Livia Michel strich nervös über das smaragdgrüne Kleid, das sie für diesen Abend gewählt hatte. Die Kristallüster des Hotels Bayerischer Hof in München ließen den Ballsaal in goldenem Licht erstrahlen, während sich die Elite der Stadt beim alljährlichen Wohltätigkeitsball die Hände schüttelte. Alles glitzerte, Diamanten, Champagner, Lächeln.
Und doch fühlte Livia sich, als würde ihr die Luft ausgehen. Ihr Blick glitt durch den Saal und blieb abrupt an einer vertrauten Silhouette hängen. Reiner Küster, ihr Ex-Freund, der Mann, dessen Manipulation sie fast zerstört hatte. Zwei Jahre hatte es gedauert, bis sie wieder so sicher auf ihren eigenen Beinen stand.
Und jetzt stand er da, charmant, selbstbewusst, im perfekt sitzenden Smoking, als hätte er nieben hinterlassen. Einfach atmen murmelte sie zu sich selbst und hob ihr Champagnerlas. Das hier ist ein Abend, nicht seiner. Nach Jahren harter Arbeit hatte sie endlich die Position erreicht, von der sie immer geträumt hatte. Leiterin Marketing bei Adler Innovation, einem der renommiertesten Technologieunternehmen Deutschlands.
Es war ihr erster offizieller Auftritt als Teil des Führungsteams und sie hatte gehofft, dass alles perfekt laufen würde. “Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen”, ertönte plötzlich eine vertraute Stimme. Maja Brand, ihre beste Freundin und Kollegin, reichte ihr ein frisches Glas Champagner. Schlimmer.
Reiner ist hier. Was? Der Reiner, der dir sagte, du seist zu sensibel für die Geschäftswelt. Livia nickte und nahm einen großen Schluck. Genau der. Maja schnaubte. Na, dann ist das hier wohl seine Strafe. Du bist aufgestiegen, ohne seine Hilfe, wenn das kein Karma ist. Die Liveband wechselte von dezentem Jay zu einem beschwingten Walzer.
Paare füllten die Tanzfläche und Livia bemerkte aus dem Augenwinkel, wie Reiner sich aus einer Gruppe von Gesprächspartnern entschuldigte und direkt auf sie zusteuerte. “Oh nein, er kommt hierher”, flüsterte sie hastig. “Ich kann das nicht, nicht heute Abend.” “Nicht, wenn ich versuche, einen guten Eindruck zu machen.” Ihre Panik wuchs.
Das selbstbewusste Lächeln, das sie sich über Monate antrainiert hatte, begann zu bröckeln. Verzweifelt blickte sie sich um und sah einen Mann in ihrer Nähe. Groß, dunkles Haar, ruhig, fast beobachtend, als gehöre er nicht ganz zu dieser glitzernden Welt. Sie atmete tief ein, trat einen Schritt näher und flüsterte.
“Entschuldigung, könnten Sie mit mir tanzen? Mein Ex schaut herüber.” Der Mann drehte sich um und sie blickte in das wohl faszinierenzde paar blaue Augen, dass sie je gesehen hatte. Für einen Moment vergaß sie, wie man atmet. “Ich wäre geehrt”, sagte er schließlich, seine Stimme tief und ruhig. Er stellte sein Glas ab und reichte ihr die Hand.
Dann wollen wir ihn mal nicht warten lassen. Erleichterung durchströmte sie, als sie seine Hand nahm. Seine Berührung warm, sein Griff fest und sicher. Während er sie auf die Tanzfläche führte, sah sie aus dem Augenwinkel Reiners verwirrten Blick und verspürte ein kaum zu unterdrückendes Gefühl von Genugtu.
“Danke”, sagte sie leise, als sie in der Mitte des Saals ankamen. “Ich heiße Livia, Livia Michel.” “Jakob”, antwortete er mit einem kaum merklichen Lächeln. Jakob Adler. Der Name sagte ihr nichts, noch nicht. Doch als sie zu tanzen begannen, merkte Livia, daß Jakob ein außergewöhnlicher Tänzer war. Jeder seiner Schritte war präzise, elegant und doch natürlich.
Es fühlte sich an, als würde er sie mühelos führen, ohne sie zu dominieren. Also, dieser Ex von ihnen begann Jakob beiläufig. Was macht ihn so toxisch? Livia zögerte, lachte dann leise. Das ist wohl kein typisches Smoltok Thema, oder vielleicht nicht? Aber sie wirken wie jemand, der gelernt hat, sich nicht mehr von alten Geschichten fesseln zu lassen.
