Es gibt Stimmen, die bleiben nicht nur für einen Sommer oder eine Generation, sondern für ein ganzes Leben. Mary Roos, geboren 1949 in Bingen am Rhein, ist eine dieser Ikonen. Sie ist die letzte große Diva der deutschen Musik, eine Künstlerin, die über sechs Jahrzehnte lang die Bühnen Europas mit ihrem glasklaren Gesang, ihrem strahlenden Lächeln und ihrer unerschütterlichen Würde füllte. Namen wie „Arizona Man“, „Nur die Liebe lässt uns leben“ oder „Aufrecht geh’n“ sind längst mehr als Lieder; sie sind Teil des kollektiven kulturellen Gedächtnisses. Doch hinter dieser Leuchtkraft, die Millionen von Fans zum Lächeln brachte und ihr Leben lang begleitete, verbarg sich eine Welt aus Stille, Zweifel und tief empfundenem Schmerz.
Nun, im Alter von 76 Jahren, bricht Mary Roos ihr Schweigen in einer Offenheit, die mehr schockiert als jeder Skandal. Das Geständnis ist keine laute Enthüllung, sondern eine leise, aber unerbittliche Abrechnung mit dem Preis des Ruhms, dem Leid der Liebe und dem gnadenlosen Kampf gegen den eigenen Körper. Die Sängerin enthüllt die tiefe Traurigkeit, die sie über Jahre unter ihrem berühmten Lächeln verbarg, den Moment des Zusammenbruchs, als ihre Stimme auf der Bühne versagte, und die intime Wahrheit über ihren Rückzug aus dem Rampenlicht, der nicht nur eine freie Entscheidung war, sondern auch eine Folge körperlicher und seelischer Erschöpfung.
Die Ehe als Drama: Das Feuerwerk, das verglühte
Mary Roos’ Leben war eine Achterbahnfahrt der großen Gefühle, die auf tragische Weise mit ihrer Kunst kollidierten. Ihre Ehe mit dem Musiker Werner Böhm, besser bekannt als „Gottlieb Wendehals“, begann wie ein Märchen aus dem Showgeschäft. Sie war die gefeierte Sängerin, er der charmante, witzige Musiker. Gemeinsam waren sie das Glamour-Paar der siebziger und achtziger Jahre. Doch hinter den Kulissen, fernab des Applauses, verwandelte sich das Märchen in ein Drama.
Werner Böhm kämpfte mit Exzessen, mit dem Alkohol und mit dem Druck, im Schatten des Erfolgs seiner Frau zu stehen. Mary Roos hingegen versuchte verzweifelt, die Fassade aufrechtzuerhalten: die Familie, den gemeinsamen Sohn Julian, das Bild nach außen. „Ich war stark, weil ich keine andere Wahl hatte“, gestand sie später, doch diese Stärke hatte einen hohen Preis. Sie schwieg, wo sie hätte schreien müssen, und lächelte, wenn ihr zum Weinen war.
Ihr Sohn Julian Böhm, heute ein erwachsener Mann, hat die „dunklen Jahre“ seiner Mutter miterlebt. Er erinnerte sich daran, dass seine Mutter zwar immer präsent war, er aber wusste, dass sie innerlich kämpfte. Er sah sie nachts am Fenster stehen, still, mit Tränen in den Augen. Marys oberstes Credo war es, ihren Sohn vor der Traurigkeit zu schützen, doch das Lachen, das sie ihm schenkte, war oft nur eine Decke, die den Schmerz verdeckte.
Die Scheidung, die 1989 endgültig wurde, ließ sie allein zurück, mit einem gebrochenen Herzen, aber einer ungebrochenen Würde. „Ich habe immer gedacht, dass man die Liebe singen kann, aber die wahre Liebe, die lebt man in den stillen Momenten, wenn keiner klatscht“, reflektierte sie. Nach diesem tiefen Bruch schwor sie, nie wieder zu heiraten. „Ich wollte nie mehr die Frau sein, die rettet. Ich wollte einfach nur leben, ohne zu erklären.“ Die Beziehung zu Werner, den sie als „Genie und Kind zugleich“ beschrieb, war für sie zu einer ständigen Quelle von Schmerz und Sehnsucht geworden.

Der stumme Kollaps: Als die Stimme versagte
Der wohl dramatischste Moment in Mary Roos’ langer Karriere war nicht etwa eine verpasste Chartplatzierung oder ein verlorener Preis. Es war der Moment, in dem ihr das Liebste genommen wurde: die eigene Stimme. Um das Jahr 2000 herum, kurz nach dem schmerzhaften Verlust eines engen musikalischen Wegbegleiters, brach Mary Roos im Studio zusammen. Es war keine körperliche Krankheit im klassischen Sinne, aber ihre Seele war erschöpft. Sie war leer.
Entgegen dem Rat ihrer Ärzte ignorierte sie die Notwendigkeit einer Pause und versuchte, den Schmerz durch Arbeit zu betäuben. Doch die Showbranche ist unerbittlich. Als sie Wochen später wieder auf der Bühne stand, geschah das Unerwartete, das Schockierende: Sie begann zu singen, und plötzlich kamen keine Töne heraus. Die Stimme, die sie ihr Leben lang getragen hatte, versagte. Für Sekunden herrschte Stille. „Ich stand dort und dachte, das ist das Ende. Ich bin fertig“, erinnert sie sich.
