Für Millionen von Menschen in Europa waren Al Bano und Romina Power mehr als nur ein Musik-Duo. Sie waren ein strahlendes Symbol, eine Projektionsfläche für die Sehnsucht nach dem Süden, nach unbeschwerter italienischer Lebensfreude und einer Liebe, die scheinbar ewig währte. Mit unsterblichen Melodien wie Sharazan und dem kulturellen Phänomen Felicità wurden sie zur Verkörperung des perfekten Glücks. Doch hinter den strahlenden Lächeln und dem unerschütterlichen Image verbarg sich ein dunkler Schatten, ein zerreißender Schmerz, der die Grundfeste ihrer scheinbar ewigen Liebesgeschichte erschütterte und sie in eine Tragödie verwandelte, die die Welt bis heute in Atem hält.
Was geschah wirklich, als das Rampenlicht erlosch? Wie konnte die gemeinsame Geschichte zweier Menschen, die so füreinander bestimmt schienen, an einem einzigen, unaufgeklärten Ereignis zerbrechen? Es ist die herzzerreißende Wahrheit hinter einem der schönsten und gleichzeitig tragischsten Märchen der Popkultur.
Zwei Welten, die aufeinanderprallten: Der Bauernsohn und die Hollywood-Prinzessin
Um die schicksalhafte Wucht dieser Geschichte zu verstehen, muss man die fundamental unterschiedlichen Welten betrachten, aus denen Al Bano und Romina stammten. Es waren zwei Planeten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können und deren Zusammenstoß eine Explosion an Leidenschaft und später an Schmerz auslöste.
Auf der einen Seite stand Albano Carrisi. Geboren im tiefsten Süden Italiens, in Celino San Marco, einer Region, die als Mezzogiorno von harter Arbeit, bäuerlichen Traditionen und tiefem katholischen Glauben geprägt war. Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf, lernte auf den Feldern unter der apulischen Sonne den Wert jeder Lira kennen. Sein Traum von Musik war größer als die Olivenhaine seiner Heimat. Als junger Mann verließ er sein Dorf, um sein Glück in der pulsierenden Anonymität Mailands zu suchen, arbeitete als Fließbandarbeiter, Kellner und Tagelöhner. Doch seine gottgegebene, kraftvolle Tenorstimme, voller Seele und Erdung, blieb nicht unbemerkt und führte ihn schließlich in den berühmten Clan um Superstar Adriano Celentano. Albano war der Inbegriff des bodenständigen, traditionellen italienischen Patriarchen.
Auf der anderen Seite, in einer Welt aus purem Glamour, wurde Romina Power geboren. Sie kam in Los Angeles, Kalifornien, zur Welt, als Tochter des legendären Hollywood-Stars Tyrone Power und der Schauspielerin Linda Christian. Ihre Kindheit war eine Odyssee des Luxus und der Instabilität, geprägt von den turbulenten Ehen ihrer Eltern und Umzügen. Romina war eine Kosmopolitin, eine freigeistige Künstlerin, die auf der Suche nach ihren eigenen Wurzeln war. Sie schien alles zu haben, doch es fehlte ihr das Gefühl von Beständigkeit, das Gefühl einer wahren Heimat.
Das Schicksal führte sie am Set des Musikfilms Nel Sole zusammen. Er, der aufstrebende Sänger aus einfachen Verhältnissen. Sie, die blutjunge, weltgewandte Schönheit. Für Romina, die entwurzelte Hollywood-Tochter, muss Albano wie ein Fels in der Brandung gewirkt haben. Er verkörperte Stabilität, Tradition und eine ehrliche Verbindung zu seiner Heimat. Für Albano war sie die Verkörperung seiner Träume: exotisch, gebildet, ein Hauch der großen weiten Welt. Ihre Liebe trotzte allen Widerständen, insbesondere dem Misstrauen ihrer Mütter, die sich jeweils einen standesgemäßeren Partner für ihre Kinder gewünscht hatten. Ihre Liebe war stärker, und sie gaben sich in Albanos Heimatdorf Celino San Marco das Ja-Wort. Das Märchen war perfekt, gekrönt wenig später mit der Geburt ihres ersten Kindes: Ylenia Maria Sole, die Sonne ihres Lebens.
Die Geburt einer Ikone: Die Hymne des Glücks
Nachdem ihre private Verbindung gefestigt war, beschlossen Albano und Romina, ihre Liebe in eine professionelle Allianz zu verwandeln. Die Chemie auf der Bühne war so offensichtlich und authentisch wie die Intimität ihrer realen Ehe. Ihre Stimmen ergänzten sich perfekt: sein erdiger Tenor vereint mit ihrem sanften, melodischen Gesang.