Sie blickte auf und traf seinen warmen, ehrlichen Blick. Etwas in seiner Stimme, in seiner Ruhe ließ sie sicher fühlen. Reiner war jemand, der andere klein machen musste, um sich selbst groß zu fühlen. “Solche Männer gibt es viele”, sagte Jakob ruhig. “ber tanzen heute, also haben sie ihn längst hinter sich gelassen.” Sie lächelte schwach.
“Vielleicht. Oder ich übe noch. Dann üben wir gemeinsam, erwiderte er und zog sie etwas näher, während die Musik leiser wurde. Für einen Augenblick vergaß Livia alles die Gala, die Vergangenheit, selbst den Grund, warum sie hergekommen war. Nur der Takt, Jakobs Nähe und das Gefühl, wieder atmen zu können.
Als das Lied endete, verbeugte er sich leicht. Ein Drink zur Belohnung. Gern, sagte sie und spürte, dass dieser Abend gerade eine unerwartete Wendung nahm. Sie folgte Jakob durch den Ballsaal, vorbei an funkelnden Gläsern, Parfümwolken und gedämpftem Lachen. In einer ruhigeren Ecke reichte er ihr ein Glas Champagner. Sein Lächeln war entspannt, seine Haltung aufrecht, aber nicht überheblich, so anders als die arrogante Art, die sie von Männern auf solchen Veranstaltungen gewohnt war.

Also, Livia Michel, Leiterin Marketing bei Adler Innovations, begann er beiläufig. Wie fühlt es sich an, dort zu arbeiten? Sie hob überrascht eine Augenbraue. “Woher wissen Sie das?” “Ich höre zu”, erwiderte er ruhig. “Sie haben es erwähnt, als sie sich vorstellten.” Sie lachte leise. “Stimmt. Normalerweise bin ich die, die Fragen stellt, nicht die, die sie beantwortet.
” “Dann drehen wir den Spieß um.” Jakob neigte den Kopf. “Was treibt sie an, in dieser Branche zu arbeiten?” Livia dachte kurz nach. Vielleicht, weil ich Menschen verstehen will, wie sie fühlen, was sie kaufen, was sie lieben. Marketing klingt oberflächlich, aber gute Kommunikation ist Empathie, wenn man sie ehrlich meint.
Jakob nickte langsam, fast nachdenklich. Das ist eine seltene Sichtweise. Die meisten reden über Zahlen, nicht über Gefühle. Er sah sie an und sie hatte das Gefühl, als würde er mehr sehen als das, was sie sagte. Etwas in seiner Präsenz war ruhig, fast gefährlich ruhig, wie jemand, der sich daran gewöhnt hatte, zu führen, ohne es zeigen zu müssen.
Die Zeit verging, während sie sich unterhielten. Seine Fragen waren präzise, seine Aufmerksamkeit echt. Es war als würde sie mit jemandem sprechen, der wirklich zuhört, nicht nur um zu antworten, sondern um zu verstehen. Schließlich tauchte Maja wieder auf, leicht atemlos. Livia, entschuldige Walter Jenner vom Vorstand such dich.
Er will dich neuen Kunden vorstellen. Natürlich. Livia stellte ihr Glas ab, wandte sich an Jakob. Es war mir eine Freude. Ganz meinerseits, sagte er und nahm kurz ihre Hand. Vielleicht sehen wir uns bald wieder. Als sie sich entfernte, wagte sie einen letzten Blick zurück. Jakob hob sein Glas, lächelte, dieses undurchdringliche, charmante Lächeln, das sie länger beschäftigte, als ihr lieb war.
Was sie nicht ahnte, der Mann, mit dem sie getanzt hatte, war niemand anderes als Jakob Adler, der Gründer und CEO von Adler Innovations, der geheimnisvolle Chef, den noch kaum jemand persönlich getroffen hatte. Und er hatte gerade beschlossen, die Montagsbesprechung nach über einem Jahr selbst zu besuchen. Montagmgen. Livia hetzte durch die Glastüren der Zentrale von Adler Innovations in der Münchner Innenstadt. Sie war 5 Minuten zu spät.
Das Wochenende war mit Nachfassgesprächen nach der Gala vollgepackt gewesen. Sie hatte kaum geschlafen. Im Konferenzraum saßen bereits alle die Finanzabteilung, das Produktteam, die Marketingleitung. Victoria Hannah, ihre direkte Vorgesetzte, stand vorn und präsentierte Quartalszahlen. “Uns Prognosen sind stabil, aber wir müssen beim Lohn der neuen Produktlinie aggressiver vorgehen”, sagte sie, klickte zur nächsten Folie.
