Ein politisches Beben erschüttert die deutsche Hauptstadt und hallt bis in die Korridore der Macht in Brüssel wider. In einer ebenso leidenschaftlichen wie unerbittlichen Rede vor dem Deutschen Bundestag hat Sahra Wagenknecht, die charismatische und polarisierende Figur an der Spitze des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), der amtierenden Ampel-Regierung und der EU-Führung unter Ursula von der Leyen den Fehdehandschuh hingeworfen. Ihre zentrale Anklage, vorgetragen mit schneidender Schärfe, lautet: Die gegenwärtige Regierung verachtet die arbeitende Bevölkerung. Es ist ein Vorwurf, der tief ins Mark der deutschen Gesellschaft zielt und eine Debatte über soziale Gerechtigkeit, Souveränität und die wahren Prioritäten der Politik entfacht.

Die Rede, die am 18. September 2024 gehalten wurde, war mehr als nur eine routinemäßige parlamentarische Auseinandersetzung. Sie war eine Generalabrechnung, ein Manifest des Zorns und der Enttäuschung jener, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen. Wagenknecht, bekannt für ihre rhetorische Brillanz, zeichnete das Bild einer abgehobenen politischen Elite, die die Sorgen und Nöte der normalen Bürger nicht nur ignoriert, sondern aktiv gegen ihre Interessen handelt. „Wir erleben eine Politik“, so donnerte Wagenknecht von der Rednertribüne, „die sich um die Sorgen der Konzerne und der Wall Street kümmert, aber die Menschen vergisst, die dieses Land jeden Tag am Laufen halten.“
Im Zentrum ihrer Kritik stand die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die sie als Symbol einer bürgerfernen und intransparenten Bürokratie darstellte. Wagenknecht forderte unmissverständlich den sofortigen Rücktritt von der Leyens und verwies auf eine Reihe von Skandalen und Fehlentscheidungen, die das Vertrauen in die europäische Führung nachhaltig erschüttert hätten. Besonders scharf prangerte sie den sogenannten „Pfizer-Skandal“ an, bei dem es um milliardenschwere Impfstoffverträge geht, die per SMS ausgehandelt worden sein sollen. Die Weigerung von der Leyens, diese Textnachrichten offenzulegen, sei ein Affront gegen jede Form von Transparenz und demokratischer Kontrolle. „Eine Kommissionspräsidentin, die ihre Amtsgeschäfte per SMS erledigt und diese dann verschwinden lässt, ist untragbar“, so Wagenknecht.
Doch die Kritik ging weit über formale Fragen der Transparenz hinaus. Wagenknecht machte von der Leyen und die von ihr geführte Kommission für eine verfehlte Energiepolitik verantwortlich, die Europa in eine schwere Krise gestürzt habe. Der überstürzte und ideologisch motivierte Ausstieg aus russischer Energie habe nicht, wie behauptet, Russland geschwächt, sondern vor allem die europäische und insbesondere die deutsche Wirtschaft getroffen. Die explodierenden Energiekosten seien eine direkte Folge dieser Politik und eine existenzielle Bedrohung für den Industriestandort Deutschland und unzählige Arbeitsplätze. Während amerikanische Konzerne mit Fracking-Gas enorme Gewinne einfahren, würden deutsche Unternehmen in den Ruin getrieben und die Bürger mit untragbaren Rechnungen belastet. Wagenknecht zitierte den Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan, der ein Zollabkommen mit den USA als „Angriff auf Europas Industrie“ bezeichnete, und warf von der Leyen vor, die europäischen Interessen wie ein „Schulmädchen“ den amerikanischen Wünschen geopfert zu haben. Die EU, so die bittere Diagnose, sei zu einem „Vasallenstaat der Amerikaner“ verkommen.

