharf wie Eis, aber tief darunter etwas, das sie nicht benennen konnte, ließ keinen Widerspruch zu. “Setzen Sie sich, Lena!” Diesmal war es keine Bitte, kein Befehl. Es war etwas dazwischen, etwas, das wie ein Versprechen klang. Ihre Beine bewegten sich von selbst.

 Jeder Schritt ließ ihr Herz schneller schlagen, bis sie in das butterweiche Leder sank, dass sie gleichzeitig verschlang und ihr zuflüsterte, dass sie hier nicht hingehörte. Ihre Finger zitterten. Sie faltete sie fest ineinander, um das Beben zu verbergen. Niklas lenkte den Rollstuhl mit einer Leichtigkeit, die atemberaubend war, fließend, präzise, beinahe elegant.

 Jede Bewegung zeugte von Kontrolle. von jemandem, der gelernt hatte, seine Grenzen zu beherrschen, statt sich von ihnen beherrschen zu lassen. Er stoppte direkt vor ihr, so nah, dass sie die feinen Linien an seinen Augenwinkeln sah, die Spuren eines Mannes, der selten lachte, aber tief fühlte.

 “Warum arbeiten Sie hier?” Seine Stimme war nun sanft wie samt über Stahl. Lena schluckte. Das war keine Frage, die reiche Menschen gewöhnlich stellten. Es war die Frage eines Einsamen an eine andere verlorene Seele. “Meine Mutter ist krank”, brachte sie hervor. “Kreps, ich brauche das Geld für ihre Behandlung.” Sie senkte den Blick, ihre Stimme stockte.

 In Büros wie diesem interessierte sich niemand für die Sorgen einer Reinigungskraft. Niklas schwieg, Sekunden dehnten sich, bis sie wie Minuten wirkten. Dann ganz langsam streckte er die Hand aus. Seine Finger berührten ihre nur leicht, doch es war, als hätte jemand Strom durch sie beide geschickt. Es war keine zufällige Geste, kein Mitleid.

 Es war eine bewusste, stille Entscheidung. “Sie sind stark”, sagte er schließlich. “Zum ersten Mal klang seine Stimme nicht wie eine Waffe. Sie war weich, fast tröstend.” Lena schüttelte den Kopf. Tränen sammelten sich in ihren Wimpern. “Nein, ich versuche nur zu überleben.” Niklas hielt ihre Hand fester.

 Überleben flüsterte er. ist die stärkste Form des Lebens. Die Worte trafen sie wie ein Schlag an der empfindlichsten Stelle ihrer Seele. Sie wollte weinen, aber sie zwang sich still zu bleiben. Dann hob er ihre Hand und drückte einen Kuss darauf, so leicht, dass es kaum echt schien. Doch die Wärme seiner Lippen brannte sich in ihre Haut wie ein Gelüpte.

 Als er sie losließ, sah er sie weiter an, tief ernst, als suchte er in ihrem Blick nach einer Antwort, die er sich selbst nicht zu stellen wagte. Kommen Sie morgen Nacht wieder”, sagte er heiser. Lena nickte nur, unfähig ein Wort hervorzubringen. “Gut, sein Griff löste sich langsam. Jede Sekunde fühlte sich an wie ein Verlust.

 Als sie hinausging, spürte sie seinen Blick auf ihrem Rücken, heiß, eindringlich, unausweichlich. Erst im Flur atmete sie wieder. Sie lehnte sich gegen die kühle Wand, als käme sie gerade aus tiefem Wasser hoch. Etwas hatte sich verändert, nicht zwischen ihnen in ihr.

 Eine unsichtbare Tür war aufgegangen und Lena wusste, nichts würde mehr so sein wie zuvor. Drei Tage vergingen, drei endlos lange, unwirkliche Tage. Sie hatte versucht sich einzureden. Es sei nichts gewesen, nur eine seltsame Begegnung mit einem Mann, den sie nie wiedersehen würde. Doch jede Nacht, wenn sie auf der 42. Etage arbeitete, klopfte ihr Herz, sobald sie an der Tür zu seinem Büro vorbeiging.