Livia wird gleich unsere Marketingstrategie vorstellen. Livia atmete tief durch, klappte ihren Laptop auf und überprüfte ihre Notizen. Ihr erster großer Auftritt vor dem gesamten Führungsteam. Sie war bereit, bis sich die Stimmung im Raum plötzlich änderte. Gespräche verstummten, Köpfe drehten sich zur Tür.
“Guten Morgen, meine Damen und Herren. Ich hoffe, ich störe nicht.” Die Stimme ließ sie erstarren. Langsam hob sie den Blick und da stand er. Jakob im maßgeschneiderten antrazitfarbenen Anzug, Die Ruhe selbst. Ihre Finger verkrampften sich am Rand des Laptops. Herr Adler, sagte Victoria ehr furchtsvoll. Was für eine Überraschung. Wir fühlen uns geehrt, dass Sie heute hier sind.
Er nickte knapp, nahm am Kopfwende des Tisches Platz, direkt gegenüber von Livia. Ihre Gedanken rasten. Er ist der CEO, der Jakob Adler. Gestern hatte sie mit ihm getanzt, gelacht, sich geöffnet und ihm erzählt, dass der Chef wohl zu beschäftigt oder zu wichtig sei, um neue Mitarbeiter kennenzulernen. Jetzt blickte er sie an. Kein Spott, keine Arroganz, nur ein kaum merkliches Lächeln, als wolle er sagen: “Ja, ich erinnere mich.
” “Bitte fahren Sie fort”, sagte er ruhig. Livia zwang sich aufzustehen. Ihre Knie fühlten sich an wie aus Gummi, aber ihre Stimme blieb erstaunlich fest. Guten Morgen. Ich freue mich Ihnen die neue Kampagne für die Elite Produktlinie vorstellen zu dürfen. Sie klickte zur ersten Folie und begann zu sprechen.
Mit jeder Minute gewann sie an Sicherheit. Sie sprach über emotionale Markenführung, über Authentizität, über den Wunsch der Kunden, sich verstanden zu fühlen. Als sie geendet hatte, folgte einen Moment lang Stille. Dann sprach Jakob: “Ein interessanter Ansatz, aber riskieren wir damit nicht, unsere Luxuspositionierung zu verwässern? Livia sah ihn direkt an.
Im Gegenteil, Herr Adler, unsere Zielgruppe will keine Perfektion, sie will Echtheit. Luxus heißt heute, sich verstanden zu fühlen. Ein winziges Lächeln huschte über sein Gesicht. Fahren Sie fort. Als sie fertig war, applaudierten einige Kollegen leise. Selbst Victoria beeindruckt. “Danke, Frau Michel”, sagte Jakob.
“Ich würde diese Ideen gerne vertiefen. Haben Sie heute Nachmittag Zeit?” Natürlich, antwortete sie automatisch. Er stand auf, reichte ihr kurz die Hand, fest, ruhig, professionell. Mein Büro 15 Uhr. Dann verließ er den Raum und Livia blieb zurück, das Herz klopfend. Maja stürzte nach dem Meeting zu ihr.
Sag bitte, ich habe das richtig gehört. Der Jakob Adler will dich persönlich sprechen. Anscheinend ja. Maja grinste. Und du hast ihn auf der Gala gerettet, ohne zu wissen, wer er ist. Livia, das ist Filmreif. Livia atmete tief ein. Filmreif vielleicht oder lebensgefährlich für meine Karriere. Punkt 3 Uhr nachmittags stand Livia vor den schweren Doppeltüren im obersten Stockwerk der Zentrale von Adler Innovations GmbH.
Noch nie zuvor war sie auf dieser Etage gewesen. Der Bereich der Geschäftsführung war sonst ein abgeschottetes Reich. Ein letztes Mal überprüfte sie ihre Notizen, atmete tief ein und klopfte. Kommen Sie herein!”, erklang seine Stimme ruhig und kontrolliert. Als sie die Tür öffnete, traf sie der Anblick eines Büros, das weniger nach Macht und mehr nach Klarheit roch.
Glas, Stahl, helle Holzakzente, bodentiefe Fenster mit Blick über die Dächer von München. Jakob stand am Fenster, das Sako ausgezogen, die Ärmel hochgekrempelt. Für einen Moment sah er nicht aus wie der gefeierte Techmiilliardär, sondern wie der Mann, mit dem sie getanzt hatte. Konzentriert, präsent, ehrlich. Frau Michel”, sagte er mit einem leichten Lächeln, während er sich umdrehte.
