
Das “heiße Aufsteigerduell”, wie Kölns Trainer Lukas Kwasniok das Spiel gegen den HSV nach Abpfiff bei DAZN betitelte, war kein leichtes Spiel – vor allem nicht für das Schiedsrichtergespann um Daniel Schlager, wie dieser selbst auch zugab. “Es war ein schwieriges Spiel für das Schiedsrichterteam, weil es viele knifflige Szenen gab”, sagte der Unparteiische und dachte dabei vor allem an die dramatische zweite Halbzeit. Ganz besonders im Fokus standen drei Situationen.
Minute 50: Fabio Vieiras Anschlusstreffer wird aberkannt
Kurz nach dem Seitenwechsel und dem Kölner 2:0 nach direktem Freistoßtreffer von Florian Kainz hatte Fabio Vieira den vermeintlichen schnellen Anschlusstreffer markiert. Doch dann schaltete sich der VAR ein – und das Tor wurde nach fast sechsminütiger Prüfung (!) wieder aberkannt. Die Entscheidung, den Treffer letztendlich wegen eines Foulspiels von Rayan Philippe an Eric Martel nicht zu geben, kritisierte niemand, auch nicht HSV-Trainer Merlin Polzin – sehr wohl aber den Prozess.
“Wenn man die Bilder so sieht, dann hat der Arm da oben nichts zu suchen”, gab der Coach unumwunden zu, ergänzte jedoch, dass er sich “mit dem Prozess schwertue”. So verwies er darauf, dass zunächst eine vermeintliche Abseitsposition von Ransford-Yeboah Königsdörffer geprüft worden war und erst danach das Foul. “Das fühlt sich nicht gut an. Man erzielt ein Tor und es wird gesucht, was alles noch stattgefunden hat. Das kann nicht im Sinne sein, wie wir uns alle das Spiel vorstellen”, sagte Polzin, verwies auch auf die sehr lange Dauer des VAR-Checks und ärgerte sich darüber, dass es “auf einmal doch kein Abseits war, sondern ein Foul gefunden” wurde.
“Ich habe das Tor anerkannt, habe aber auch gesehen, dass ein Spieler im Sichtfeld des Torhüters war”, erklärte anschließend Schlager und merkte an, dass besagte Abseitsstellung eben auch “das Erste war, was wir auf dem Feld thematisiert haben. Deshalb hat der Videoassistent das auch zuerst geprüft.” Allerdings sei das eben in dieser kniffligen Situation nicht das Einzige gewesen, was zu prüfen war, wie der 35-Jährige erläuterte: So sei auch ein mögliches Foulspiel im Mittelkreis in der Entstehung und dann eben auch noch Philippes Aktion zu prüfen gewesen.
“Der Videoassistent hat mir bestätigt, dass die Abseitssituation knifflig ist. Dann habe ich gefragt, was mit dem Foul sei. Er hat dann gesagt, dass ihm klare Bilder vorliegen und er sieht, dass der Unterarm im Gesicht des Spielers ist. Er empfiehlt mir ein Onfield Review, deswegen bin ich dann rausgegangen.” Dass dem Referee dann in der Review Area sowohl die Foul- als auch die Abseitsszene vorgeführt wurde, sei auf seinen Wunsch hin erfolgt. “In erster Linie war das Foulspiel Thema, aber ich habe mir die Abseitsszene zeigen lassen, um einfach insgesamt einen Gesamteindruck von der Situation zu bekommen.”

Minute 79: Gelb-Rot gegen Pherai
Einen restlos gebrauchten Nachmittag hatte Immanuel Pherai erwischt. Nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung sah der 24-Jährige wegen eines klaren Fouls an Denis Huseinbasic Gelb und nur Sekunden später nach einem weiteren Foul an Kristoffer Lund die Ampelkarte.
Nicolai Remberg hätte sich in dieser Szene mehr Fingerspitzengefühl vom Schiedsrichter gewünscht, auch weil Pherai bei seinem Foul gegen Lund ganz klar ausgerutscht war. “Er rauscht da schon rein. Es ist eine klare Gelbe Karte, aber man sieht schon klar, dass er ausrutscht”, sagte der 25-Jährige und bedauerte, dass Schlager in diesem Fall nicht alle Fünfe gerade sein gelassen und dem Spieler noch eine Bewährungschance gegeben hatte.