 Sie wischte dieselben Marmorböden, lehrte dieselben Papierkörbe, aber alles fühlte sich anders an. Ihr Atem wurde flach, ihre Hände feucht. Ein Teil von ihr wollte, dass die Tür sich wieder öffnete, doch sie blieb geschlossen. Die Lichter aus bis zur vierten Nacht. Lena war gerade dabei, den Wagen in den Geräteraum zu schieben, als sie das Geräusch hörte.

 Räder sanft, kontrolliert, aber unverkennbar. Sie drehte sich um und da war er. Niklas Krause. Er trug einen maßgeschneiderten antrazitfarbenen Anzug, perfekt geschnitten, als hätte der Stoff gelernt, sich seiner Kraft anzupassen.

 Die Krawatte war gelockert, das Hemd an der Brust leicht geöffnet, ein Hauchhaut sichtbar, gerade genug, um ihr Herz aus dem Tack zu bringen. Sein Haar war nach hinten gestrichen, doch eine widerspenstige Strähne fiel ihm in die Stirn. Es gab ihm etwas Wildes, etwas Ungezügeltes. “Len”, sagte er. Ihr Name rollte von seinen Lippen wie leiser Donner in der Stille des Ganges.

 Sie umklammerte das Putztuch, ihre Finger weiß vor Anspannung. “Mäm, Herr Krause.” Sein Blick glitt langsam über ihr Gesicht, ernst, forschend, als wolle er jede Reaktion einfangen. “Ich muss mit ihnen sprechen jetzt in meinem Büro.” Es klang nicht wie eine Bitte, es war eine Entscheidung. Lena zögerte, dann nickte sie.

 Ihr Herz schlug gegen ihre Rippen wie ein eingesperrter Vogel. Sie folgte ihm. Im Büro schloss er die Tür hinter ihnen. Ein Klick, so leise und doch endgültig. Das Licht einer einzelnen Schreibtischlampe tauchte den Raum in warmes goldenes Glühen. Draußen glitzerte die Stadt im Blau der Nacht. Niklas fuhr näher, hielt nur einen Meter vor ihr. “Setzen Sie sich”, sagte er.

Sie tat es. Ihre Hände lagen still im Schoß, doch innerlich bebte sie. “Ich sage es offen”, begann er. Ich brauche eine Frau. Lena blinzelte verwirrt. Wie bitte? Der Vorstand will mich aus meiner Position drängen, fuhr er fort. Sie behaupten, mein Zustand mache mich instabil. Ich solle den Platz räumen.

Aber wenn ich verheiratet bin, wenn ich Stabilität zeige, haben sie keine Grundlage mehr. Lena starrte ihn an. Warum ich? Niklas lehnte sich vor, seine Stimme tief, rau. Weil sie mich ansehen, als wäre ich immer noch ein Mann. Ihr Atem stockte und weil sie Geld brauchen, seine Augen wurden dunkler.

 Ich weiß, wie es ist, für jemanden zu kämpfen, den man liebt. Lenas Tränen brannten in ihren Augen. Was was schlagen Sie vor? Einen Vertrag, sagte er ruhig. Ein Jahr Ehe. Sie leben in meinem Haus, begleiten mich zu Veranstaltungen, zeigen der Welt, dass ich ein stabiles Privatleben habe.

 Im Gegenzug bezahle ich alle Behandlungen ihrer Mutter grenzenlos. Außerdem ein Gehalt und wenn der Vertrag endet, genug Geld, um nie wieder Angst haben zu müssen. Die Welt kippte. Und wenn ich nein sage? Ein schwaches Lächeln, traurig, fast bittend, dann akzeptiere ich das, aber ich will niemand anderen. Nur sie. Lena schloss die Augen. Ihr ganzer Körper bebte.

 Wie lange habe ich, um zu entscheiden? Bis morgen Nacht. Dann nahm er ihre Hand, seine Finger warm, fest, ehrlich. Ich verspreche fair zu sein, sagte er, und nichts zu verlangen, was sie nicht geben wollen. Er hob ihre Hand an seine Lippen, küsste sie langsam, ehrfürchtig. Wenn Sie ja sagen, flüsterte er, werde ich dafür sorgen, dass Sie es nie bereuen. Lena ging hinaus wie jemand, der am Rand eines Abgrunds steht.