“Bitte setzen Sie sich.” Sie nahm auf einem der Ledersesselplatz ihre Haltung perfekt, ihr Herzschlag wild. “Ich habe zusätzliche Datenpunkte vorbereitet, die meine Strategie unterstützen”, begann sie sachlich, fast mechanisch. “Bevor wir dazu kommen,” unterbrach Jakob ruhig, “möchte ich mich für etwas entschuldigen.
” Livia blinzelte überrascht. Entschuldigen, ich war auf der Gala nicht völlig ehrlich zu ihnen. Er setzte sich ihr gegenüber. Ich habe Ihnen meinen zweiten Vornamen gesagt, Jakob James Adler. Technisch gesehen war das keine Lüge, aber sie hatten das Recht zu wissen, mit wem sie tanzen. Livia suchte nach einer professionellen Reaktion, doch ihr Lächeln wirkte vermutlich etwas schief. Sie wollten unerkannt bleiben.
Manchmal ist es angenehm, einfach jemand zu sein, ohne Titel, ohne Erwartungen. Sie haben mich angesprochen, weil sie Hilfe brauchten, nicht weil sie beeindrucken wollten. Das war erfrischend. Er sprach ruhig, ohne Selbstgerechtigkeit. Und doch lag eine Spur von Verletzlichkeit in seiner Stimme, die sie überraschte.
“Ich hoffe, sie nehmen es mir nicht übel”, fügte er hinzu. “Nein”, antwortete sie ehrlich. “Ich nehme es ihnen nicht übel.” Ich war überrascht. Das ist alles. Und sie haben mir ihre ehrliche Meinung über mich gesagt. Das war nicht gerade diplomatisch, murmelte sie leicht errötend. Er lachte leise, aber ehrlich und gar nicht so falsch.
Dann wechselte er das Thema ganz der CEO. Ihre Marketingstrategie gefällt mir, besonders die Betonung von Authentizität, aber ich habe Bedenken bei der Umsetzung. Was folgte, war kein oberflächliches Gespräch, sondern ein intensiver Austausch. Jakob stellte Fragen, hinterfragte Details, forderte Begründungen, doch stets respektvoll.
Livia merkte, wie sich zwischen ihnen ein professionelles Gleichgewicht entwickelte. Sie begegnete ihm auf Augenhöhe und er schien das zu schätzen. Nach über einer Stunde stand er auf, um das Gespräch zu beenden. Ich bin beeindruckt, Frau Michel. Sie denken anders als viele hier und das ist gut so. Danke, Herr Adler.
Sie sammelte ihre Unterlagen ein, zögerte dann an der Tür. Darf ich Sie etwas fragen? Er nickte. War es Zufall, daß sie ausgerechnet am Montagmgen im Meeting erschienen sind? Sein Lächeln verriet nichts. “Was denken Sie?” Bevor sie antworten konnte, klingelte sein Handy. Ein kurzer Blick und seine Stimme wurde wieder geschäftlich.
“Wir setzen das morgen fort.” “Gleiche Zeit.” Livia nickte, verabschiedete sich und verließ das Büro mit einem Herz, das noch immer schneller schlug, als sie wollte. Was sie nicht wusste, kaum war sie gegangen, ließ Jakob seine nächsten Termine absagen und forderte ihre Personalakte an. Er wollte alles über Livia Michel wissen und über ihren Ex-Freund Reiner Küster, der sich drei Tage zuvor für eine leitende Position bei Adler Innovations beworben hatte.
Zwei Wochen später hatte sich ein Muster entwickelt. Jeden Tag trafen sich Jakob und Livia zu Besprechungen, die länger dauerten als sie sollten. Aus Strategiegesprächen wurden Diskussionen über Werte, Ziele und Ethik in der Wirtschaft. Livia fand in Jakob keinen distanzierten Chef, sondern einen Mann, der wirklich zuhörte, analitisch, neugierig, manchmal sogar humorwoll.
“Hrchlag zur internationalen Expansion ist solide”, sagte Jakob eines Nachmittags, während er ihre Unterlagen durchsah. “Aber der Zeitplan für den asiatischen Markt ist zu eng.” “Ich weiß”, antwortete Livia. “Ich dachte, wir könnten zuerst Europa starten und dann drei Monate später nach Asien ausrollen.” “Das gefällt mir.