Das Jahrzehnt des Erfolgs wurde ihr goldenes Zeitalter. In einer unruhigen Zeit sehnten sich die Menschen nach positiven Botschaften, und Al Bano und Romina lieferten einen Sonnenstrahl durch die grauen Wolken des Alltags.
** Sharazan** schlug ein wie eine Bombe und etablierte sie als internationale Superstars, indem es das Publikum in ein Fantasieland des Glücks entführte.
** Felicità**. Dieses Lied war nicht nur ein Hit; es war ein kulturelles Phänomen. Die reinste Essenz der Freude, so eingängig und unglaublich positiv, dass es sich in das kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation einbrannte. Beim Sanremo Festival belegten sie den zweiten Platz, doch sie waren die wahren Sieger der Herzen.
** Ci Sarà**. Sie kehrten nach Sanremo zurück und gewannen den Wettbewerb, was ihren Status als unantastbare Ikonen in ihrem Heimatland zementierte.
Ihr Leben in Cellino San Marco mit vier Kindern (Ylenia, Yari, Christel, Romina Jr.) schien einem Bilderbuch entsprungen. Weinberge, Olivenhaine, ein großes Haus voller Kinderlachen und eine unerschütterliche gemeinsame Hingabe an Familie und Karriere. Doch unter der strahlenden Oberfläche begannen die feinen Risse in der Fassade zu entstehen. Die fundamentalen Unterschiede in ihrer Herkunft, die ihre anfängliche Anziehungskraft so stark gemacht hatten (Al Bano: der Patriarch der Tradition; Romina: die Freidenkerin der liberalen Weltanschauung), wurden im Alltag zu unterschwelligen Reibungspunkten. Niemand konnte ahnen, dass ein schreckliches Ereignis diese feinen Risse in einen unüberbrückbaren Abgrund verwandeln würde.
Die Finsternis bricht herein: Das Mysterium Ylenia Carrisi
Die nachfolgende Ära sollte ein weiteres goldenes Kapitel werden. Doch die Dynamik innerhalb der Familie hatte sich verändert, und im Zentrum dieser Wandlung stand ihre älteste Tochter, Ylenia.
Ylenia Maria Sole Carrisi war buchstäblich im Rampenlicht aufgewachsen, doch sie war eine Seele, die sich nach Authentizität und ihrem eigenen Weg sehnte. Brillant, mehrsprachig, und mit einem literarischen Abschluss, lehnte sie das vorgezeichnete Leben im goldenen Käfig des Ruhms ab. Sie wollte nicht über das Leben dozieren, sie wollte es spüren. Sie dürstete nach echten, unverfälschten Erfahrungen in den rauen, ungeschminkten Ecken der Welt.
Sie traf eine folgenschwere Entscheidung: Sie legte ihre akademische Karriere auf Eis, packte ihren Rucksack und reiste allein nach Mittel- und Südamerika, um Material für ein Buch über Straßenkünstler und Obdachlose zu sammeln. Es war ihre Rebellion, ihre Flucht aus der Welt von Al Bano und Romina Power.
Ihr Weg führte sie schließlich nach New Orleans, Louisiana. Dort traf sie erneut auf eine zwielichtige Gestalt: den Straßenmusiker Alexander Massakela. Für ihre besorgten Eltern war er der Inbegriff eines gefährlichen Einflusses; für Ylenia schien er ein charismatischer Mentor, ein spiritueller Guru zu sein, von dessen unkonventioneller Art sie fasziniert und verunsichert zugleich war.
Der letzte Kontakt war ein kurzes Telefonat nach Hause, in dem sie ihren Eltern ein gutes neues Jahr wünschte. Ihre Stimme klang normal. Niemand ahnte die Tragödie, die sich in den nächsten Tagen anbahnen sollte.
Ylenia wurde zuletzt zweifelsfrei gesehen, als sie ihr Hotel im French Quarter verließ. Was danach geschah, ist bis heute ein Mysterium.
Die polizeiliche Theorie basiert auf der Zeugenaussage eines Sicherheitsbeamten des New Orleans Aquariums. Er behauptete, eine junge Frau, die auf Ylenias Beschreibung passte, am Ufer des dunklen Mississippi-Flusses gesehen zu haben. Bevor er sie ansprechen konnte, sei sie aufgestanden und habe gesagt: “I belong to the water” – “Ich gehöre dem Wasser.” Die sofort eingeleitete Suche blieb ergebnislos. Der Fluss gab Ylenia nicht frei.