 Die Nacht nach diesem Gespräch war endlos. Lena lag wach in ihrer kleinen Wohnung in Moabit, während der Regen leise gegen die Scheibe klopfte. Ihr Handybildschirm glimte im Dunkeln. Das Foto ihrer Mutter lächelte sie an, schwach, aber tapfer. Jedes Mal, wenn sie den Gedanken verwerfen wollte, tauchte Niklas Stimme in ihrem Kopf auf, ruhig, bestimmt, verletzlich zugleich. Ich will niemand anderen, nur sie.

 Um dre Uhr morgens stand sie auf, ging barfuß durch den schmalen Flur und sah ihr eigenes Spiegelbild im Bad, blass, müde, aber entschlossen. Sie wusste, was sie tun musste, nicht für sich, für. Als sie am nächsten Abend durch die gläserndnen Türen des Hochhauses trat, zitterten ihre Hände. Die Nachtwächterin nickte ihr freundlich zu, doch Lena hörte kaum etwas.

 Jeder Schritt zum Aufzug fühlte sich an, als ginge sie auf etwas zu, das ihr Leben in davor und danach teilen würde. Oben auf der 42 Etage wartete er schon. Niklas trug ein dunkles Hemd, die Ärmel aufgekrempelt, der Kragen leicht geöffnet. Die Stadt leuchtete hinter ihm. Ihr Licht spiegelte sich im Glas wie flüssiges Gold.

 “Nun?” fragte er leise, aber mit einer Spannung, die den Raum füllte. Lena atmete tief ein. “Ja”, sagte sie. “Ich stimme zu. Einen Moment lang schien selbst die Luft zu erstarren. Dann wich die Härte aus seinen Zügen, ersetzt von einer Art stiller Erleichterung. Kein Lächeln, eher ein Bekenntnis. Dann haben wir eine Vereinbarung. Er streckte die Hand aus. Als ihre Finger seine berührten, war es mehr als ein Handschlag. Es fühlte sich an wie ein Schwur.

 Niklas beugte sich leicht vor, so nah, dass sie seinen Atem spürte. Seine Stimme wurde weich, gefährlich leise. Wir machen das richtig, Lena. Er kam ihr so nah, daß sie glaubte, er würde sie küssen. Doch er hielt inne, nur millimeter von ihr entfernt, bevor er sich zurückzog. Der Abstand, der blieb, war fast schmerzhafter als Berührung. Lena wußte, sie war in ein Spiel eingetreten, das mit jedem Zug gefährlicher werden würde.

Zwei Tage später war der Vertrag unterschrieben, sachlich, kühl, voller Klauseln, ehe auf Zeit, ein Jahr, ein Haus, eine Rolle, eine Lüge. Und doch fühlte es sich nicht wie eine Lüge an, als sie vor dem großen Eisentor von Krause Villa stand, irgendwo zwischen Potzdam und dem Wannsee. Das Anwesen war gewaltig, fast unwirklich.

 Gepflegte Gärten, ein stiller Pool, marmorne Säulen. Alles wirkte zu groß für das Leben, dass sie kannte. Niklas selbst öffnete die Tür. Kein Butler, kein Chauffeur, nur er. “Willkommen zu Hause”, sagte er schlicht. Diese drei Worte trafen sie stärker als alles zuvor.

 Er führte sie durch breite Flure, goldenes Licht spiegelte sich auf Pakett. Ölgemälde beobachteten sie stumm. Schließlich öffnete er eine Tür. “Ihr Zimmer. Sie haben hier volle Privatsphäre. Ich werde es respektieren. Sein Ton war sachlich, doch sein Blick verriet etwas anderes, als wollte er hinzufügen. Wenn ich kann. Zwei Tage vergingen.

 Der Vertrag lag in der Schublade, doch Lenas Herz hielt sich nicht daran. Am dritten Abend fand sie auf ihrem Bett ein Paket. Darin lag ein schwarzes Seidenkleid. Schlicht, elegant, gefährlich schön, dazu ein Zettel in seiner Handschrift. Tragen Sie es heute Abend. Vertrauen Sie mir. Lena stand lange davor, das Handtuch um den Körper geschlungen, Dampf aus dem Bart in der Luft.

 Ihre Finger zitterten, als sie den Stoff berührte, kühl, glatt, leicht wie Atem. Sie wusste, wenn sie es anzog, würde es kein zurückgeben. Sie tat es trotzdem. Vor dem Spiegel erkannte sie sich kaum wieder. Ihr braunes Haar fiel in weichen Wellen über die Schultern. Ein Hauch Make-up ließ ihre grünen Augen leuchten.