“, er nickte. Bereiten Sie mir einen überarbeiteten Plan vor. Schon in Arbeit, sagte sie mit einem Lächeln, dass er erwiderte, einen Moment, der zu lang dauerte. Dann fast beiläufig. Am Samstag findet ein Wohltätigkeitsdinner im Hotel vier Jahreszeiten statt. Die Firma hat einen Tisch reserviert. Ich würde mich freuen, wenn Sie mich begleiten. Livia erstarrte kurz.
War das eine Einladung als Chef oder als Mann? Natürlich als Kollegen”, fügte er rasch hinzu, als hätte er ihre Gedanken erraten. “Natürlich”, wiederholte sie, obwohl ein winziger Stich in ihrer Brust verriet, dass sie sich mehr erhofft hatte. Am Samstagabend schickte Jakob einen Wagen. Livia trug ein tiefblaues Kleid, schlicht, aber elegant, und als sie in die Lobby trat, wartete er dort bereits, groß, makelos, lächelnd.
“Sie sehen wunderschön aus”, sagte er ohne Zögern, reichte ihr den Arm. “Bereit? Der Saal war voll mit Münchens Wirtschaftsgrößen. Kameras blitzten, Gespräche über Spenden und Macht füllten den Raum. Während des Dinners stellte Jakob sie mehreren Vorstandsmitgliedern vor. Seine Hand ruhte immer wieder beiläufig an ihrem Rücken und jedes Mal spürte Livia ein leises Prickeln, dass sie nicht zeigen dürfte.
Victoria Hahn saß am selben Tisch, ihr Lächeln kühl wie ihr Champagner. Sie musterte Livia von oben bis unten, während Jakob sich ihr zuwandte. “Alles in Ordnung?”, fragte er leise. “Ich habe das Gefühl beobachtet zu werden,”, gestand sie. “Dann sollten wir kurz frische Luft schnappen.” Auf der Terrasse lag die Stadt still unter einem klaren Sternenhimmel.
Der Blick über die Dächer Münchenskte friedlich, fast intim. “Besser?” “Ja, viel besser.” Sie atmete tief ein, sah ihn an. “Darf ich Sie etwas fragen?” “Alles. Warum ich? Sie haben eine ganze Führungsriege mit mehr Erfahrung als ich. Warum arbeiten Sie so eng mit mir zusammen?” Er schwieg einen Moment, als würde er seine Antwort abwägen, weil sie Dinge anders sehen und weil sie keine Angst haben, mir zu widersprechen. Das ist selten.
Sie lachte leise. Ich habe sie auf der Gala sogar kritisiert. Genau deshalb er trat einen halben Schritt näher. Ehrlichkeit ist wertvoll. Etwas in der Luft veränderte sich. Zwischen ihnen war jetzt kein Abstand mehr, nur dieses gespannte Schweigen, das man nicht benennen dürfte. Doch das Schicksal hatte andere Pläne.
Die Terrassentür öffnete sich und eine vertraute Stimme schnitt wie ein Messer durch die Nacht. Olivia, ich dachte, das sei wirklich du. Reiner Küster stand da. Dieselbe Haltung, dasselbe falsche Lächeln. Für einen Moment war die Luft wie eingefroren. Livia fühlte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. Reiner Küster trat näher, seine Stimme samtweich, sein Blick prüfend, genau wie früher, als er noch wusste, wie man sie mit einem einzigen Satz verunsicherte.
Du siehst gut aus, Livia. Sehr gut sogar. Reiner. Sie zwang ein neutrales Lächeln. Ich wusste nicht, dass du eingeladen bist. Kurzfristig eingesprungen sagte er lässig und wandte sich dann an Jakob. Herr Adler, nehme ich an, eine Ehre, Sie kennenzulernen. Reiner Küster. Jakobs Gesicht blieb regungslos, höflich, kontrolliert.
Er schüttelte Reiners Hand, doch in seinem Blick lag ein Hauch von Eis. Freut mich, Herr Küster, Livia und ich kennen uns schon lange, fuhr Reiner fort. Die Situation mit einem charmanten Lächeln an sich reißend. Alte Freunde oder sagen wir besser frühere Weggefährten. Weggefährten wiederholte Jakob ruhig, während Livia innerlich verkrampfte.
Wir waren ein paar, sagte sie, bevor Reiner noch etwas zweideutiges hinzufügen konnte. Vor einigen Jahren. Ein kurzes Schweigen, dann nickte Jakob langsam. Ich verstehe. Reiners Lächeln wurde breiter und nun, so wie es aussieht, werden wir vielleicht bald wieder Kollegen. Mein Bewerbungsgespräch bei Adler Innovations ist am Dienstag. Livia erstarrte.