Die Kluft der Trauer: Hoffnung gegen Akzeptanz
Für Albano und Romina war der Verlust unmittelbar und unerträglich. Es war der Moment, in dem ihr Märchen zerbrach. Doch die Art und Weise, wie jeder von ihnen mit diesem Schmerz umging, trieb einen Keil zwischen sie, der nie wieder entfernt werden konnte.
Romina klammerte sich mit der ganzen Kraft einer Mutter an den Glauben, dass ihre Tochter noch am Leben sei. Sie weigerte sich, die offizielle Version des vermeintlichen Suizids zu akzeptieren. Die Hoffnung, dass Ylenia sich bewusst entschieden hatte, in Anonymität zu leben, wurde ihr Überlebensmechanismus. Sie reiste immer wieder in die USA, verfolgte selbst die dürftigsten Spuren, da das Festhalten an dieser Möglichkeit der einzige Weg war, morgens aufzustehen und weiterzumachen.
Albano hingegen, der Pragmatiker und Realist, musste nach langer Zeit der verzweifelten Suche einen Schlussstrich ziehen, um den Schmerz zu kanalisieren. Die Akzeptanz der schrecklichsten aller Möglichkeiten wurde für ihn zur bitteren Notwendigkeit. Er sah in der Aussage “Ich gehöre dem Wasser” eine Art poetische letzte Erklärung seiner Tochter.
Diese fundamental unterschiedliche Art der Trauer schuf nicht nur eine emotionale Distanz; sie veränderte sie auch als Menschen. Romina zog sich in Spiritualität und Buddhismus zurück, während Albano Trost im tiefgläubigen Katholizismus fand. Sie lebten in getrennten Welten, gefangen im selben Haus.
Schließlich gaben sie ihre offizielle Trennung bekannt. Albano machte in einem offenen Brief unmissverständlich klar, was der Wendepunkt gewesen war: “Von dem Moment an, als Ylenia verschwand, hat sich alles geändert. Romina war nicht mehr dieselbe Person”.
Der endgültige Bruch in der öffentlichen Wahrnehmung erfolgte jedoch, als Albano bei einem italienischen Gericht beantragte, seine Tochter Ylenia offiziell für tot erklären zu lassen. Es war sein Versuch, Frieden zu finden. Für Romina war es ein Verrat, eine endgültige Kapitulation, die eine persönliche Versöhnung unmöglich machte.
Das bittersüße Echo von Felicità
Nach der Trennung verließ Romina Italien und zog nach Kalifornien, wo sie sich auf die Malerei und das Schreiben konzentrierte. Sie hielt die Erinnerung an Ylenia in Interviews wach und weigerte sich standhaft, deren Tod zu akzeptieren. Albano blieb in Celino San Marco, baute seine Solokarriere und sein Wein-Imperium aus und gründete eine neue Familie. Die Vorstellung, dass Albano und Romina jemals wieder zusammen auf der Bühne stehen könnten, galt als absolut unmöglich.
Doch die Zeit hat die seltsame Fähigkeit, Wunden nicht zu heilen, aber neu zu formen. Nach vielen Jahren der Trennung gab es eine unerwartete Gelegenheit. Ein russischer Veranstalter lud sie zu Konzerten in Moskau ein. Zur totalen Überraschung sagte Romina zu.
Dieses Konzert in Moskau war ihr erster gemeinsamer Auftritt seit vielen langen Jahren der Stille. Es war, wie beide betonten, keine persönliche Versöhnung, sondern eine rein professionelle Wiedervereinigung, angetrieben von Nostalgie und der unbestreitbaren Kraft ihrer gemeinsamen Lieder. Für das Publikum war der Anblick, wie sie wieder zusammenstanden und die ersten Zeilen von Felicità sangen, ein Moment überwältigender Emotionen. Es war, als wäre die Zeit zurückgedreht worden.
Seitdem treten Albano und Romina Power wieder gelegentlich in Europa auf. Ihre Konzerte sind heute mehr als bloße Auftritte; sie sind ein Wiedersehen, eine geteilte Erinnerung und eine bittersüße Reise in die eigene Jugend. Ihre Geschichte ist das tragische Zeugnis davon, dass selbst das strahlendste Märchen zerbrechen kann, wenn es von einem unlösbaren Geheimnis und der unendlichen Qual der Ungewissheit überschattet wird. Der Echo von Felicità bleibt, doch es ist ein Echo, das immer von der tiefen, stillen Trauer um eine verlorene Tochter begleitet wird.