Marmor, Stein und Eisen bricht: Das tragische Ende von Drafi Deutscher – Ein Leben zwischen Genie, Exzess und einem einsamen Tod
Die Musikwelt hielt den Atem an. Es war der 21. Mai 2006, ein scheinbar gewöhnlicher Tag, der sich jedoch in das kollektive Gedächtnis der deutschen Schlagerfans einbrennen sollte. In einem Restaurant im beschaulichen Mömlingen in Hessen geschah das Unfassbare: Drafi Deutscher, der Mann, der mit „Marmor, Stein und Eisen bricht“ eine Hymne für die Ewigkeit geschaffen hatte, brach plötzlich zusammen. Was folgte, war ein dramatischer Wettlauf gegen die Zeit, der den Anfang vom Ende einer der schillerndsten und zugleich tragischsten Karrieren der deutschen Nachkriegszeit markierte.
Der Krankenwagen raste mit Blaulicht durch die Nacht, doch bereits auf dem Weg ins Krankenhaus erlitt Deutscher einen schweren Herzinfarkt. Die Diagnose der Ärzte war ein Schock für Familie, Freunde und Fans: eine schwere Lungenentzündung, eine Blutvergiftung und stark geschädigte Herzkranzgefäße. Um seinen geschwächten Körper zu schonen, versetzten ihn die Mediziner in ein künstliches Koma. Zwei Wochen lang bangte die Nation um ihren Star, doch der Kampf war aussichtslos. Am Morgen des 9. Juni 2006, um 8:30 Uhr, versagte sein Herz endgültig. Drafi Deutscher starb im Alter von nur 60 Jahren an akutem Herz-Kreislauf-Versagen. Sein Tod kam plötzlich, aber nicht unerwartet für jene, die seinen Lebenswandel kannten.
Sein Leben war ein unaufhörlicher Tanz auf dem Vulkan, ein ständiges Pendeln zwischen genialen musikalischen Höhenflügen und tiefen persönlichen Abstürzen. Der Preis für den Ruhm war hoch, bezahlt mit seiner Gesundheit. Jahrelanger exzessiver Konsum von Nikotin und Alkohol, gepaart mit dem unerbittlichen Stress des Showgeschäfts und den Komplikationen seiner Diabetes-Erkrankung, hatten seinen Körper ausgezehrt. Doch selbst in den letzten Wochen seines Lebens, als die Anzeichen seines körperlichen Verfalls unübersehbar waren, dachte Drafi nicht ans Aufhören. Er arbeitete an neuer Musik, plante seine Memoiren und stand weiterhin auf der Bühne – als ob er dem Tod ein letztes Schnippchen schlagen wollte.
Geboren am 9. Mai 1946 in Berlin, wuchs Drafi unter schwierigen Umständen auf. Seinen Vater, einen ungarischen Pianisten, lernte er nie kennen. Die Musik wurde früh zu seiner Zuflucht und seiner größten Leidenschaft. Mit nur 19 Jahren gelang ihm der Durchbruch, der ihn über Nacht zum Superstar machte. „Marmor, Stein und Eisen bricht“ war mehr als nur ein Lied; es war der Soundtrack einer ganzen Generation, ein unsterblicher Hit, der sich millionenfach verkaufte und Drafi Deutscher unsterblich machte. Der junge Mann mit der markanten Stimme und dem rebellischen Charme wurde zum Idol.
Doch der frühe Ruhm hatte seine Schattenseiten. Der Erfolg stieg ihm zu Kopf, und er stürzte sich in ein Leben voller Exzesse. Alkohol, Drogen und wilde Partys wurden zu seinen ständigen Begleitern. Der unaufhaltsame Aufstieg fand 1967 ein jähes Ende, als ein Skandal seine Karriere beinahe zerstörte. Er urinierte von einem Balkon auf die Straße und wurde dabei von Schulkindern beobachtet. Die bürgerliche Presse stürzte sich auf den Vorfall, und der einstige Superstar wurde zur Persona non grata. Die Radiosender boykottierten seine Lieder, die heile Schlagerwelt wollte mit dem „Skandal-Sänger“ nichts mehr zu tun haben.
Für viele wäre dies das Ende gewesen, doch nicht für Drafi Deutscher. Er besaß eine unglaubliche Widerstandsfähigkeit und ein musikalisches Talent, das sich nicht unterkriegen ließ. In den folgenden Jahren bewies er, dass er mehr war als nur ein One-Hit-Wonder. Unter zahlreichen Pseudonymen schrieb und produzierte er Lieder für andere Künstler und bewies sein außergewöhnliches Gespür für Hits. Er war ein musikalisches Chamäleon, das sich immer wieder neu erfand.
Sein großes Comeback feierte er in den 1980er-Jahren. Mit dem Song „Jenseits von Eden“, den er für Nino de Angelo schrieb, landete er einen europaweiten Hit. Kurz darauf stürmte er selbst wieder die Charts. Lieder wie „Herz an Herz Gefühl“ und „Jeanne d’Arc“ zeigten einen gereiften Künstler, der die Tiefen des Lebens kannte und in seinen Texten verarbeitete. Er hatte sich zurückgekämpft, allen Widerständen zum Trotz.
Auch sein Privatleben war eine Achterbahnfahrt der Gefühle, geprägt von intensiven, aber oft turbulenten Beziehungen. Er war dreimal verheiratet und hatte zahlreiche Romanzen, häufig mit deutlich jüngeren Frauen, die von seiner charismatischen und zugleich komplizierten Persönlichkeit angezogen wurden. Seine erste Ehe mit Karin, aus der die Zwillingssöhne Drafi Junior und René hervorgingen, zerbrach früh. Die Ehe mit der Sängerin Isabel Varell wurde öffentlichkeitswirksam inszeniert und endete in einem bitteren Rosenkrieg, der die Klatschspalten füllte.
Trotz aller Skandale und privaten Turbulenzen gab es eine Konstante in seinem Leben: die Musik. Sie war seine erste und seine letzte Liebe, sein Anker in stürmischen Zeiten und sein Ventil für die tiefen Emotionen, die in ihm tobten. Bis zum Schluss blieb er ein unermüdlicher Schöpfer, ein Getriebener, der ohne die Bühne und das Studio nicht leben konnte. In seinen letzten Jahren fand er in seiner Lebensgefährtin Sandra eine wichtige Stütze, die ihm während seiner zunehmenden gesundheitlichen Probleme zur Seite stand.
Das Erbe von Drafi Deutscher ist komplex und vielschichtig. Er war ein Rebell im Schlager-Olymp, ein Genie, das an seinen eigenen Dämonen zu zerbrechen drohte. Er hat die deutsche Musiklandschaft geprägt wie kaum ein anderer und hinterlässt ein Repertoire unvergesslicher Melodien, die Generationen überdauern werden. Sein Leben ist eine Mahnung, wie nah Genie und Wahnsinn, Erfolg und Selbstzerstörung beieinanderliegen können. Am Ende bleibt die Erinnerung an einen außergewöhnlichen Künstler, dessen größte und beständigste Beziehung die zur Musik war. Sie hat ihn unsterblich gemacht, auch wenn sein Herz aufgehört hat zu schlagen. Marmor, Stein und Eisen bricht, aber seine Lieder, die bleiben.