Was? Ja, die Position als CFO wurde mir angeboten. Walter Jenner hat mich persönlich empfohlen. Jakobs Mine veränderte sich kaum, doch seine Kiefermuskeln spannten sich minimal. Interessant. Ich war nicht informiert, dass wir eine neue CFO Stelle ausgeschrieben haben. Vielleicht sind meine Verbindungen effizienter als ihre Personalabteilung, entgegnete Reiner halb im Scherz, halb im Stolz.
Livia fühlte sich als würde der Boden unter ihr nachgeben. Reiner bei Adler Innovations. Jeden Tag denselben Flur, dieselben Besprechungen. Unmöglich. Wenn Sie mich entschuldigen, Herr Küster”, sagte Jakob Kühl, Frau Michel und ich haben noch geschäftlich zu besprechen. Er legte Livia eine Hand an den Rücken, fest, beschützend, und führte sie zurück in den Ballsaal.
Erst dort, zwischen dem Stimmengewehr, brach sie das Schweigen. “Ich hatte keine Ahnung, dass er sich beworben hat. Ich schwöre es Ihnen.” “Das glaube ich Ihnen”, sagte Jakob leise, aber seine Stimme war angespannt. “Doch etwas stimmt hier nicht. Wir haben seit Monaten keine offenen Führungspositionen. Vielleicht, vielleicht hat jemand intern etwas arrangiert.
Ah ja, und ich habe einen Verdacht. Wer? Sein Blick war hart. Victoria Hahn. Eine halbe Stunde später saßen sie in Jakobs Wagen. Die Stadt spiegelten sich auf den Scheiben. Der Ball war für sie beide vorbei. Walter Jenner behauptet, er habe Reiner nie eingeladen sagte Jakob, nachdem er ein Telefonat beendet hatte. Und doch hatte reiner Zugang zu seiner privaten E-Mailadresse.
Jemand muss ihm interne Informationen gegeben haben. Victoria, flüsterte Livia. Sie hat mich vorhin im Damenraum abgefangen. Sie weiß von Reiner und mir und sie hat etwas angedeutet. Was genau? Dass mein Aufstieg zu schnell ging, dass man sich wundern würde, warum ich plötzlich so viel Zeit mit ihnen verbringe. Jakob trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad.
Sein Blick star auf die Straße gerichtet. Das ist kein Zufall mehr. Jemand will Zweifel sehen an ihnen und an mir. Sie meinen Sabotage. Seine Stimme war hart, fast flüsternd und Reiner ist das perfekte Werkzeug. Sie weiß, dass er sie emotional aus dem Gleichgewicht bringen kann. Livia schwieg. Sie spürte, wie ihr die Hände zitterten. Es war zu viel.
Vergangenheit, Intrigen, Machtspiele. Doch tief in ihr wuchs auch Wut. Was tun wir? Ich finde heraus, was Victoria vorhat. Aber sie müssen mir vertrauen und sich von reiner fernhalten. Das tue ich, sagte sie fest. Am Montagmorgen lag über der Firma eine merkwürdige Spannung. Gerüchte schwirrten durch die Flure, irgendetwas war im Gange.
Livia kam früh, doch Jakob wartete bereits vor ihrem Büro. Wir müssen reden. Er führte sie in einen kleinen Konferenzraum, schloss die Tür hinter sich. Sein Gesicht war ernst, seine Haltung angespannt. Ich habe recherchiert. Victoria und Reiner kennen sich seit Jahren. Sie haben vor ihrer Beziehung bei derselben Investment Firma gearbeitet, somit Partners.
Das kann nicht sein. Doch er legte eine Mappe vor sie. E-Mails, Termine, alte Personalakten. Victoria war diejenige, die Reiner damals empfahl und sie hat ihren beruflichen Werdegang seitdem auffällig genau verfolgt. Livia blätterte fassungslos. Wollen Sie sagen, sie hat unsere Beziehung geplant? Vielleicht nicht alles, aber sie hat sie beobachtet.
Reiner war ihr Werkzeug. Seine Aufgabe war, sie klein zu halten. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Die Jahre voller Selbstzweifel, all die verletzenden Worte: “Du bist zu emotional. Du bist nicht bereit für Führung.” Plötzlich ergaben sie einen Sinn. Und jetzt? fragte sie heiser. Jetzt steht Victoria kurz davor, die Kontrolle über 30% der Firma zu übernehmen.