Und Polzin? Der monierte die “Verhältnismäßigkeit”, die seiner Meinung in dieser Szene nicht gegeben war. So verwies der Trainer auf eine seiner Meinung nach vergleichbare Situation aus der ersten Halbzeit, in der “ein Kölner in unseren Spieler reinrutscht und am Ende ist es das Argument, dass es keine Gelbe Karte ist, weil er ausrutscht.”
Für Schlager wiederum gab es da nichts zu diskutieren. “Der Spieler geht mit hoher Intensität in den Zweikampf, spielt nicht den Ball und grätscht mit hohem Tempo in die Beine seines Gegenspielers”, beschrieb der Unparteiische die Szene und stellte fest: “Für mich ist das in dem Fall rücksichtslos – und da er schon verwarnt war, ist es eine Gelbe Karte.”
Minute 83: Gelb-Rot gegen Fabio Vieira
“Viel mehr ärgerte” Polzin jedoch, “dass wir noch weiter mit der Gelb-Roten Karte gegen Fabio Vieira bestraft werden”. Der Portugiese war bereits verwarnt und hatte wegen Lamentierens die Ampelkarte gesehen. “Ich kann das nicht nachvollziehen”, zeigte Polzin wenig Verständnis und meinte, dass der Spieler lediglich auf Kölner Zeitspiel hingewiesen hatte. “Das ist nicht zielführend – für uns alle nicht, für das Produkt Bundesliga nicht.”
Deutlich mehr echauffierte sich derweil Yussuf Poulsen, der dem Unparteiischen sogar Regelmissbrauch unterstellte. “Fabio fragt ihn, warum Schwäbe Zeit nehmen kann – und dafür kriegt er Gelb-Rot?”, fragte der Däne süffisant und meinte, dass es trotz Kapitänsregel möglich sein müsse, den Schiedsrichter anzusprechen. “Die Regel ist dafür da, um den Schiedsrichter zu schützen, aber es ist ja nicht so, dass wir nicht mit ihm reden sollen. Oder? Man darf auch mit dem Schiri reden und ansprechen, dass die Kölner Zeit von der Uhr nehmen. Das ärgert mich. Gelb-Rot da zu geben, war einfach zu viel.”
Schlager wiederum verwies darauf, dass der Platzverweis “eine längere Vorgeschichte” hatte. So habe Fabio Vieira in der ersten Halbzeit bereits “immer wieder protestiert”. Der Referee meinte dann auch, dass er trotz vorgeschriebenen Kapitänsdialogs “sehr viel zugelassen” habe und “in die Kommunikation mit dem Spieler gegangen” sei. “Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass er das bitte unterlassen soll. Ich habe das Spiel in der ersten Halbzeit bei einem Abstoß extra unterbrochen, bin zu ihm gegangen und habe gesagt, dass ich die Art und Weise nicht dulden werde.”
Auch habe er “sowohl mit dem Kapitän als auch in der Halbzeit mit dem Trainer des HSV gesprochen und auf das Verhalten hingewiesen”, so Schlager weiter. “Es hat nicht aufgehört. Ich habe versucht, Brücken zu bauen, aber irgendwann ist auch bei mir mal eine Grenze erreicht.” Und das war dann eben in der 83. Spielminute der Fall.
“In der Szene hat er Zeitspiel gefordert”, erinnerte sich Schlager und verriet, dass er dem Spieler mitgeteilt habe, dass er das “auf dem Schirm” habe. Als er sich dann fortbewegt hatte, kam vom Portugiesen so eine Geste, bei der er auf eine imaginäre Uhr deutete, womit er “Zeitspiel und die Gelbe Karte gefordert hat. Deshalb habe ich entschieden, den Spieler des Feldes zu verweisen.” Für Fabio Vieira war es übrigens in seinem erst fünften Bundesligaspiel bereits der zweite Platzverweis.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass Schlagers Platzverweise beide absolut vertretbar waren, ebenso war es richtig, das Tor in der 50. Minute abzuerkennen, allerdings bleibt da der Makel des sechsminütigen VAR-Checks bestehen.