 Zum ersten Mal seit Jahren sah sie nicht wie ein Schatten aus. Sie sah schön aus. Ein leises Klopfen an der Tür ließ sie zusammenzucken. Lena, Niklas, Stimme, tief und ruhig. Wir müssen los. Als sie öffnete, blieb ihr der Atem weg. Er trug einen perfekt sitzenden schwarzen Anzug, die Krawatte akkurat, der Blick, gefährlich ruhig.

 Sein Blick glitt über sie, langsam, prüfend, fast ehrfürchtig. “Sie sehen umwerfend aus. Ihre Wangen wurden heiß.” Danke”, flüsterte sie, ohne ihn anzusehen. “Schauen Sie mich an”, sagte er leise. Sie tat es und fand in seinen Augen keine Lüge. Nur Wahrheit. Er beugte sich vor, nahm ihre Hand, küsste sie leicht.

 “Lassen Sie sich nicht einreden, dass Sie weniger wert sind, weil Sie kämpfen mussten, um hier zu stehen.” Dann führte er sie hinaus, die Treppe hinunter, wo eine schwarze Limousine wartete. Im Wagen herrschte Stille. Nur der Klang der Stadt, das ferne Brummen von Motoren. Niklas saß ihr gegenüber, die Hände gefaltet, sein Blick auf sie gerichtet. “Sind Sie nervös?”, fragte er. “Ein wenig.

” Er nickte. “Das ist gut. Nervosität bedeutet, dass ihnen etwas wichtig ist.” Sie lächelte schwach. “Und ihnen, ich bin immer nervös, wenn es um etwas geht, dass ich nicht verlieren will.” Lenas Herz stolperte. Als der Wagen durch die hell erleuchteten Straßen rollte, dachte sie an all die Nächte. in denen sie am Boden kniete und den Dreck anderer entfernte.

 Heute fuhr sie zu einem Galadinner an seiner Seite als seine Frau, zumindest auf dem Papier. Sie wusste nicht, ob sie träumte oder viel. Das Galarinner fand in einem der höchsten Gebäude Berlins statt im Helius Tower 58. Etage. Als Lena und Niklas die Lobby betraten, empfing ein Meer aus goldenen Lichtern, teurem Parfüm und Stimmen, die in seidenweichen Tönen Macht austauschten. Der Marmorboden glänzte.

 Kronleuchter warfen Lichtpunkte auf die Wände, als wollten sie das Funkeln der Juwelen an den Kleidern der Gäste widerspiegeln. Niklas Hand lag leicht auf ihrer Taille, nur ein Hauch Berührung, doch sie fühlte ihn wie Feuer auf ihrer Haut. “Bleiben Sie ruhig”, flüsterte er. “Sie müssen niemandem etwas beweisen, nur mir glauben.” Sie nickte, obwohl ihr Herz raste.

 Die Blicke der Menschen waren wie unsichtbare Nadeln, neugierig, prüfend. “Ist das wirklich sie, die neue Verlobte?” Sie hörte die Fragen nicht, aber sie spürte sie. Und dann geschah etwas Seltsames. Niklas Nähe verwandelte das alles in Nebel. Seine Ruhe wurde zu ihrer. Am Tisch der Investoren stand ein Mann mit rundem Bauch und sorgsam gestutztem Bart auf.

 Herr Krause, welche Überraschung, Sie hier zu sehen. Und ihre Begleitung, Niklas Stimme war fest, doch ruhig. Das ist Lena, meine Verlobte. Das Wort fiel wie ein Donner in den Raum. Ein leises Raunen ging durch die Runde, gefolgt von höflichem Lächeln, Gläsern, die gehoben wurden. “Gratuliere”, sagte jemand mit gespielter Begeisterung.

 “Wann ist der große Tag?” “Sehr bald”, antwortete Niklas knapp. Er legte seine Hand auf Lenas mitten auf dem Tisch. “Kein Schauspieler der Welt hätte es besser spielen können, oder vielleicht war es gar kein Spiel.” Seine Finger verschränkten sich mit ihren ruhig, selbstverständlich, als gehörten sie dahin.