Durch das Elena Adler Stiftungsmandat, das war der Anteil meiner Mutter. In einem Monat läuft ihre Probezeit als CMO ab, dann gehört ihr dieser Anteil und sie wird unangreifbar. Livia hob den Blick und sie sieht mich als Bedrohung. Genau. Was schlagen Sie vor? Wir brauchen Beweise, dass sie mit Reiner zusammenarbeitet und zwar vor der Vorstandssitzung morgen.
Sie atmete tief durch. Reiner hat morgen sein Bewerbungsgespräch oder? Ah ja, 9 Uhr. Wenn wir ihn dazu bringen, zuzugeben, dass er und Victoria gemeinsame Pläne schmieden, wäre das genug. Livia dachte nach, ihre Augen funkelten plötzlich vor Entschlossenheit. Dann bringen wir ihn dazu, es selbst zu sagen.
Wie? fragte Jakob, wenn er glaubt, er spreche mit Victoria und nicht mit mir. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann nickte Jakob langsam. Das könnte funktionieren. Er lehnte sich zurück. Ich habe Zugriff auf das interne Nachrichtensystem. Wir können ihm eine Einladung zu einem vertraulichen Gespräch schicken unter Victorias Namen. Sie treffen ihn.
Ich überwache alles von neben an. Livia spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Und wenn er es merkt, dann spiele ich meinen Trumpf aus und lasse die Vorstandssitzung platzen. Aber ehrlich gesagt, ich glaube, er wird reden. Warum? Jakobs Blick traf ihren. Weil Männer wie Reiner immer glauben, sie hätten die Kontrolle.
Dienstagmorgen. Livia saß in einem kleinen Besprechungsraum, das Licht kalt, ihre Hände ruhig auf dem Tisch gefaltet. Hinter der Wand durch eine getönte Scheibe wartete Jakob mit einem Aufnahmegerät. Sie hörte das Summen der Lüftung und ihr eigenes Herz. Dann klopfte es. Reiner trat ein. Das Lächeln wie immer perfekt.
Victoria, fragte er und blieb kurz irritiert stehen, als er sie sah. Sie lässt sich entschuldigen sagte Livia ruhig. Sie hat mich gebeten, dich vorabzubriefen. Ein kurzer Moment des Misstrauens, dann das vertraute selbstgefällige Grinsen. Na gut, worum geht’s? Darum, dass wir unsere Geschichten abstimmen, begann sie mit der Sicherheit einer Schauspielerin, die genau weiß, dass das Publikum zuhört.
Reiner setzte sich lässig, verschränkte die Beine und lehnte sich zurück. Geschichten abstimmen, das klingt ja fast so, als gäbe es was zu verstecken. Livia zwang sich zu einem kühlen Lächeln. Du weißt genau, dass Victoria keine Fehler toleriert. Wenn du morgen vor dem Vorstand etwas sagst, das nicht in ihr Konzept passt, warst das mit deiner neuen Karriere bei Adler Innovations.
Er zog eine Augenbraue hoch. Ach, sie hat dir also alles erzählt? Natürlich, erwiderte sie ruhig. Über eure Zusammenarbeit bei somit Partners, über ihren Plan hier den Vorstand umzukrempeln und über mich. Reiners Lächeln wurde schmaler. Dann weißt du also auch, warum sie dich damals unbedingt im Auge behalten wollte. Erleuchte mich.
Er beugte sich nach vorne. Seine Stimme senkte sich zu einem verschwörerischen Tonfall. Victoria hat schon früh erkannt, dass du gefährlich bist. Klüger, charmanter, ehrlicher. Solche Leute bringen Systeme zum Einsturz. Deshalb wollte sie dich kontrollieren, bevor du zur Konkurrenz wirst.
Livia blieb äußerlich ruhig, auch wenn sich ihr Magen drehte. Und du warst ihr Werkzeug? Werkzeug. Er lachte leise. Sagen wir, ihr Informant, ich sollte dich einschätzen. Dein Potenzial, deine Loyalität, ob du beeinflussbar bist. Und fragte sie leise. Du warst perfekt, sagte er, fast bewundernd. Emotional, aber brillliant.
Leicht zu lenken, weil du dachtest, Liebe sei wichtiger als Strategie. Für einen Moment blitzte Schmerz in ihren Augen auf, doch sie zwang sich zur Fassung. Und jetzt was plant Victoria? Reiner grinste. Sobald sie offiziell CMO ist, übernimmt sie über die Elena Adlerftung 30% des Unternehmens. Dann fällt Jakob Adler und du gleich mit.