Der wohl schwerwiegendste Vorwurf in Wagenknechts Rede bezog sich jedoch auf ein angebliches „Geständnis“ der EU-Kommission. Sie behauptete, es sei zugegeben worden, dass medizinische Behandlungsstoffe – eine kaum verhohlene Anspielung auf die COVID-19-Impfstoffe – ohne vollständige Sicherheitsdaten für die Bevölkerung freigegeben wurden. Dies sei nicht weniger als „Körperverletzung im Amt“, eine rücksichtslose Politik, die Leib und Leben der Bürger aufs Spiel gesetzt habe. Diese Anschuldigung, vorgetragen mit größtem Ernst, wiegt schwerer als jeder finanzielle Skandal. Sie rührt an die Urängste der Menschen und stellt die grundlegendste Aufgabe des Staates in Frage: den Schutz seiner Bürger. In einer Zeit, in der Millionen Menschen zur Impfung gedrängt wurden, oft unter Androhung des Verlusts ihres Arbeitsplatzes oder der sozialen Ausgrenzung, wirkt eine solche Enthüllung wie ein fundamentaler Vertrauensbruch.
Darüber hinaus attackierte Wagenknecht den zunehmend militaristischen Kurs der EU. Sie zeigte sich entsetzt über die Rhetorik von Krieg und Aufrüstung, die in Brüssel salonfähig geworden sei. Zitate wie „Europa muss kämpfen“ und die ständigen Forderungen nach mehr Waffen stünden im krassen Gegensatz zu den Gründungsprinzipien der Europäischen Union als Friedensprojekt. „Nach über 70 Jahren Frieden auf diesem Kontinent wird wieder zum Kampf gerüstet“, kritisierte sie und warf der politischen Führung Heuchelei vor. „Es sind nicht ihre Kinder, die sie an die Front schicken. Es sind immer die Kinder der anderen, über deren Leben sie so leichtfertig entscheiden.“ Diese Worte trafen einen Nerv in einem Land, das aufgrund seiner Geschichte eine tief verwurzelte Skepsis gegenüber militärischen Abenteuern hegt.
Die Rede von Sahra Wagenknecht war ein Appell an die „schweigende Mehrheit“, an die Arbeiter, Angestellten und Rentner, die sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen. Sie positionierte sich als Stimme des Volkes gegen „die da oben“ und schuf ein klares Feindbild: eine Regierung und eine EU-Bürokratie, die den Bezug zur Realität der Menschen verloren haben. Ob man ihren politischen Positionen zustimmt oder nicht, eines ist unbestreitbar: Sie hat die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte in eine einfache, emotionalisierende Sprache zu übersetzen, die viele Menschen erreicht.
Die Reaktionen auf die Rede ließen nicht lange auf sich warten. Während ihre Anhänger sie als mutige und notwendige Anklage feierten, warfen ihr Kritiker Populismus, Verschwörungstheorien und eine gefährliche Nähe zu antidemokratischen Narrativen vor. Doch die Debatte ist eröffnet. Wagenknecht hat es geschafft, die Agenda zu bestimmen und die Ampel-Koalition in die Defensive zu drängen. Die Fragen, die sie aufwirft, sind von zentraler Bedeutung für die Zukunft Deutschlands und Europas: Wie viel Souveränität ist Deutschland bereit, an Brüssel abzugeben? Dient die aktuelle Politik den Interessen der Bürger oder denen globaler Konzerne und geopolitischer Mächte? Und wie kann das verlorene Vertrauen zwischen Volk und Politik wiederhergestellt werden?

Die Forderung nach einem Misstrauensvotum gegen Ursula von der Leyen, das von verschiedenen Fraktionen im EU-Parlament unterstützt wird, gewinnt durch Reden wie diese an Dynamik. Auch wenn ein Erfolg des Votums als unwahrscheinlich gilt, erhöht es den Druck auf die angeschlagene Kommissionspräsidentin. Für die Ampel-Regierung in Berlin kommt diese Debatte zur Unzeit. Angesichts sinkender Umfragewerte und interner Streitigkeiten ist eine solche Fundamentalkritik Gift für das ohnehin brüchige Bündnis. Sahra Wagenknechts Anklage, die Regierung verachte die arbeitende Bevölkerung, ist mehr als nur ein Slogan. Es ist eine Kriegserklärung, die den politischen Herbst in Deutschland prägen und die gesellschaftliche Zerreißprobe weiter verschärfen wird. Der Ausgang dieses Kampfes ist ungewiss, doch eines ist sicher: Die Stimmen der Unzufriedenen sind lauter geworden und lassen sich nicht länger ignorieren.