Doch dieses Scheitern war kein Ende, sondern eine Wiedergeburt. In dieser tiefen Krise erkannte Mary, dass sie mehr war als nur ihre Stimme. Sie zog sich in ihre Heimatstadt Bingen zurück, verbrachte Wochen am Rhein, sprach mit niemandem. Dort begann sie, für sich selbst zu schreiben, Texte, die später die Grundlage für ein neues, ehrliches, nachdenkliches Album wurden. „Ich habe begriffen, dass man nicht laut singen muss, um gehört zu werden. Man muss nur wahrhaftig sein“, lautet ihre Erkenntnis aus dieser Zeit. Dieser Moment der Schwäche wurde zur Quelle einer unerschütterlichen neuen Kraft und zu einem Wendepunkt in ihrem Leben. Sie lernte, sich selbst zu retten, als sie die Familie nicht mehr retten konnte.
Der gnadenlose Kampf mit 76: Altwerden ist nichts für Feiglinge
Mit 76 Jahren wirkt Mary Roos heute vital, hellwach und erstaunlich humorvoll. Doch auch diese scheinbare Stärke verbirgt einen anhaltenden, leisen Kampf, über den sie nun offen spricht. Schon seit Jahren leidet die Künstlerin unter Arthrose, einer chronischen Gelenkerkrankung, die vor allem ihre Knie betrifft. Die Bühne, ihr Zuhause, wurde zu einem schmerzhaften Ort. „Heute spüre ich jeden Schritt, der dorthinführt“, sagte sie.
Trotz der Schmerzen stand sie bis 2019 regelmäßig auf der Bühne. Dann, nach über sechs Jahrzehnten im Rampenlicht, traf sie die Entscheidung, die die Welt schockierte, obwohl sie von tiefer Weisheit zeugte: Sie hörte auf, als sie noch hätte weitermachen können. „Ich wollte aufhören, solange ich noch tanzen kann“, erklärte sie, „nicht, wenn man mich hintragen muss.“
Die Entscheidung war von Angst vor dem Ruhestand begleitet, der Stille nach all dem Applaus. Doch sie erkannte das Geschenk der Pause: „Zum ersten Mal höre ich wieder Vögel, statt Applaus.“ Heute ist sie ehrlich, wenn sie über das Älterwerden spricht: „Alt zu werden ist nichts für Feiglinge. Man muss loslassen können, und das fällt mir nicht leicht.“ Neben den körperlichen Beschwerden kämpft die Diva auch mit der Einsamkeit, dem Verlust von Freunden und Wegbegleitern, darunter 2020 auch ihr Ex-Mann Werner Böhm.
Ihr Sohn Julian Böhm ist heute ihr größter Halt, doch Mary Roos hat gelernt, dass sie die Verantwortung für ihr eigenes Glück tragen muss. Sie meditiert, ernährt sich bewusst und konzentriert sich auf das Wesentliche. „Gesundheit ist kein Zustand mehr, sondern ein Gefühl“, sagt sie heute. Ihre Offenheit über die körperliche Belastung und die seelischen Herausforderungen des Alters ist ein wichtiges Vermächtnis an ihre Generation.
Die späte, stille Liebe: Ein Raum der Ruhe statt eines Feuerwerks

Nach der turbulenten Ehe mit Werner Böhm und einer weiteren gescheiterten Beziehung in den Neunzigern, die nicht an Untreue, sondern an Marys Angst vor dem erneuten Verlust ihrer Selbst scheiterte, blieb sie lange Zeit allein. Sie wurde die „glückliche Einsame“ genannt, eine Frau, die erkannte, dass man niemanden braucht, um vollständig zu sein.
Erst im höheren Alter fand Mary Roos wieder eine Form von Liebe, die ganz anders war als alles, was sie zuvor kannte: leise, unaufgeregt, freundschaftlich. Ein alter Jugendfreund aus ihrer Heimatstadt Bingen, ein Mann, der in ihr Leben zurücktrat. Es ist keine Beziehung, die für die Schlagzeilen gemacht ist. Kein Skandal, keine Öffentlichkeit, nur Spaziergänge am Rhein, gemeinsames Lachen und Musik hören. „Wir halten uns nicht fest“, sagt sie, „wir gehen nebeneinander. Das reicht.“
Für Mary ist Liebe heute keine Bühne mehr, sondern „ein Raum der Ruhe“. Sie hat gelernt, dass wahre Nähe nichts mit Besitz zu tun hat, sondern mit Akzeptanz. „Liebe ist, wenn du jemanden ansiehst und weißt, du musst nichts sagen.“ Dieses späte, friedvolle Glück, das in der Stille wuchs, ist das schönste Ende einer langen Liebesgeschichte, die einst mit einem dramatischen Feuerwerk begann.
Mary Roos hat Millionen verdient und ist laut Experten auf ein geschätztes Vermögen zwischen 5 und 7 Millionen Euro gekommen. Doch Luxus spielt in ihrem Leben keine Rolle. Sie lebt bescheiden, in ihrem gemütlichen Zuhause in Hamburg und Bingen. Ihr Reichtum ist für sie nur ein Mittel zum Zweck, um Gutes zu tun. Sie spendet viel an den Tierschutz und gründete einen kleinen Förderfonds für junge Musikerinnen. „Ich brauche keinen Glamour mehr“, sagt sie. „Ich brauche Wärme.“
Mary Roos’ Lebenswerk ist mehr als eine Ansammlung von Erfolgen; es ist der Spiegel eines Lebens mit all seinen Höhen, Tiefen, Brüchen und Wiedergeburten. Mit 76 Jahren ist sie kein Star mehr, der um Applaus kämpft, sondern eine Legende, die ihren inneren Frieden gefunden hat. Sie ist gefallen, aber sie ist immer wieder aufgestanden, und jedes Mal, so sagt sie, hat sie „ein bisschen schöner gesungen.“ Das ist ihr Vermächtnis: eine Haltung, eine menschliche Wärme und ein Klang, der bleibt, auch wenn das Licht längst ausgeht.