 Während die Gespräche weiterliefen, blieb seine Hand dort. Er diskutierte über Zahlen, Märkte, Strategien, aber sein Daumen zeichnete leise Kreise auf ihrem Handrücken. Jede Bewegung war wie eine geheime Sprache. Lena spürte, wie ihr Atem schneller ging. Als sie zum Wasserglas griff, zitterte ihre Hand leicht.

 Niklas legte seine zweite Hand an ihre Taille, beugte sich zu ihr und flüsterte vorsichtig. Seine Stimme war kaum hörbar, sein Atem streifte ihre Haut. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie drehte den Kopf und plötzlich waren ihre Lippen nur wenige Zentimeter von seinen entfernt. Ein Sekundenbruchteil, in dem die Welt stillzustehen schien.

 Dann zog er sich zurück, gerade rechtzeitig, bevor der Moment zu weit ging. Lena zwang sich wieder zu atmen, doch etwas war geschehen, etwas, das sich nicht mehr rückgängig machen ließ. Als der Abend endete, tauschten sie noch höfliche Worte, Händedrücke, Lächeln, die nichts bedeuteten. Danach brachte die Limousine sie zurück zur Villa. Im Wagen herrschte Schweigen, schwer und elektrisch.

 Die Stadt zog draußen vorbei. Lichter verschwammen zu goldenen Linien. Niklas löste die Krawatte, atmete tief ein. “Sie waren heute außergewöhnlich”, sagte er. “Ich habe nur versucht, ihnen nicht im Weg zu stehen.” Er schüttelte den Kopf. “Sie waren mehr als das.” Sie waren perfekt.

 Lena wußte nicht, was sie darauf sagen sollte. Ihre Finger spielten nervös mit der Klatschtasche, bis er plötzlich ihre Hand ergriff. Langsam, mit jener ruhigen Sicherheit, die ihn ausmachte. “Ich weiß, dass das hier nur ein Arrangement ist”, begann er, seine Stimme rau, ehrlich. “Aber wenn ich bei ihnen bin, fühlt es sich nicht so an.

” Sie hob den Blick, die Tiefe in seinen Augen nahm mir die Sprache. “Manchmal”, fuhr er fort, “vergesse ich, dass es nicht echt ist.” und dann erschrecke ich, weil ich nicht mehr weiß, ob ich spiele oder lebe. Lenas Herz zog sich zusammen. Sie wollte etwas sagen, doch ihre Stimme versagte. Stattdessen drückte sie seine Hand leise, zögernd, doch er verstand.

 Als sie die Villa erreichten, half er ihr aus dem Wagen. Der Wind vom Wannsee trug den Duft von Herbstlaub herüber. Für einen Moment standen sie nebeneinander im Dunkeln, ohne Worte, nur das Rauschen der Bäume um sie herum. Später im Wohnzimmer brannte ein Feuer. Niklas saß in seinem Rollstuhl neben dem Kamin.

 Die Flammen spiegelten sich in seinen grauen Augen. Lena saß auf dem Sofa, ein Glas Rotwein in der Hand, barfuß, das Kleid längst abgelegt. Zwischen ihnen lag keine Distanz mehr, nur unausgesprochene Fragen. Darf ich etwas fragen? Ihre Stimme war leise. Was ist damals passiert bei dem Unfall? Niklas Finger verkrampften leicht am Rohlstuhl griff. Lange sagte er nichts. Dann mit gedämpfter Stimme vor drei Jahren.

Schnee, nasse Straßen. Mein Fahrer wollte anhalten. Ich bestand darauf, weiterzufahren. Wir kamen von der Straße ab. Er starb. Ich überlebte, aber mein Rücken. Er brach ab. Lena stellte das Glas ab, griff nach seiner Hand. Es tut mir leid, flüsterte sie. Er blickte zu ihr und lächelte schwach, erschöpft.

 Das sagen viele, aber sie, sie meinen es wirklich. Seine Finger schlossen sich um ihre. Ich habe lange geglaubt, ich sei kein ganzer Mann mehr. Bis sie kamen. Lenas Atem stockte. Niklas, sie sehen mich, als wäre nichts an mir zerbrochen, weil sie es nicht sind. Tränen traten ihr in die Augen.