Niemand wird glauben, dass du deine Position ohne persönliche Vorteile erreicht hast. Du meinst, sie will meinen Ruf zerstören, um ihren eigenen zu schützen. Ganz genau. Livia nickte langsam, als hätte sie endlich verstanden. Dann richtete sie sich auf, ihr Blick klar und schneidend. Danke, Reiner. Das war alles, was ich hören musste. Er runzelte die Stirn.
Was soll das heißen? Die Tür öffnete sich und Jakob trat ein, gefolgt von zwei Vorstandsmitgliedern. Sein Blick war kalt wie Stahl. Das heißt, Herr Küster”, sagte er ruhig, “dasseben vor Zeugen bestätigt haben, mit einer leitenden Mitarbeiterin gegen dieses Unternehmen konspiriert zu haben.” Reiner erbleichte.
“Das war ein Trick, ein Geständnis”, unterbrach Jakob. “Und das reicht?” Livia stand auf, die Hände leicht zitternd, doch ihre Stimme war fest. “Sie haben mich unterschätzt, Reiner wieder einmal.” Er sah sie an, wütend, beinahe hilflos, während Jakob die Aufzeichnung stoppte. Sekunden später führten Sicherheitsmitarbeiter ihn hinaus.
Die Tür fiel ins Schloss und ein stiller Moment blieb zurück. Livia atmete schwer. Das war’s dann wohl. Jakob nickte langsam, doch seine Augen verrieten Erleichterung und stolz. Das war mutig. Ohne dich hätten wir keine Beweise gehabt. Ich hätte es nicht ohne sie geschafft. Oh, ich glaube, sie hätten es längst geschafft, sagte er leise.
Nur hätten sie vielleicht nicht geglaubt, dass sie es können. Am nächsten Morgen tagte der Vorstand. Victoria Hahn saß am Ende des langen Konferenztisches blass, aber äußerlich gefasst. Jakob präsentierte die Beweise ruhig, präzise, die Aufzeichnung, die E-Mails, die Absprachen. Kein Drama, nur Fakten. Als das Protokoll beendet war, hob die Vorsitzende des Aufsichtsrats den Blick.
Die Entscheidung ist einstimmig. Victoria Hahn wird mit sofortiger Wirkung entlassen. Victoria erhob sich, die Lippen schmal, die Augen voller Zorn. Auf dem Weg zur Tür blieb sie bei Livia stehen. Er wird dich auch fallen lassen irgendwann. Männer wie er, sie brauchen nur neue Heldinnen. Livia sah sie fest an.
Der Unterschied ist, ich brauche keinen Retter mehr. Victoria ging, die Tür schloss sich hinter ihr und mit ihr ein ganzes Kapitel. Ein halbes Jahr später. Der Frühling hatte München wieder weich gemacht. Blühende Kastanien, Kaffee in der Sonne, ein Hauch von Neubeginn. Im prunkvollen Ballsaal des Hotels Bayerischer Hof fand die erste Elena Adler Stiftungsgala unter Livias Leitung statt.
Sie war inzwischen offiziell zur Chief Markketing Officer ernannt worden, jung, entschlossen, respektiert. Auf der Bühne sprach sie über Chancen für Frauen in Führungspositionen, über Vertrauen, über Mut und über die Kraft, sich nicht von der Vergangenheit definieren zu lassen. Der Applaus halte warm durch den Raum.
Später, als das Orchester leise einen Wal zerspielte, trat Jakob an sie heran. Kein Publikum, kein Machtgefälle, nur zwei Menschen, die einander gefunden hatten. “Darf ich?”, fragte er und reichte ihr die Hand. Sie lächelte. Schon wieder ein Tanz, diesmal ohne Zuschauer und ohne Exfreunde. Sie legte ihre Hand in seine.
Der Walzer begann langsam, vertraut. Die Lichter glitzerten wie damals. “Wissen Sie, Frau Michel?”, flüsterte er. “Am Anfang wollte ich Ihnen nur danken, dass Sie mich zum Tanzen gebracht haben. Und jetzt, jetzt will ich, dass Sie nie wieder aufhören.” Sie lächelte, legte den Kopf an seine Schulter. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte sich alles leicht an, echt ruhig, frei.
Die Musik verklang und als sie sich ansahen, wusste Livia, diesmal war es kein Spiel, keine Fassade, kein Trick, nur zwei Menschen, die gelernt hatten, einander zu vertrauen und sich selbst. M.