 Er hob ihre Hand an seine Lippen, küsste sie langsam. Diesmal länger, ehrlicher. Als er sie losließ, flackerte das Feuer zwischen ihnen wie ein Zeuge eines stillen Gelübtes. Dann hob er die Hand und strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Ich sollte das nicht wollen”, flüsterte er. “Aber ich tue es.” Ihre Herzen schlugen im gleichen Rhythmus.

 Sie konnte seinen Atem auf ihrer Haut spüren, seine Stimme hören, rau, leise, brennend. “Ich weiß, es ist nur ein Vertrag, Lena, aber wenn ich bei Ihnen bin, fühlt sich alles echt an.” Sie antwortete nicht. Sie legte die Stirn an seine. Minutenlang atmeten sie dieselbe Luft. Kein Wort mehr, kein Schauspiel, nur Nähe. Als sie sich schließlich lösten, brannte ihre Haut.

 Er sah sie an, als müsse er sich zwingen, sie loszulassen. Gute Nacht, Lena. Gute Nacht, Niklas. Als er sich langsam wegrollte, sah sie ihm nach, bis die Flammen seine Silhouette verschluckten. Und in dieser Nacht wusste sie, sie begann ihn zu lieben. Wirklich. Der Herbst kam über Berlin mit Nebel und goldenen Blättern. Drei Wochen waren vergangen, seit Lena in die Villa eingezogen war, und jeder Tag hatte sie tiefer in eine Wirklichkeit gezogen, die sie nicht mehr klar von der Lüge trennen konnte. Am Morgen roch das Haus nach Kaffee und warmem Brot, nach der Ruhe,

die sie aus ihrer alten Welt nicht kannte. Manchmal hörte sie Niklas schon früh im Arbeitszimmer, die Räder seines Rohlstuhls auf dem Pakett leise wie Atemzüge. Dann klopfte sie an, brachte ihm Tee und er sah von seinen Unterlagen auf mit diesem halbmüden, halbweichen Blick, der ihr jedesmal das Herz beschleunigte.

 Er fragte nach ihrer Mutter, merkte sich jedes Detail, jede Medikamentendosis, jede Nachricht der Ärzte. Wenn sie lachte, lächelte er unwillkürlich mit. Wenn sie schwieg, wartete er, bis sie sprach. Und abends, wenn sie beide zu erschöpft waren, um noch Rollen zu spielen, saßen sie nebeneinander im Wohnzimmer, der Kamin knisterte, und sie redeten über alles, was sie früher nie jemandem erzählt hätten.

 An solchen Abenden dachte Lena manchmal, vielleicht ist das gar keine Lüge mehr. Doch in ihr Angst. Der Vertrag war real und eines Tages würde er enden. Die Einladung zur Jahresgala der Wirtschaftselite war ihr endgültiger Beweis dafür, dass sie nicht träumte. Es war das Ereignis, über das alle Zeitungen schrieben, das in Fernsehnachrichten erwähnt wurde und Niklas hatte sie gebeten, ihn zu begleiten.

 Das Kleid, das auf dem Bett lag, war dunkelblau, fast schwarz, mit einem offenen Rücken, gehalten von zarten, überkreuzten Trägern. Der Stoff glitt wie Wasser über ihre Haut. Sie betrachtete ihr Spiegelbild und erkannte sich selbst kaum wieder. Bin das wirklich ich? Als sie die Treppe hinunterstieg, stand Niklas unten und wartete. Das Licht des Kronleuchters brach sich in seinen Augen.

 “Sie sehen aus”, sagte er heiser, als hätte jemand das Licht genau für sie erfunden. Lena blieb auf der letzten Stufe stehen. Ihr Herz schlug so laut, dass sie meinte, er müsse es hören. “Danke”, er reichte ihr die Hand und als sie sie nahm, war da dieser vertraute Strom zwischen ihnen, die stille Gewissheit, dass etwas in Bewegung geraten war, das keiner mehr aufhalten konnte.

 Im Ballsaal herrschte Glanz und Perfektion, Kristallüster, leise Musik, Champagner, lächelnde Gesichter. Und doch war Niklas Anspannung spürbar. “Heute Abend entscheidet sich, ob Sie mich im Vorstand behalten”, sagte er leise. “Wenn Sie Schwäche riechen, bin ich erledigt.” Lena legte die Hand auf seinen Arm. “Dann werden sie Stärke sehen. Ihre” Erickte kaum merklich.

 Als sie durch den Saal glitten, spürte sie dutzende Blicke, hörte geflüsterte Namen. “Das ist sie, die Verlobte, die Putzfrau”, sagen manche. Doch niemand wagte, es laut zu sagen. Niklas Haltung war zu aufrecht, seine Präsenz zu ruhig, zu mächtig. Dann trat ein älterer Mann an sie heran.

 Harald von Stein, der Aufsichtsratsvorsitzende. Hochgewachsen, silbergraues Haar, der Blick schneidend wie Glas. Niklas, sagte er, sie sehen besser aus, als die Gerüchte vermuten ließen. Niklas lächelte dünn. Gerüchte haben selten Augen für die Wahrheit. Von Stein musterte Lena. Und das muss also ihre Verlobte sein.

 Ja, erwiderte Niklas ohne zu zögern. Seine Hand wanderte an Lenas Tale. Die Frau, die mir zeigt, dass ich immer noch alles erreichen kann. Seine Stimme war fest, klar, durchdrungen von jener Ruhe, die keine Angriffsfläche ließ. Von Stein nickte, sah sie noch einen Moment lang an, dann lächelte er höflich.

 Ich hoffe, sie wissen, was Sie an ihm haben. Lena erwiderte leise, mehr als er ahnt. Kurz darauf begann die Musik, eine langsame Melodie. Niklas drehte sich zu ihr. Tanzen Sie mit mir, aber ihr Blick glitt zu seinem Rollstuhl. Vertrauen Sie mir. Sie legte ihre Hand in seine und er führte sie auf die Tanzfläche. Zuerst zögerlich, dann sicherer. Seine Bewegungen waren kontrolliert. rhythmisch, elegant.

 Er führte sie, zog sie an sich, drehte sie. Es war kein Tanz aus Technik, sondern aus Gefühl. Die Welt um sie herum verschwamm. Nur er blieb scharf. Sein Atem, seine Stimme, sein Herzschlag. “Sie machen mich vergessen, dass ich sitze”, flüsterte er. “Und sie machen mich vergessen, dass ich Angst habe.” Sie lächelte. Er auch.

 Ein echtes Lächeln. Das erste, das nicht für Kameras gedacht war. Als das Lied endete, verharten sie einen Moment zu lange. Dann löste sich Applaus. Ein leiser, bewundernder, echter Applaus. Von Stein stand am Rand des Paketts, nickte ein Signal. Niklas Blick traf Lenas. In seinen Augen lag ein Glanz, den sie noch nie gesehen hatte. Hoffnung.

 Später, als sie allein im Auto saßen, sagte er kaum etwas. Erst als die Villa in Sicht kam, flüsterte er: “Ich glaube, ich habe heute gewonnen.” “Nicht wegen ihnen.” “Wegen Ihnen?” In der Stille nach diesen Worten saß Lena da, unfähig etwas zu erwidern. Als sie die Tür öffnete, griff er nach ihrer Hand: “Bleiben Sie noch!” Sie blieb. Im Wohnzimmer brannte wieder das Feuer.

 Er sah sie an. Keine Masken mehr, keine Rollen, keine Verträge, nur zwei Menschen, die etwas suchten, das ihnen das Leben genommen hatte. Er hob die Hand, berührte ihr Gesicht. “Ich sollte sie loslassen, bevor das hier alles zu echt wird.” Zu spät flüsterte sie. Niklas zog sie langsam zu sich heran. Der Kuss war kein Sturm wie zuvor, sondern eine Entladung aus Wochen voller Schweigen. Warm, tief, ehrlich.

 Als sie sich lösten, legte er die Stirn gegen ihre. Wenn das Spiel endet, bleibe ich trotzdem, wenn Sie es zulassen. Lina schloss die Augen. Tränen liefen über ihre Wangen, aber sie lächelte. Vielleicht endet es gar nicht, sagte sie. Vielleicht war es nie ein Spiel.

 Draußen begann der Morgen über den Wannsee zu steigen und drinnen im stillen Licht des Feuers spürten zwei Menschen, die sich am Abgrund gefunden hatten, dass sie zum ersten Mal seit Jahren wirklich lebten. M.

 

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